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Muß Theater so sein?

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Walter L i e b 1 e i n ist ein Mann, der es sich zeitlebens bestimmt niemals leicht gemacht hat. Der Impuls, aus dem dieser Altösterreicher seine „Energie der Geduld“ gewonnen hat, ist aber weniger der des Künstlers als der des Pädagogen. Und es jsem pädagogisches euy volksbildne-risch'es Ejerrient, mit dem er jm Programmheft des V o l'k s't he'a t er s jedem denkbaren ästhetischen Einwand gegen seine Dramatisierung des „I d i o t“ (nach Dosto-jewskij) von vornherein zu begegnen sucht. Aber der Einwand, der sehr gewichtige Einwand bleibt: Gerade weil seine Dramatisierung um vieles gewichtiger, geistig-prätentiöser ist als die bloße filmische Handlungsangabe Radleckers, die wir vor Jahr und Tag in der „Tribüne“ sahen, ist sie noch bedenklicher. Man kann einen Roman Dostojewskijs, der ja nicht zuletzt auch ein Könner der Kolportagegeschichte war und sich dessen ebensowenig schämte wie Chesterton seiner Detektivromane, bestenfalls noch im Stenogramm nacherzählen, man kann ihn aber nicht in ein fünfaktiges Schicksalsdrama ungießen. Hier geht es nicht nur um eine Transponierung, hier geht es um zwei vom Wesen her unvereinbare Medien der Darstellung, deren saubere Scheidung am Anfang alles Schaffens stehen muß. (Lessings „Laokoon“ hat das an anderem Beispiel ein für allemal prägnant festgelegt.) Dazu kam im Falle dieser Uraufführung ein weiterer, erschwerender Umstand. Auch Leon E p p, der mit der ihm eigenen Hingabe Regie führte, ist im Grunde seines Herzens ein Volksbildner. (Deswegen schätzen und lieben wir sein Theater auch so.) Und so verband sich vielerlei Gutes zum Bedenklichen. Der Roman ging verloren, und es entstand kein aus eigenem, brutalen Bühnengesetz geborenes Theaterstück. Rudolf Schneider-Manns Au gab dem dann auch noch ein ausgesprochen erzählendes Bühnenbild. Und doch war dieser Abend kein verlorener: wegen des jungen Hans Joachim Schmiedel, der den Myschkin zwar nicht vom Russischen, sondern vom Deutschen her entwickelte, ihn aber so gewissenhaft und intensiv aus sich selbst heraus schuf, wie wir dies schon lange bei keinem Schauspieler erlebten. Daß Heinrich Trim-bur mit seiner immer größer und nuancenreicher werdenden Erfahrung auch den Rogoschin ..hinzulegen“ verstand war ebensowenig überraschend wie der klug gesteigene Gawrila des Ernst Meister.

Daß man eine Theaterpranke haben kann, ohne deswegen ein bloßer Kulissenreißer zu sein, läßt sich an Marcel A c h a r d demonstrieren. Die Kammer-spiele wählten sein Erfolgsstück „D i e aufrichtige Lügnerin“ (in Lore Kornells mehr keß-schnoddriger als frivolhingleitender Übersetzung nicht ganz kongenial) als Hintergrund für Johanna von K o c z i a n. Wir wußten das und auch sie wußte das. Wer es noch nicht wußte, erfuhr es durch die gängige Pre-se, die mit voTankündigenden Details nicht sparte. Sic erfüllte selbstverständlich alle Erwartungen und war glänzend: charmant, von manchmal kindlichem, manchmal wirklich überlegen-herzensklugem Charme. Die Überraschung des Abends aber war, daß sich weder Stück noch Inszenierung als Staffage erwiesen. Dietrich H a u g k inszenierte das geschickt, aber locker gebaute Werkchen mit heiterer Präzision. Die Darsteller waren mit iaunemnd Freudtebe der töaeto Nennen wir von ihnen alleijf.den fftehvertei-diger Albert Rueprecht als Ersten. So spielt man Episoden ..

Wenig oder nichts ist über die „Acht Frauen“ eines fixen Herrn Robert. Thomas (auch aus Südfrankreich) zu berichten, die wir in der Kleinen Josefstadt im Konzerthauskeller sahen. Die läppische Mischung von Makabrem und Humorigem wurde durch Hermann Kutschers Regie völlig ungenießbar. Er nahm die Sache auch noch ernst.

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