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Nach tausend Jahren …

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Aktion Grün. Ein Buch vom Widerstand. Von Ludwig Altenhöfe r. Arena-Verlag, Würzburg. 216 Seiten. Preis 6.80 DM.

Das Lied vom Zittern der „morschen Knochen” und dem sieghaft vorwärtsstürmenden Schritt der Jugend war eines der emotional stärksten der NS- Zeit. Es war imstande, einen nur halbwegs außenstehenden Beobachter der Entwicklung in den so wirrnisreichen dreißiger Jahren zu einer falschen Analyse der Situation zu verführen. Der Nazismus stellte sich, mit allen seinen „Schönheitsfehlern”, als ein Aufbruch der Jugend, des „Germinalen” im deutschen Volk dar, dem früher oder später nach einem unausweichlichen Generationsgesetz der Geschichte, das „Alte”, worunter man liberale Demokratie wie kirchliches Christentum verstehen konnte, weichen würde. Inzwischen haben die Dokumente des Widerstandes dem, der zu sehen gewillt ist, ein anderes Bild vermittelt. Der Name der Geschwister Scholl steht hier für viele, die mit ihrem Opfertod den Beweis gaben, daß der Widerstand gegen den blutigen Verbrecherstaat Hitlers nicht nur eine Sache der „Alten”, nicht nur ein starres Nein der sogenannten „Reaktion” war, mehr noch, daß man nicht einfach auf die reife Generation von 1932 zurückgreifen muß, wenn man ein neues, besseres Deutschland mit Leben erfüllen will. Das Buch Altenhöfers von der Widerstandstätigkeit einer katholischen Jugendgruppe erfüllt hier eine besonders positive Aufgabe, vor allem, wenn es in die Hände junger, deutscher Leser kommt. In einer stilistisch und handlungstechnisch sehr gerafften, fast filmischen Weise macht es den nach Tatsachen verlangenden Menschen mit dem (durch Zeugen verbürgten) Einzriakt einer kleinen katholischen Gruppe vertraut. Am Ende steht der äußere Sieg der Gestapogewalt, aber zugleich wächst der schlichte, phrasenlose Triumph derer empor, die ungebrochen weiterleben und einem aufziehenden Morgen, nach der hinter dem Hakenkreuz untergehenden Sonne, vertrauen. Was uns an diesem sauberen Buch besonders angenehm berührte, war der Verzicht auf jede Süßlichkeit und Erbaulichkeit altmodischer „Jugendliteratur”, aber auch auf ein gewisses (ebenso modisches) Revoluzzertum der zu besonderer „Fortschrittlichkeit” im Katholizismus Erwählten, wie es leicht zur unfruchtbaren Pose werden kann.

Die weiße Rose. Von Inge Scholl. Fischer- Bücherei. 155 Seiten. Preis 1 90 DM.

An einem trüben Februartag des Jahres 1943 sahen zwei Augen, nein, zwei automatische Linsen der Diktatur, wie aus dem obersten Stock der Universität München antinazistische Flugblätter flatterten. Die alarmierte Gestapo brachte die „Täter”, Hans und Sophie Scholl, in ihr Gefängnis. Ihr Schicksal war besiegelt. Die „weiße Rose” war das Symbol dieses Widerstandes gewesen. Diese jungen Menschen taten nichts anderes, als das Gewissen ihrer Kommilitonen gegen eine erbarmungslose Tyrannis aufzurufen. Ein Versuch mit untauglichen Mitteln? Real betrachtet vielleicht: sie änderten nichts am Ablauf des Geschehens. Aber dieses schmale Bändchen enthüllt die Größe und Reife dieser Studenten, von denen selbst die Henker sagten, sie hätten ihresgleichen noch nicht erlebt. In knappen, beängstigend sachlichen Sätzen zeigt die Schwester der Ermordeten den Verlauf dieser studentischen Widerstandsbewegung. Diese sechs fielen, gehorsam ihrem Gewissen. Es waren, wie auch 17 Monate später, die Edelsten und Besten, die sich in der deutschen Nacht bewußt dem Schicksal entgegenstellten, bereit, ihm zu unterliegen, aber nicht sich freiwillig ihm zu beugen.

Der Geist der Freiheit. (Der 20. Juli 1944.) Von Eberhard Zeller. Verlag Hermann Rinn, München. 454 Seiten. Preis 15.80 DM.

Die Darstellung über den 20. Juli ist nunmehr in zweiter, vermehrter Auflage erschienen. Neue, aufschlußreiche Hervorbringungen fanden Aufnahme und brachten weitere stoffliche Dichte. Zu den Einzelschilderungen der Beteiligten, alles kleine Kabinettstücke biographischen Könnens, in deren Mitte die Gestalt des Grafen Stauffenberg steht, kamen noch einige hinzu: die General Becks vor allem, jene Julius Lebers und die Harnacks und Trotts. Der „Kreisauer Kreis” wurde bereichert und profilierter durch die Schilderung Steltzers, die Vorgänge in Paris gewinnen an Dramatik durch die Schilderung Wilhelm R. v. Schramms, Wheeler- Bennetts Forschungen boten für den Schicksalstag neue Details, Hammers Feststellungen umfassen die Zahl der Opfer.

In bisher unerreichter Weise, nur vom Suchen nach Wahrheit getragen, ist hier die Tragödie in „Deutschlands tiefer Erniedrigung” ins gestaltete Wort gehoben worden. Das Buch stellt wirklich einen Idealfall dar. Ein deutscher Landarzt erfüllt die Ansprüche, die man an den Fachhistoriker stellt: eine des Gegenstands würdige Sprache, gründliche Und sorgfältige Quellenbenützung, souveränes Urteil und klare Rechtsanschauung. Bleibe doch dieser Aufruf zum Gedenken an jene tapferen, selbstlosen Männer stets wach, die in der Einsamkeit, nur ihrem Gewissen folgend, eine Entscheidung suchten. Gerade jetzt, da Soldaten wieder zu den Fahnen schwören und ihr Gelöbnis sprechen.

Die Warenhäuser im Dritten Reich. Von Heinrich U h 1 i g. Westdeutscher Verlag, Köln-Opladen. 230 Seiten Preis 9.75 DM.

Die vorliegende Monographie, welche sich mit dem Kampf der NS-Regierung gegen die deutschen Warenhäuser beschäftigt — also mit einem abseitigen Thema —, ist mehr eine politische Streitschrift als eine wirtschaftspolitische Darstellung, gleichzeitig aber eine Fundgrube zur Frage des Verhältnisses von NS-Ideologie und Handel. Der Verfasser steht eindeutig auf Seite der Warenhäuser (nicht allein in der Situation ihrer Auseinandersetzung mit der Staatsmacht im Dritten Reich) und nimmt insbesondere zum Beginn seiner Darstellungen in einer Weise gjgen den Einzelhandel Stellung, daß man im Buch kaum mehr als die Apologie eines neuen, des quasi privatwirtschaftlichen Kollektivismus sehen kann. Gleichzeitig wird an Hand eines ausgezeichnet geordneten Materials und in einer flüssigen Sprache darauf hingewiesen, daß jedes Ressentiment und jede Ideologie in der Führung der Wirtschaft schließlich durch den Effekt ad absurdum geführt wird. Die von der NS-Wirtschaftsführung angestrebte Liquidation der Warenhäuser konnte deswegen keiner „Endlösung” zugeführt werden, weil man die Bedingungen ihres Bestehens nicht zu ändern gewillt war, die deutschen Käufergewohnheiten etwa oder die Anhäufung der Nachfrage in bestimmten Verkaufsstandorten.

Dagegen kann man den von der NS-Wirtschaftsführung propagierten Gedanken einer Uebergabe der Warenhäuser in die Hände von in einer Kooperation verbundenen Einzelhändlern als einen Vorschlag ansehen, der einfach nicht deswegen abgelehnt werden darf, weil er von den Nationalsozialisten gekommen war. Man denke an die Erfahrungen im Wiener ,,’Ringbasar”, der schließlich auch den Charakter eines Warenhauses hat, wenn auch eine Reihe von Mängeln offensichtlich ist.

Das Buch hat seinen Wert nicht so sehr in der ganz einseitigen Interpretation der Auseinandersetzung zwischen den Warenhäusern und den Dienststellen des Dritten Reiches, sondern dadurch, daß es eine kundige und materialreiche Schilderung der Wirtschaftsgeschichte des Dritten Reiches in der Zeit von 1933 bis 1939 bietet. Daneben sind sicherlich die Probleme der Großbetriebe des Einzelhandels heute, da wir vor einer Kampagne der Warenhäuser auch in Oesterreich stehen, von Belang.

Wahn und Untergang. 1939 bis 1945. Von Otto- Heinrich Kühner. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 312 Seiten, 1 Karte. Preis 12.80 DM.

Der Autor versucht in einer übersichtlichen Darstellung, eine Geschichte der zweiten Weltkrieges vor allem der deutschen Oeffentlichkeit nahezubringen. Das Bestreben, das tatsächliche Geschehen mit Hilfe der bereits vorhandenen Aktenpublikationen und Erinnerungswerke einzufangen, kann als gelungen bezeichnet werden Unverkennbar ist bei den einzelnen Kapiteln die Tendenz, der jungen Generation, die den Krieg nicht mehr erlebt hat, die Wirklichkeit zu zeigen und den da und dort auftretenden neuen Dolchstoßlegenden an Hand der Fakten entgegenzutreten Erschütternd sind die Kapitel über den See- und Luftkrieg sowie die Bilanz der Menschen- und Materialverluste. An Hand des Zahlenmaterials und der oft sehr verstreuten Angaben über die deutsche und alliierte Rüstung wird die Unterlegenheit des scheinbar so imponierenden Wehrpotentials der Achsenmächte gegenüber der Produktionskraft der Alliierten erläutert. Die um die Zeitgeschichte so verdiente Deutsche Verlagsanstalt hat damit ein wirklich populärwissenschaftliches Werk über den zweiten Weltkrieg herausgegeben.

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