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Musikfest des österreichischen Rundfunks

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Es war ein kleines, nur auf drei Konzerte beschränktes, aber sehr gehaltvolles und instruktives Festival, das die Musikabteilung von, Radio Wien zur “Erinnerung an die vor fünf Jährep 'beįjrtfttdefe; Sendereihe Y,M ul i d V n o v a“ ' veransfaltefė’. SH zwei der Veranstaltungen war der große Sendesaal bis auf den letzten Platz besetzt. Gäste von auswärts gab es nicht nur auf dem Podium, sondern auch im Publikum: ein Zeichen dafür, welches Interesse diese von Dr. Karl Halusa geleitete Reihe findet. Insgesamt wurden zehn neue Werke aufgeführt, davon mehrere zum erstenmal. Fünf stammten von österreichischen Komponisten, fünf von Ausländern. Beginnen wir mit den Gästen.

Zum Gedächtnis seiner Mutter schrieb Mario Peragallo „Choral und Arie“ für gemischten Chor und Orchester. Text des ersteren ist das „De profundis“; der des Chorals ist einem Kondolenzbrief des Freundes Dallapiccola entnommen. Trotz der angewendeten Zwölftontechnik wirkt dieses „ln Memoriam“ einfach, spricht das Gefühl unmittelbar an und ergreift durch seine echte lyrische Aussage.

Des Engländers Jain H a m i 11% n Konzert für. Violine und Orchester, dessen ungewöhnlich schwierigen Solopart Walter Schnciderhan spielte, läßt die Ordnung und Einfachheit des vorausgehenden Werkes leider vermissen. Die äußere Form ist traditionell, die Tonsprache hart und dissonant, ohne daß man freilich immer die Notwendigkeit einsieht. Mit Ausnahme des letzten Satzes, der prägnanter und konzertanter geformt ist, wird es dem Solisten recht schwer gemacht, sich gegen den dicken und wirren Orchestersatz zu behaupten.

Noch schwerer hat es der Hörer, sich bei der ersten Begegnung in dem dichten Stimmgewebe von Wolfgang F or t n e r s „Schöpfung“ zu orientieren. Eine rezitierende Männerstimme (Kurt Equiluz), von einem großen Orchester begleitet, in dem Harfe und Cembalo eine wichtige Rolle spielen, erzählt; die. Schöpfungsgeschichte in einfachen Worten, wie man sie etwa aus Negermärchen kennt. Dazu steht die hochkomplizierte Zwölftonmusik in einem merkwürdigen Gegensatz, auch dort, wo sie durch Verwendung von Isorhythmen einen Bogen über sechs Jahrhunderte zu schlagen versucht.

„Intrada“, „Etude-Danse“ und „Romance“ heißen die drei kurzen, prägnanten Sätze der „Serenade" des in Paris lebenden Polen Michael S p i s a k, der seinen Meister Strawinsky genau studiert hat und fast bis zum Mimikry nachzuahmen versteht. Aber es ist eine gute Schule, zu der sich der Komponist bekennt. Außerdem kann er glänzend . instrumentieren und geistvoll unterhalten.

Darius M i 1 h a u d schrieb seine III. Symphonie im Auftrag des Pariser Rundfunks 1946 als Friedensfeier. Die einzelnen Sätze tragen die Bezeichnungen:

stolz, andächtig, Pastorale und Ambrosianischer Lobgesang. Nach dem fröhlichen polytonalen Lärm des ersten Satzes psalmodiert ein Chor ohne Worte, virtuos in die. Orchesterstimmen verwoben oder vön ihneh äbgShöb'en. EindrüöksVöll und überzeugend das die Symphonie beschließende Tedeum, dessen Gestaltung die Hand eines Meisters zeigt.

Gottfried von E i n e m s „Wandlungen" bilden den ersten Satz eines von mehreren Komponisten im Auftrag des Südwestfunks geschriebenen „Divertimento für Mozart" auf eine Melodie aus der „Zauberflöte": eine mit mozartscher Leichtigkeit gesetzte Musik, elegant, spielerisch und jede Härte meidend.

Die Phantasie für Klarinette, Klavier und Orchester von Hanns Jelinek spricht eine andere Sprache. Sie ist dem Andenken Schönbergs gewidmet und verwendet eine Zwölftonreihe, die auf die Noten b-a-c-h endet. Die hochkomplizierte, erregte Musik mündet in ein ergreifendes Ostinato von elegischem Charakter, das man noch lange im Ohr behält.

Paul Angerers dreisätzige „Musica fera“ ist von wohlgezügelter Wildheit und leider auch von geringer persönlicher Eigenart. Als positiver Eindruck bleiben: die gediegene satztechnische Arbeit, eine gut durchgeführte Steigerung und eine breit ausgesponnene orientalisierende Stelle. Der letzte Satz ist, innerhalb der gesamten Proportion und im Hinblick auf sein Material, viel zu lang geraten.

Die Orchestervariationen über drei Volkslieder von H. E. Apostel zeigen die charakteristische kammermusikalisch-filigrane Handschrift des Komponisten. Dem leichteren Stoff entspricht auch eine einfachere, geradezu gefällige Harmonik. Satztechnische Künste, wie etwa die Führung des zweiten Liedthemas durch den ganzen Quintenzirkel — bleiben vom Hörer unbemerkt.

Arnold Schönbergs Drama mit Musik „D i e glückliche Hand“ wurde 1910 in freier Atonalität geschrieben und ist ein Werk von unvorstellbarer Kühnheit und Brisanz. Der von Schönberg stammende genial-dilettantische Text ist überaus charakteristisch für die Thematik und die überhitzte Diktion des Frühexpressionismus. Zentralfigur ist „Der Mann", angeredet und kommentiert von einem aus sechs Frauen und sechs Männern bestehenden Chor; seine Gegenspieler sind: die Frau, der Herr und ein böses Fabelwesen. Der Strindberg-Situation und Stimmung entspricht eine nervöse, zuweilen vehement losbrechende, vielschichtig schillernde Musik. Der Chor spricht, flüstert, rezitiert — und singt auch zuweilen. Von den Hauptakteuren hat nur der Mann (Eberhard Wächter) eine Stimme, die sich meist in großen Sprüngen bewegt. Das 250 Takte umfassende Werk dauert eine knappe halbe Stunde und wird wegen seiner Schwierigkeit von den Bühnen gemieden (in Wien wurde es 1924 zuletzt aufgeführt).

Die Leitung der Konzerte war drei jungen Dirigenten anvertraut: Kurt Richter, Miltiades C a r i d i s und Michael Gielen, unter deren sicherer Leitung die Wiener Symphoniker, das Rundfunkorchester und der Rundfunkchor die zum Teil sehr schwierigen Partituren bestens interpretierten.

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