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Neue Gesichter erwünscht
Die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt in einem Artikel über das Schweizerische Fernsehen, es falle dort auf, daß immer wieder die gleichen Gesichter als politische Kommentatoren und auch sonst auftauchen. Und zwar entstammen sie fast alle dem gleichen Kreis: der Redaktion der Zeitung „Weltwoche". Dies, so vermutet die „NZZ“, weil die Maßgebenden im Schweizerischen Rundfunk die „Weltwoche“ als besonders „unabhängig“ ansehen — „was immer das in bezug auf ihre Verleger bedeuten möge“. Nun, bei uns ist es nicht ganz so arg; der österreichische Rundfunk rekrutiert seine Hauptleute nicht nur aus den Reihen der „Presse“, insbesondere, wenn er dort niemand Rechten mehr finden kann. Zudem sprechen sie alle, von wo immer sie gekommen sein mögen, schließlich wie durch wunderbare Fügung alle die gleiche Sprache. Just das ist es, was wir gerne etwas geändert haben möchten. Wir möchten den Kreis der politischen Kommentatoren erweitert und nicht nur neue Gesichter sehen, sondern auch andere Sprachen außer der des ORF gesprochen hören. Dabei fällt uns auf, daß wir so gut wie keine innerpolitischen Kommentatoren besitzen. Kreutzer und Weiß begnügen sich damit, die Übertragungen aus dem Parlament einzubegleiten, eine selbständige Meinung ist von ihnen nicht zu erlangen. Alfons Dal ma ist in seinen gelegentlichen Äußerungen zu umschrieben und doch woHl zu sehr durch seine Stellung als Chef der Nachrichtendienste beschränkt. Für die Außenpolitik haben wir Porti sch, dessen wackere Milch der frommen Denkungsart ein bißchen dünn geworden ist. Und den ständigen Bonner Korrespondenten, den wir nach meinem Geschmack zu oft sehen, zumindest im Vergleich zu irgendwelchen nicht vorhandenen Korrespondenten aus anderen Hauptstädten. (Der Hörfunk ist hierin viel besser bedient.) So wichtig Bonn sein mag, so wird dort doch nicht die Politik des Kontinents gemacht. Warum zum Beispiel nie etwas aus der EWG- Hauptstadt Brüssel? EFTA führt ein ziemlich ambulantes Dasein, doch selbst wenn irgendwo eine der nicht häufigen Konferenzen dieser Organisation stattfindet, der Österreich immerhin angehört, erscheint das österreichische Fernsehen nicht dabei. Aus der UNO-Hauptstadt New York erhalten wir gleichfalls nur Hörfunkberichte, nichts aber durch einen Fernsehkorrespondenten, und dies sogar zur Zeit der Generalversammlung, bei der eine österreichische Delegation in voller Stärke aufkreuzt.
Ein kommunistischer Funktionär erzählte mir: „Noch nie zuvor hat es so dramatische, aufwühlende Diskussionen in der KPÖ gegeben wie jetzt. Tiefe, unüberbrückbare Klüfte haben sich aufgetan zwi-
schen irgendwie noch immer demokratisch und lebendig empfindenden Menschen und den geistig völlig vereisten, zynischen Positionshältern.“ Warum ist im Fernsehen von alldem nichts zu bemerken? Das gleiche gilt für Konferenzen der anderen Parteien. Uns wird zwar — und zwar auf ewig gleiche langweilige Weise — gezeigt, daß sie stattfinden, hin und wieder hören wir die gleichen unverbindlichen einleitenden Worte der ohnehin schon zu oft gesehenen Hauptrepräsentanten, was aber von den anderen gesagt und gestritten wird, erfahren wir nicht. Nicht alles wird in Klausur abgehandelt, und selbst wenn das so oft der Fall ist, könnte sich doch die eine oder andere Organisation zuweilen schon aus Eigeninteresse dazu verstehen, die Öffentlichkeit daran teilnehmen zu lassen.
Das Fernsehen hat für Diskussionen die Einrichtung des „Moderators“ — zu deutsch des „Mäßigers“ — importiert. Wer moderiert jedoch unsere Unterhaltungssendungen, die dessen so gut wie insgesamt bedürften? Selbst der letzthin vielgelobten „Großen Glocke“ könnte das sehr guttun. Herrn Bronner wäre einige Selbstgefälligkeit abzukratzen und seinem Team eine Menge Exaltiertheit und Chargieren. Ich weiß nicht, wieviel sie für eine Sendung bezahlt bekommen. Ich würde ihnen das Doppelte bezahlen, wenn sie um die Hälfte weniger ruderten.
Das gleiche spielt sich auch in den ernsten Programmen ab. Von den „tragischen Szenen“ des Herrn Lieb lein habe ich leider nur eine einzige, „Neid“, sehen können. Die jedoch drehte mir den Magen durch dilettantischen Schwulst um. Als Produzent des Programmes hätte ich zuerst den Regisseur und dann die beiden Darstellerinnen mit der Empfehlung nach Hause geschickt, sich einmal wie Menschen benehmen zu lernen. Dem Autor jedoch hätte ich empfohlen, einen Text zu schreiben, der solch menschliches Verhalten erleichtert. Die dramatisierten Fassungen von Dostojewskis „Idiot“ und Stendhals „Rot und Schwarz" (den wenig inspirierenden Titel „Der Emporkömmling“ für letzteres verdanken wir vermutlich der Furcht, es könnte als ein Spiel um unsere Parteien mißverstanden werden) brachten natürlich erheblichen Flachgang dieser zwei großen Romane. Hoffen wir, daß manche Fernseher nun erst recht dazu angeregt wurden, die beiden Werke zu lesen.
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