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Neue Romane aus England

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MEINE FREUNDINNEN, DIE MISS BOYDS. Roman. Von Jane Dune an. Paul-Zsolnay-Vcrlag. Hamburg-Wien. 1961. 332 Seiten. Preis 99 S. - LIEBE AUF DEN LETZTEN BLICK. Roman. Voa Margery Sharp. Chatten-Verlag, Hamburg, 1961. 04 Seiten. Preis 14.80 DM. - DAS VERFALLENE HAUS. Roman. Von Winiton Graham. Scherz-Verlag. Bern-Stuttgart-Wien. 1961. 366 Seiten. Preit 14.(0 DM. — DIE SPANISCHE BRAUT.. Ronan. Von Georgette Hey er. PuI-Zolnav- Verlag, Hamburg-Wien, 1961. 414 Seiten. Preit 9 S.

Es gelingt nur selten, in späteren Aufzeichnungen den echten Zauber der Kindheit, dieses Schweben zwischen Traum und Wirklichkeit, einzufangen, schleicht sich doch in die verklärende Rückschau auf etwas unwiederbringlich Verlorenes gern eine Sentimentalität ein, welche die sehr komplexe Welt des Kindes zu einseitig von ihren lichten Seiten her betrachtet. An dieser Gefahr ist die Schottin Jane Duncan in ihrem schönen Buch „Meine Freundinnen, die Miß Boyds“ sicher vorbeigesteuert. In ihren Erinnerungen spiegelt sich die ursprüngliche Hellsicht des Kindes, sie verklärt nicht, aber sie steigert diese frühen Erfahrungen durch die einsichtige Deutung des Erwachsenen.

Wir werden in die herbe Atmosphäre des schottischen Hochlandes geführt, auf einen Hof, in dem die kleine Janet das Glück und die Sicherheit einer gewachsenen Ordnung erfahren darf. Die Menschen um sie, die Tiere, die Landschaft, alles ist klar und einfach, lies hat seinen unverwechselbaren und richtigen Ort. Bis die Schwestern Boyd in lanets behütetem lieben auftauchen, die in diese schlichte bäuerliche Welt so gar nicht hineinpassen, bei den Erwachsenen auf Ablehnung und Spott stoßen und auch die kleine Janet vorübergehend in Verwirrung bringen. Erst das tragische Schicksal einer der Schwestern Boyd verwandelt alles zum Guten, erregt das Mitgefühl und die tätige Anteilnahme an Janets Familie und führt das Kind, zwar nicht ohne Schmerzen, aber innerlich unverletzt, aus seiner Traumwelt in die schwere Wirklichkeit des Lebens.

Ein vielversprechendes Erstlingswerk, in dem das guter englischer Erzähltradition' verpflichtete literarische Können genauso besticht wie die warme Menschlichkeit der Verfasserin und ihre ungebrochene Bejahung des Lebens.

Margery Sharp gehört zu jenen englischen Humoristen, die eine ausgesprochene Freude am Skurrilen, ja am Grotesken haben und es liebevoll-ironisch zu schildern verstehen. Alle ihre Gestalten sind ein wenig sonderbar, spleenige Käuze, hinter deren seltsamen Einfällen jedoch viel Lebensweisheit ,steckt, und auch Lebensfreude, die man in unserer modernen Literatur ja leider mit der Lupe suchen muß.

In ihrem neuen Roman „Liebe auf den letzten Blick“ erzählt die Autorin die Geschichte der Hundephotogräphin Louisa, eine Mädchens, das „viel für Männer übrighat“ und auch von diesen geschätzt wird; Wenigstens von denen, die schwer mit dem Leben fertig werden und jemanden brauchen, der sie freundlich an die Hand nimmt. „Ständig wurde sie zum Schauplatz einer Männerkatastrophe, entweder herbeigeholt wie die Feuerwehr oder davongeschickt wie ein Rettungsboot...“ Bis es eines Tages der guten Louisa zu dumm wird, „immer für Männer auf dem Trab zu sein, als wäre sie eine Kinderfrau in der viktorianischen Zeit“. Louisa sagt sich, daß sie endlich einmal die Rollen vertauscht, daß sie umsorgt und beschützt werden sollte! Da sie glaubt, diesen Zustand im Hafen der Ehe 3u finden, beschließt sie, auf Bräutigamschau zu gehen. Was sie hierbei an Enttäuschungen erlebt, die Erfahrungen, die sie sammelt, werden so vergnüglich, aber auch so gescheit geschildert, daß man aus dem Lachen nicht herauskommt und dieses Buch sehr liebgewinnt.

Das Buch ist so beglückend, weil all die geschilderten bitteren Erfahrungen nicht in die Resignation führen. Der englische Titel „Something light“ charakterisiert sehr gut die Atmosphäre. Es ist ein Licht, das das Dunkel in sich schließt, aber mit ihm fertig wird, weil hier das Herz noch lebendig schlägt und zum Engagement bereit ist.

Winston Graham versteht es, in einer aufregenden, spannenden Handlung Zeitprobleme anzuschneiden und auf diese Weise auch Leser an sie heranzuführen, die sich nicht gern anstrengen. Seinem hier vorliegenden Roman „Das verfallene Haus“ stellt der Verfasser ein Wort von Meredith als Motto voran: „Nehmt euch der jungen Generation an und vermacht ihr kein verfallenes Haus.“

Eine egoistische, allein auf Wohlleben und Erfolg ausgerichtete Generation von Erwachsenen, eine auf Abwege geratene Jugend ohne tragende Fundamente, die für das Versagen ihrer Eltern zu bezahlen hat — diese Situation wird uns hier an einigen Schicksalen, die leider symptomatisch für unsere Zeit sind, geschildert. Aber Graham Winston ist beileibe kein hoffnungsloser Pessimist. Er bemüht sich um eine Diagnose unserer Zeit, die zwar schonungslose Mißstände ins Blickfeld rückt, aber doch auch zugleich nach Auswegen sucht, der Übel Herr zu werden. So lernt das Ehepaar Marlowe, das im Mittelpunkt der Handlung steht, gerade am Versagen in der Vergangenheit, es noch einmal, ohne Illusionen und Vorbehalte, miteinander zu versuchen.

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Georgette Heyer liebt es, den abenteuerlichen Schicksalen ihrer Personen einen historischen Hintergrund zu geben. In ihrem Roman „Die spanische Braut“ sind es Lord Wellingtons spanische Feldzüge, in denen Brigadeadjutant Harry Smith, den seine Kameraden nur als tollkühnen Soldaten kennen, sein Herz verliert und schnellstens seine Angebetete heiratet. Die zarte, aber eigenwillige Juana, „aus altem Hidalgoblut“, entwickelt ungeahnte Talente, derweil si ihren Mann während des Krieges begleitet Selber noch ein halbes Kind, „adoptiert sie gewissermaßen die ganze Brigade, be währt sich bestens im rauhen Soldaten leben und natürlich auch als treue Gattir Das alles rollt nach einem, vorwiegen auf Spannung und Unterhaltung bedach ten, nicht gerade originellen Schema ab Schwierigkeiten, die es in Fülle gibt, sin dazu da, sich glücklich zu lösen, grausam Kriege fordern natürlich viele Opfei Harry, der Held, ist jedoch „unverwund bar“ usw. Aber die Verfasserin schein mit solchen reichlich vereinfachende Schilderungen nicht schlecht zu fahrer Ihr Leserkreis, auch hierzulande, ist bc trächtlich. Das eine jedenfalls muß ma ihr danken: sie schreibt nicht, als schrieb sie unsterbliche Literatur; sie will untei halten, und beherrscht die Mittel, de Leser in Spannung zu versetzen. Wer sie damit begnügt, kommt bei George Heyer voll und ganz auf seine Rechnung

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