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Neue Aida und Konzerte

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Die Attraktion — wenn auch nicht die unbedingte Sensation — der „Aida”-Vorstellung am vergangenen Sonntag in der Staatsoper war die vom Moskauer Bolschoi-Theater kommende Tamara Milaschkina in der Titelrolle, die, wie man hört, nicht der letzte Gast von dieser großen Opernbühne gewesen sein soll. Die neue Aida zeigt zunächst große Bühnensicherheit, sie hat ein wahrhaft königliches Auftreten und eine Stimme, die sich hören lassen kann. Das Timbre ist sowohl im Lyrischen wie im Dramatischen von bezauberndem Wohllaut, die Höhe ohne die typische slawische Schärfe, in der tieferen Lage sind der Stimme Grenzen gesetzt, auch was die Durchschlagskraft betrifft. Dimiter Usu- now hielt, obwohl er sich vor dem 2. Akt wegen Indisposition entschuldigen ließ, die anstrengende Partie des Radames gut durch. In den übrigen Partien: Regina Resnik (ln mancherlei Hinsicht überfordert), Tugo- mir Franc und Walter Kreppei. Berislav Klobucar schien unter Probenmangel zu leiden, ließ aber die Fäden nie aus der Hand.

Gleich drei Trümpfe legte Lorin Maazel, der junge Berliner Generalmusikdirektor, der kurzfristig für den erkrankten Maestro Giulini eingesprungen war, aufs Podium des 4. Konzertes im Internationalen Orchester- und Chorzyklus der Gesellschaft der Musikfreunde. Ausführende waren — welch seltener Fall! — die Wiener Philharmoniker, deren Qualitäten sich der Dirigent mit wahrhafter Virtuosität bediente. Schumanns Vierte, spannend und höchst abwechslungsreich musiziert, schien stellenweise ein wenig zu stark „angeheizt”. Großartig, ohne das man den geringsten Einwand machen könnte, erklang Debussys „La Mer”, seiner musikhistorischen Bedeutung nach und als Kunstwerk das wichtigste Stück des Konzerts. Dies Spiel der Wellen und des Lichts, der Wolken und der Wogen hatte nicht nur Farbe, sondern auch Kontur und Linie — eine großartige Leistung von Dirigent und Orchester. Beide zeigten ihre Virtuosität dann auch noch an Mussorgsky-Ravels „Bildern einer Ausstellung”, bei denen aufflel, mit welcher Beiläufigkeit Maazel den „Spaziergang” zwischen den Bildern musizieren ließ, während das „Große Tor von Kiew” von den Klangmassen fast aufgesprengt wurde.

Dietrich Fischer-Dieskau, als Liedersänger das große Erlebnis vollkommener Einheit von geistigem und technischen Können, sang, von Karl Engel nicht mitwirkend, sondern rnitgestaltend begleitet, die 15 von Ludwig Tiek verfaßten und von Johannes Brahms komponierten Romanzen aus dem Ritterroman „Die schöne Magelone”. Die ideale Absicht, einen vergessmen Liederzyklus dem Publikum zu gewinnen, ist damit leider nicht erfüllt worden. Das Ergebnis blieb auf die Ausführung beschränkt, das Werk selbst konnte nicht erwärmen. Die spielerischen und oft billigen Reimereien der Verse und die schwere, ernste Musik von Brahms bilden einen Widerspruch und lassen den Hörer unbefriedigt. Bezeichnend war eine Bemerkung aus dem Publikum: „Wie lustig ist das Requiem!” So mußte man sich mit der immerhin wertvollen Musik und dem vorbildlichen Vortrag zufrieden geben. Ob nicht neuere Zyklen, wie beispielsweise Frank Martins „Weise von Liebe und Tod” oder Emst Kreneks „Reisebuch aus den österreichischen Alpen”, für Ausführende und Zuhörer aktueller wären?

Wie lebendig und unmittelbar wirkten, von Luigi Ferdinando Tagliavini gespielt, die alten Orgelstücke von Frescobaldi, Michel Angelo Rossi, Francisco Correa de Araujo und das Concerto F-Dur von T. Albinoni — J. G. Walther! Tag- liavinis Spiel bedeutet völlige Versunkenheit und absolute Gestaltung zugleich. Unter seinen Händen leuchten die Farben heller oder dunkler als erwartet, aber immer echt und alleingültdg. Das erwies sich ebenso wie bei den Alten in J. S. Bachs „Pastorale” und den herrlichen Choralvorspielen von Brahms (dessen as-Moll-Fuge die Jugendarbeit nicht verleugnet). Mit einer eigenen Passacaglia über ein Thema von Hindemith beschloß Tagliavini sein Programm, das neben stupendem Können vor allem durch das geistige Profil tief beeindruckte. F. K.

Edgar Seipenbusch, zuletzt Kapellmeister am Stadttheater von St Pölten, der im Großen Konzerthaussaal die Wiener Symphoniker dirigierte, scheint — auf den ersten Blick — der geborene deutsche Musikdirektor zu sein. Und richtig liest man auch in einer Programrrmotiz: „geboren 1936 in Köln und gegenwärtig im Begriff, Österreich in Richtung Bundesrepublik zu verlassen.” Auf dem Programm des 6. Konzerts im Zyklus „Die slawische Symphonie” standen Tschaikowskys Sechste (die der Referent nicht hören konnte) und, im 2. Teil, das „Capriccio für Klavier und Orchester” aus dem Jahr 1929, das der konzertierende Pianist Strawinskys zunächst für den eigenen Gebrauch geschrieben hat. Zwar zählt es nicht zu den stärksten Werken des Meisters, weist aber eine ganze Reihe reizender, ironischer Episoden auf, in denen die Sprache und Technik sowohl des Barockkonzerts wie Webers „verfremdet” wird. Aber gerade diese Teile des Concertos, also gewissermaßen den Witz der Sache, scheinen der technisch perfekte Pianist Hans Graf und der Dirigent nicht recht erfaßt zu haben, auch fehlte es gelegentlich an Leichtigkeit und Präzision des Vortrages. Dagegen gelang Bartöks Konzertsuite aus dem Ballett „Der wunderbare Mandarin” bestens. Die während der letzten Monate des ersten Weltkriegs entstandene Partitur wirkt immer noch schockierend, brisant und originell. Nun beginnt sie dem Publikum, nach dem Applaus zu schließen, allmählich auch zu „gefallen” …

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