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Neue Stifter-Literatur

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In Jahrzelmten vordem wurde der Stifter-Literatur nicht soviel Pflege und Bereicherung zuteil wie in den beiden letzten Jahren, ein überaus erfreuliches Anzeichen für die nun end lieh ganz allgemein reifende Erkenntnis der hohen Bedeutung des großen österreichischen Erzählers.

Der Verlag „Alb recht Dürer“, 'Wien VIU, legt in einer schönen, klaren Ausgabe — zum ersten Male als Eirizelveröffentlidlung — die letzte Fassung der „M appe meines Urgroßvaters“ vor, Stifters 9,Unvollendete“, an der er noch auf dem Totenbette mit fieberhaftem, von der Ahnung des nahen Endes beflügeltem Eifer arbeitete, sein ..Lieblingskind“, das ihn seit der ersten Veröffentlichung volle siebenundzwanzig Jahre lang unablässig beschäftigte. So trat in den Plänen und Träumen des Dichters dieses Kleinod erzählerisdier Kunst, in der Wirkung auf den Leser zunächst wohl überglänzt von mancher der anderen ..Studien“, vornehmlich vom „Hochwald“, allgemach Weit über den novellistischen Rahmen hinaus und wudis endlich sdiier zur Höhe eines Bekenntnis-und Bildungsromans empor, der sich nicht un-ebenbürtig dem „Nachsommer“ und dem „Witiko“ zugesellte. Gibt doch die nunmehr breit unterbaute.Handlung dieser letzten, leider Ftagment gebliebenen ..Mappe“, deren beabsichtigter Ausklang sich bereits so klar abzeichnet, daß wir der Kenntnis der früheren Fassungen kaum noch bedürften, dem Dichter reiche Gelegenheiten, am Ende seines leidgeprüften Lebens, gewissermaßen als letztes Vermächtnis, nochmals die ganze Fülle jener Gedanken niederzulegen, die mit ihrem leidenschaftlichen Hinweis auf das Wahre. Schöne und Gute sein gemimtes Werk durchströmen und gerade unserer verworrenen Zeit mehr denn jeder anderen zu Mahnung und Trost gereichen. So fügen wir denn den Worten, mit denen er die letzten Blätter der Handschrift seiner geliebten „Mappe“ beiseite legte: „Hier wird man sdireiben: Hier ist der Diditer gestorben“, in Dankbarkeit bei: „Um unsterblich zu werden.“

Sehr zu rechter Zeit stellt sich auch der Ihns-brucker Verlag der Wagnerschen Universitäts-budidruckeret mit einer von Moriz Enzinger besorgten Auswahl von Brief eil Adalbert Stifters ein: „Ein Dichterleben aus dem alten Österreich“. Der stattliche Band, einbegleitet von einer knappen Lebensskizze und reizvoll geziert mit der Wiedergabe zeitgenössischer Bilder und Zeidmungen. trifft seine Auslese aus der erstaunlichen Fülle Stifterscher Briefe in der Tat so, daß sich dem Leser fast das ganze Leben des Dichters von den frühen Jünglingsjahren bis unmittelbar zu seinem Todestage aufrollt. Maßgebend aber wird die Auswahl der Briefe von dem Bemühen bestimmt, jene zu vereinigen, die Wesentlichstes für den geistigen Und künstlerischen Entwicklungsgang des Dichters aussagen, wobei — sehr zum Unterschiede von anderen Briefsammlungen — Allzuvertrauliches in den Hintergrund tritt oder völlig auskleidet. Stifters Briefe gehören nicht zur Sorte jener, die so häufig das Werk der Dichter bloß beiläufig begleiten und deren Herausgäbe sidi nur an den engeren Kreis ihrer besonderen Schätzer wendet. Sie sind in ihrer stilistischen Vollkommenheit und in ihrem tiefen gedank-lidien Reichtum ein Teil seines Gesamtwerkes, uhd Wahrlich nicht der nebensächlichste, Dokumente seiner edlen, idealistischen Gesinnung, viclfadi audi Zeugnisse seiner abgeklärten, audi heute nödi höchst beherzigenswerten Ansichten in Fragen der Kunst, des Erziehungswesens und de' Politik. Bsi all seiner Bescheidenheit war sidi Stifter ihrer Bedeutung sehr wohl bewußt, und er schrieb einrnal an seinen Verleger Heckenast, es täte ihm leid, wenn seine Briefe nach seinem Tode „zersplittert oder verschleudert oder gar ungeschickt veröffentlicht Würden“. — Herausgeber und Verlag verpflichten sich die große Stiftergemeinde mit diesem Auswahlband zu Dank

Himmel und Erde. Von Giovanni P a-p i n i. Deutsche Übertragung von J. Ziwutsdika. Verlag Amandus-Edition, Wien. 144 Seiten.

Eine literarische Merkwürdigkeit will es, daß Papinis „Ciclo e terra“, dieses gcistreidie und formschöne Opusculum des großen Meisters italienisdier Sprachkunst, erst nach dem Tode des Dichters eine Übertragung ins Deutsche erhalten hat. Diese aus verschiedenen Zeiten zusammengetragene Sammlung von Essays, eröffnet durch den Hymnus zur Heiligen Nacht und fortgesetzt mit jener hinreißenden Anrede an den Erlöser, fliit welcher der einstige Atheist

Christus utn die Liebe für die unwürdigen Menschen, auch für die Dichter anfleht, die ein wenig Trost und Süße in die wunden Herzen der Menschen gießen, umsdiließt unter anderem eine Reihe von literarischen Porträts geschichtlicher Persönlichkeiten, die von Deutung umstritten und in den Streit der Weltanschauung gestellt sind: Buddha und Tiberius, Galilei und Kolumbus, Tolstoi und Fogazzaro, um mit zwei ebenso feinen Federzeidinungcn Papst Pius XI. zu feiern. Eine genußreidie, anregende Lektüre, in der eine ausgezeichnete Ubersetzung. den (.hinz des italienischen Originals mi: feiner Einfühlung wiedergibt. f.

Österreichische Monatshefte. Blätter für Politik. III. Jahrgang, Heft 1. Herausgegeben von der österreichischen Volkspartei, österreichischer Verlag, Wien.

Das erste Heft des dritten Jahrganges trägt als besonderes Signum eine grundsätzliche und klare Stellungnahme zu den Problemen der Gegenwart. Weit über den normalen Kreis des Parteilebens hinausgreifend, werden verschiedene twiditige Fragen besprochen, so von Minister a. D. Pemter das Thema „Christentum und weltpolitische Lage“, während Chefredakteur Doktor A. M i s s o n g zu dem Buche „Kirche und Sozialismus“ von Dr. Zechmeister Stellung nimmt und Bundesminister Dr. F. Hurdes ein wichtiges Kapitel, „Landschulfrage und bäuerliche Sozialprobleme“, anschneidet. Von den sonstigen Themenstellungen sei vor ailem auf die Diskussion hingewiesen, in der R. P o u k a r unter dem Titel „Die richtige Untercheidüng“ auf die see lischen Härten des NS-Verbotsgesetzes von 1947 hinweist und feststellt, wie „an den harten gesetzgeberisdien Folgen das gesamte öffentliche und wirtschaftliche Leben Österreichs erkrankt ist“. Dr. L. Lentner

Kennst du Wien? Eine Stoffsammlung zur geschichtlichen Auswertung. Von Franz Drei-ler. Verlag Julius Lichtner, Wien.

Eine saubere und sachliche Geschichte der Wiener Straßen, Plätze und Baulichkeiten. Wir können diese Schriftenreihe jedem lehrenden und gebildeten Österreicher mit gutem Gewissen empfehlen. Berthold Dietrich

Die Zukunft der österreichlchen Volkswirtschaft. Fünf Vorträge. Von Univ.-Prof. Dr. H. Bayer. Schlüsselverlag Ges. m. b. H., Innsbruck. 100 Seiten.

Der bekannte Nationalökonom urtd Sozialpolitiker der Inrtsbrucker Universität hat CS in diesen fünf Vorträgen unternommen, die Gegenwartssituation der österreichischen Wirtschaft wie ihre Zukunftsaussichten an Hand von Materialien jüngsten Datums und unter Heranziehung der Erkenntnisse der modernen Nationalökonomie einer Betrachtung zu unterziehen. Das Buch ist in einem flüssigen Stil geschrieben, daher auch für den Nichtfachmann lesbar, und beschränkt sich nicht auf die Frage der Wirtschaftspolitik der österrelchisdien Gegenwart, sondern nimmt audi zu einer Reihe von interessanten wirtschaftstheoretisdien Fragen Stellung. So beschäftigt sich einer der Vorträge mit der Frage des Geldes und des Kredits, ein anderer hat das Verhältnis von Lohn. Preis und Währung zum Gegenstand, während die absdiließen-den Vorträge der Wirtschafts- und Sozialpolitik und der Sozialisierung gewidmet sind. Abschließend kann man das Werk geradezu «ls einen kleinen Abriß der Wirtschaftstheorie bezeichnen und es jedem, der sich über die Fragen des Tagespolitischen hinaus mit österreidiisrher und europäischer Wirtschaftspolitik befassen will, wärmstens empfehlen.

Dr. Anton Burghardt

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