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Nehrus schwarze Schüler ‘

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Ghana, der neueste unabhängige afrikanische Staat an den Gestaden des Golfs von Guinea, ist mit seinen gigantischen Kakaoplantagen, seinen Bauxit-, Manganerz- und Goldvorkommen nach der Südafrikanischen Union das reichste Land des schwarzen Kontinents. Die für afrikanische Begriffe enorme Wohlhabenheit ist wohl das erste, was einem auffällt, wenn man von einem der französischen Nachbargebiete in die ehemalige Goldküste einreist. Ghanas Ueber- landwege, von Straßen kann ja kaum die Rede sein, können heute den rapid ansteigenden Verkehr von allerlei Fahrzeugen, von der modernsten amerikanischen Luxuslimousine bis zum Ochsenkarren, nicht mehr bewältigen. Im dichtbesiedelten städtischen Süden des Landes, in dem Doktor Kwame N k r u m a h, Gründer von Ghana und gegenwärtig Ministerpräsident, geradezu als Nationalheiliger verehrt wird, ist der zivilisatorische Einfluß des Westens besonders stark zu bemerken. In der Hauptstadt Accra sind die Auslagen voll mit modernsten technischen Gebrauchsartikeln unserer Zeit, ja sogar Waschmaschinen und elektrische Bügeleisen fehlen da nicht. Helle neue Gebäude von Schulen und Spitälern machen den Eindruck eines aufstrebenden Landes; zahlreiche Familien verfügen über Radios und erfreuen sich eines Lebensstandards, der etwa auf der Höhe einer Landbevölkerung in Südeuropa liegt — eine bisher für das schwarze Afrika geradezu unerreichbar scheinende Höhe. Allerdings sieht es im dünner besiedelten Norden des Landes schon etwas anders aus. Und hier ist auch die Opposition gegen Nkrumah ungeheuer stark; man will dort wenig wissen vom „degenerierten Süden”, mit dem man viel weniger Verbindung hat, als mit den Stämmen in den angrenzenden französischen Gebieten.

Und die Zukunft dieses Negerstaates? Seine Bedeutung für Afrika? Es besteht wohl kein Zweifel, welche Rolle der neue „Nehru-Neger Afrikas spielen will, das brachte er auch ganz klar bei einer Pressekonferenz, der ich beiwohnte, zum Ausdruck. „Ghana”, so sagte er, „ist die Hoffnung aller Schwarzen auf der ganzen Erde, das Zentrum der Befreiung aller Einheimischen. Afrika upd ein Refugium für; ąlĮe v die , von- den kolonialistischen Mächten unter drückt werden. Hier in unserem Land wird jeder Verfolgte mit offenen Armen aufgenommen werden.” Es ist bezeichnend, daß dieser „starke Mann an der Goldküste sich in erster Linie für das Problem der Kolonialherrschaft interessiert. Hier konnte er auch trotz westlicher Kleidung und englischem „College-Schliff seine Ressentiments gegen die Europäer nicht verdecken. Er, der selbst vor Jahren einige Monate wegen Unabhängigkeitsbestrebungen im Gefängnis saß, hat etwas vom Helden einer Märtyrerromanze an sich, die einen, wenn man mit ihm zusammentrifft, mit einem eigenartigen Gefühl der Unwirklichkeit erfüllt. Das Zeitalter des Imperialismus ist im wesentlichen vorbei, und es mutet komisch an, wenn gegen den kapitalistischen Imperialismus noch mit aller Vehemenz Sturm gelaufen wird: von einem Mann, der der Vertreter eines Landes ist, dessen wirtschaftliche Existenz davon abhängig ist, daß in den „kapitalistischen Ländern” möglichst viel Schokolade gegessen und Kakao getrunken wird. Nur allzu verständlich, daß Kwame Nkrumah dem amerikanischen Vizepräsidenten Nixon seinen innigsten Dank aussprach, als dieser in einer Botschaft alle Amerikaner aufforderte, zur Unterstützung des neuen Negerstaates Ghana jeden Tag eine Schale Kakao zu trinken. Keine schlechte Idee! 160 Millionen Amerikaner — je 30 Schalen Kakao im Monat —, das macht rund 300 Millionen Liter Kakao — es bleibt nur die Frage, ob die Amerikaner wirklich so „mitfühlend” sind und ihre Vorliebe für den Kaffee etwas zu zügeln bereit sind.

So sehr sich also Dr. Nkrumah für die Wirtschaft seines Landes interessieren sollte, so kann er es doch nicht lassen, über seine Landesgrenzen hinaus in andere Gebiete hinüberzuschielen.

So enthüllte er uns — wir trauten unseren staunenden Ohren nicht — ein Millionenprojekt: Nämlich in Ghana die größte Radiostation Afrikas aufzubauen, die ihre Sendungen in acht weitverbreiteten afrikanischen Sprachen in alle Richtungen ausstrahlen wird. Zweck und Ziel dieser Sendungen zu erörtern ist wohl überflüssig. Jedenfalls hat dieser Plan eine verdächtige Aehnlichkeit mit der Tätigkeit des Senders Kairo und seiner Wirkung im gesamten Nahen Osten. Der einzige Trost bei diesem Projekt des Ministerpräsidenten von der Goldküste ist die Tatsache, daß in weiten Gebieten Zentralafrikas ein Empfangsgerät, trotz allen Fortschritts nicht zum notwendigen Hausinventar gehört. Nach all einen Ambitionen, die sich bis nach BeHsch-Kongo und sogar nach Südafrika ausdehnen, würde Dr. Nkrumah aber gut daran tun, sich um die Ordnung im eigenen Land zu kümmern. Einige Völker im mittleren und nördlichen Teil des neuen Staates wehrten sich verzweifelt gegen einen Zusammenschluß und gegen eine Dominie- rung des verproletarisierten städtischen Südens. Das Volk der Ashante und einige nomadisierende arabische Mischvölker im äußersten Norden stellen zahlenmäßig in Ghana eine Minderheit dar, und ihr Widerstand wurde, zumindest vorderhand, gebrochen durch die Verankerung einer Art föderalistischen Idee in die Verfassung Ghanas. Allerdings scheinen die Gemüter nur oberflächlich beruhigt. Denn ich habe Dutzende und aber Dutzende in diesen nördlichen Provinzen getroffen, die nur auf eine Gelegenheit warten, sich gegen die Herrschaft des Südens aufzulehnen. Viel wird davon abhängen, wie gut es Nkrumah versteht, den einzelnen Gebieten weitgehende lokale Freiheiten zu lassen. Bedenklich scheinen dagegen seine Ansichten im gegenwärtigen Augenblick zu sein, wenn er zum Beispiel auf eine Anfrage, was er von einer wirklichen Föderation halte (Französisch-Togoland eingeschlossen), kurz heraus sagte: „Föderation kommt nicht in Frage. Wir können uns doch nicht in kleine Teile aufspalten und zur selben Zeit für die .Vereinigten Staaten von Afrika’ arbeiten.”

Wie wird das Experiment Ghana ausfallen? Wird der Kommunismus hier reichen Eoden vorfinden und Ghana zu einem seiner Vorposten ausbauen? „Ghana will neutral zwischen Ost und West stehen”, betonte der schwarze Ministerpräsident-Doktor, dem man immer wieder ansieht, wie sehr er sich Nehrus Politik zum Vorbild gemacht hat. Die Sowjets haben ihre eigene Interpretation von Neutralität, und von welcher Bedeutung ihnen diese Gebiete sind, beweist die Ueberflutung entlegenster Teile Ghanas mit bereits übersetzten (!) Werken kommunistischer Literatur. Die freie Welt muß wachsam sein. Eine weitere Aehnlichkeit mit Aegypten hat das Projekt eines gigantischen Wasserkraftwerkes am oberen Voltafluß, das man mit der Konzentration Nassers auf den Bau des Assuandammes vergleichen könnte. Dieses Vorhaben will die Wasser des Voltaflusses für Elektrizität und Aluminiumproduktion ausnützen, und ein künstlicher Stausee, der größte der Welt, soll vor allem der Bewässerung der Ebene von Accra dienen. Die Weltbank wurde um eine Anleihe gebeten, aber sollte diese verweigert werden, so wird das Projekt nach den Worten Nkrumahs nichtsdestoweniger durchgeführt werden. Denn, so behauptet er, Mittel und Wege würden gefunden werden. Man kann nur hoffen, daß die Weltbank zahlt, damit nicht dasselbe Erpresserspiel folgt, wie die Welt es im Zusammenhang mit dem Handel um den Assuan-Damm erlebt hat.

Schon sind in Accra die Pläne für eine Pan- afrikanische Konferenz ausgearbeitet worden, zu der die Oberhäupter aller unabhängigen afrikanischen Staaten eingeladen werden. Und unschwer läßt sich erkennen, wer hier den größten Einfluß haben wird. Nur drei Staaten, Liberien, Ghana und Aethiopien (von der „geächteten” Südafrikanischen Union zu schweigen), stehen den fünf mohammedanischen Ländern, Marokko, Tunesien, Libyen, Sudan und Aegypten, gegenüber!

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