Neue Branche, neues Bundesland

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Hotelchef Gerard Egger stieg aus und ist glücklicher Neo-Landwirt.

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Hotelchef Gerard Egger stieg aus und ist glücklicher Neo-Landwirt.

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Ich war 24 Jahre alt und hatte die Salzburger Tourismusschule absolviert, als ich den Gastbetrieb in St. Johann im Pongau von meinen Großeltern geerbt habe. Meine Eltern waren nicht in der Gastro-Branche. Das Gebäude war alt, in den ersten zwei Jahren machte ich ein gutes Geschäft durch einen Pauschalreise-Vertrag mit einem dänischen Reisebüro. Wir haben Jugendreisen entwickelt - fünf Tage und drei Nächte. Das war damals noch ziemlich einzigartig in Österreich. Allerdings war die doppelte Belegung an den Abreise-beziehungsweise Anreisetagen eine Herausforderung.

Immer am Ball bleiben müssen

Nach dem zweiten Jahr habe ich mit meiner Frau am Nachbargrundstück ein neues Hotel errichtet. Dieses Hotel habe ich 2013 verkauft. Die Ferienhotellerie ist eine Branche, die nie stehenbleibt. Um am Markt zu bestehen, musst du immer dran sein: in den Investitionen, in der Idee, wie man eine Reise verkauft, was man dem Gast bietet. Immer gilt es einen Schritt vorzudenken und zu investieren. Damals, das war im 1997er-Jahr, haben wir eröffnet und alles von Null auf gestaltet. Ständig verbessert man Zimmer, renoviert den Speisesaal. Wir haben oft in der Zwischensaison hergerichtet und uns dann gesagt: "Super, das schaut echt gut aus!" Doch die Stammgäste haben nix bemerkt. Man kommt in Fahrwasser - auch durch die Mitbewerber - da ist der Druck extrem hoch.

Du denkst nicht mehr real, die Welt ist nicht mehr bodenständig. Schließlich dreht sich ja auch der eigene Urlaube nur ums G´schäft, weil man immer überlegt: Was gibt es Neues? Was soll man verbessern? Immer noch schöner und prachtvoller muss alles sein. Selbst hat man nie etwas davon.

Dann stand ein größeres Projekt an, drei bis vier Millionen schwer. Alles war schon bewilligt. An einem Abend kurz vor Baubeginn haben meine Frau und ich uns gefragt: Wohin führt das? Die Finanzierung läuft wieder viele Jahre. Unseren Sohn wollten wir die Verantwortung nicht aufladen. Er hat sich nicht für eine Übernahme oder die Branche interessiert.

Wir entschieden uns, das Hotel zu verkaufen und etwas ganz anderes zu machen, nämlich uns in der Landwirtschaft eine Nische zu suchen, sogar in einem anderen Bundesland. Und irgendwann kam der Bison daher. Jetzt haben wir seit drei Jahren auf unserem Kogelhof eine Bisonzucht.

Die Leute verstehen oft nicht, warum man Bauer wird, weil viele Landwirte jammern, aber wir machen halt etwas anderes. Durch unsereSpezialisierungmüssenwir uns dem Markt nicht beugen. Sämtliche Wurstwaren und Fleisch habe ich als Wirt schon selbst gemacht. Kollegen haben gesagt: "Du bist nicht ganz dicht! Am Großmarkt kostet das ja fast nix." So hat jeder seine eigene Philosophie.

Im Gastgewerbe wird es immer schwieriger. Neben Zeit und Geld braucht man gutes Personal, aber wer will schon arbeiten, wenn andere frei haben? Ich bereue den Schritt keine einzige Sekunde. Es zahlt sich aus, sich etwas zu trauen, bevor man Geld und Energie in eine Sache steckt, die einem nicht gefällt. Ob's funktioniert, hängt allein davon ab, wie überzeugt man ist, sonst brauchst du gar nicht anfangen. Für einen Neustart ist eine Vorlaufzeit und ein langer Atem nötig. Man muss sich beweisen, einen Kundenstock aufbauen. Zu einem Netzwerk kommt man in Niederösterreich erstaunlich schnell. Die Leute kommen mir weniger verschlossen vor. Ich glaube ja, dass der Tourismus den Charakter verderben kann. Die Piefke-Saga hat schon einen wahren Kern. Man muss aufpassen. Oder rechtzeitig die Notbremse ziehen und was anderes machen.

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