Werbung
Werbung
Werbung

Hans Maiers Essays zur Musik ermöglichen packende Einsichten.

Hans Maier ist ein Phänomen. Er hatte einen gelehrten Beruf: Professor für politische Wissenschaft sowie für Christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie. Von 1970 bis 1986 war er Staatsminister für Unterricht und Kultus in Bayern. Nebenamtlich wirkt er bis heute als Organist "mit Freude und Gewinn". Seine frühe Leidenschaft für die Musik ließ ihn auch zum Musik-Forscher werden, wovon das neue Buch "Cäcilia" erstaunliches Zeugnis ablegt. Diese Essays zur Musik, in angenehm überschaubare Kapitel gegliedert, beginnen mit jener römischen Heiligen, die durch einen veritablen Übersetzungs-Irrtum zur Schutzheiligen der Musik wurde. Sie sang bei ihrem Martyrium allein in ihrem Herzen; ein frommer Mönch machte daraus: "Die Orgel spielend, lobte sie Gott."

Über Musik zu schreiben, ist bekanntlich schwierig. Und ein allgemeines Lesepublikum mit Gedanken über Musik bei der Stange zu halten, schaffen nur wenige. Hans Maiers Fähigkeit zur Zusammenschau von Literatur, Musik und bildender Kunst, vor allem aber seine Leidenschaft als ausübender Musiker ermöglichen ihm packende Einsichten. So berichtet er von Goethes Begeisterung, als dieser Raffaels Gemälde "Cäcilia" sah: "Ich habe mir die Gestalt wohl gemerkt und werde ihr im Geist meine Iphigenie vorlesen und meine Heldin nichts sagen lassen, was diese Heilige nicht aussprechen möchte." Für J. G. Herder wurde die Beschäftigung mit Cäcilie zur Inspiration für eine Erneuerung der Kirchenmusik in seiner Zeit. Die deutschen Romantiker rückten Cäcilie aus dem Kontext von Kirche und Kirchenmusik heraus, machten sie zur Repräsentantin magischer, zauberischer Kräfte, eine Art geistlicher Loreley, bis sie in Kleists Erzählung "Die heilige Cäcilie oder Die Gewalt der Musik" (1810) zum Symbol für die verhexende Eigenmacht der Musik wird.

Seit dem frühen 18. Jahrhundert schreibt man in Deutschland poetisch - in Gedichten, Erzählungen, Predigten, Dramen, Essays - über Musik. Als "jüngster" Meister gilt Hans Maier Thomas Mann. Dazwischen liegt ein reicher Schatz, für den die Namen Ludwig Tieck und E. T. A. Hoffmann bis zu Arthur Schopenhauer, Richard Wagner oder Friedrich Nietzsche stehen.

Händel lieben wir alle, ob Deutsche, Engländer, Italiener. Hans Maier rettet den "caro Sassone", den lieben Sachsen, vor jeglicher nationaler Vereinnahmung. Nicht nur war der Junggeselle ein weit gereister Europäer; sein Opernwerk greift in den Sujets tief in die Weltgeschichte hinein, spielt in Jerusalem (Rinaldo), Thrakien und Armenien (Radamisto), Indien ... In seinen Kompositionen klingt Italienisches, Englisches, Französisches, Deutsches.

Wie anders verlief das Leben des Johann Sebastian Bach, dem "Fünften Evangelisten"! Das Bach-Verständnis des Organisten Maier ist berührend - er spielte ihn schon als junger Mensch zwischen Bombenangriffen auf Freiburg. Kritisch wird er, wenn er beim Nachdenken über Mozart fragt: "Welche Stellung nimmt sein Briefwerk in der Geschichte des deutschen Briefes ein? Darüber gibt es unter Germanisten keinen Konsens, kaum eine Meinung. Sie haben die Frage noch gar nicht aufgeworfen." Dabei sind Mozarts Briefe in der hohen Klangqualität ihres Sprachenmischmaschs (Deutsch, Italienisch, Französisch) beste Nonsenspoesie.

Korrekturen und Richtigstellungen liefert Hans Maier zum politisch verpönten Carl Orff; er war kein Nazi. Neues erfährt man über den russischen Brahms, Glasunow, und dessen Verbindung mit der deutschen Musik. Wieder zu entdecken wäre der heute auf der Opernbühne kaum noch zu findende Bayer Werner Egk. Doch unübertroffen ist der katholische Maier in seinen Gedanken zum evangelischen Kirchenlied, diesem getreuen Spiegel deutscher Geschichte.

Cäcilia - Essays zur Musik

Von Hans Maier

Insel Verlag, Frankfurt, 2005

214 Seiten, brosch., e 17,30

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung