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Neue Werke von Trapp, Haba und Berger

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Die Wiener Philharmoniker stellten an den Anfang ihres ersten, von Hans Knap- pertsbusch geleiteten Konzerts das „Konzert für Or ches ter Nr. 3" op. 50, von Max T r a p p, Jahrgang 1887 und Professor am Städtischen Konservatorium in Berlin. Das dreiteilige Werk bedient sich traditioneller Formen (1. Satz: freie Sonatenform, 2. Lentosatz mit lyrischem Thema und Trauermarsch, 3. Rondofinale). Das gediegene, die Linie Reger—Strauss kaum überschreitende, bläsergewaltige Stück erlebte vor kurzem in München seine Uraufführung unter dem gleichen Dirigenten und wurde auch vom philharmonischen Publikum freundlich aufgenommen. — Eine besonders schöne und ausgeglichene Wiedergabe von Bruckners Vierter bildete den zweiten Teil des Programms. — In der Vorschau auf die folgenden Konzerte werden mehrere interessante Novitäten angekündigt: Theodor Bergers „Symphonie chronique", Honeggers Kammerkonzert und die „Sinfonietta" von Janaček. Hoffen wir, daß keines dieser Werke unter das Star-Pult fällt!

Im Brahms-Saal gastierte das „Prager Nonet t", welches bei seinem Auftreten in Rom, London oder Warschau von Publikum und Presse gleichermaßen gefeiert wurde. In der Tat: ein vorzügliches, aus vier Streichern und fünf Bläsern bestehendes Ensemble, das als solches bereits 1923 gegründet wurde und zahlreiche zeitgenössische Komponisten zu Nonett-Werken inspiriert hat. Drei von den insgesamt 104 Kompositionen seines modernen Repertoires standen auf dem . Programm des Wiener Konzerts. Egon Kornauths drei- sätziges Opus 31 klingt ausgezeichnet, kommt im Allegro in die Nähe von Faurė und Debussy, im zweiten Teil in die von Richard Strauss und huldigt im letzten — eine Gefahr bei den raschen Sätzen in dieser verführerischen, zum Lustspielbrio prädestinierten Besetzung — einem gewissen Wolf-Fejrarismus. — Genau das gleiche geschieht im neuen Nonett von Alois Hä ba aus dem Jahre 1953. Erster und dritter Satz (Moderato und Andante) machen einen sehr guten Eindruck, zeigen zwar nicht mehr viel von Häba, dem Revolutionär (sind also weder vierteltönig noch athematisch), sondern klingen eher wie ein böhmischer Reger oder Hindemith. Die beiden raschen Teile sind harmlos-unverbindlich, siehe oben. In dieser Sphäre bleibt auch die „Kindersuite" von Jifi Ja roch (Jahrgang 1920), der in seinen drei Miniatursätzen Folkloristisches mit aparten Farben und pikanten Rhythmen zu drapieren versteht.

In einem öffentlichen Konzert im großen Sendesaal der Ravag wurde durch die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Harald Byrns die Symphonie in Fis-Dur von Erich Wolfgang K o r n g o 1 d uraufgeführt. Das großangelegte Werk zeigt den Komponisten, der seine Laufbahn vor mehr als vierzig Jahren in Wien als Wunderkind begann und dessen Oper „Die Tote Stadt" ein Zugstück im Repertoire des großen Hauses am Ring war, auf neuen Wegen. Freilich nicht auf so gefährlichen, wie sie manche Altersgenossen Korngolds eingeschlagen haben, etwa der um zwei Jahre ältere J. N. David oder der drei Jahre jüngere Ernst Krenek. Immerhin hat sich Korngold, besonders im ersten Satz mit seinen heftigen, harten Schlägen und der ostinaten rhythmischen Begleitfigur, einige Elemente der moderneren Tonsprache assimiliert. Hier und im Scherzo ist die Nähe Gustav Mahlers spürbar, während das Adagio im vorzüglich instrumentierten Bläsersatz Brucknersche Töne anschlägt. Das Finale beginnt mit einem grotesken Marsch und mündet in Reminiszenzen an die vorausgegangenen Teile. Nach nur zwei Proben leitete der amerikanische Dirigent Harald Byrns das recht komplizierte Werk mit bemerkenswerter Sicherheit, die denjenigen freilich nicht erstaunte, der weiß,

daß Byrns ein vorzüglicher Mahler-Dirigent ist und auch als Interpret von Alban Berg und Bartok Hervorragendes leistet. (Drei neue, von Hildegard Rössel-Majdan schön gesungene Korngold- Lieder fügten dem bekannten Bild des Komponisten keinen neuen Zug bei und wirkten, vor der Symphonie vorgetragen, eher verstimmend als einstimmend.) Das besprochene Werk ist am 28. November, 11 Uhr, im Zweiten Programm des Oester- reichischen Rundfunks zu hören.

„Hommage ä Schubert" nennt Theodor Berger sein im Auftrag des Senders RIAS, Berlin, geschriebenes Werk, das durch die Wiener Symphoniker unter Heinrich Hollreiser im 1. Konzert des Zyklus „Klassische und romantische Musik" erstaufgeführt wurde. Kein Wort gegen den kleinen Snobismus, daß der Oesterreicher aus Traismauer seinem großen Vorgänger aus Lichtental mit einem „hommage" huldigt. Was uns eher verstimmt, ist, daß es sich der hochtalentierte und originelle Komponist diesmal ein wenig zu leicht gemacht hat. Berger wählte drei Originalthemen von Schubert: das Trio aus dem G-dur-Quartett, „Heidenröslein" und die Maggiore aus der Ballettmusik zu „Rosamunde", ließ das erste unverändert, kleidete das zweite in einen farbigen Schleier mit blitzendem Triangelgeklingel, zerstückelte das letzte — wie Hindemith in der „Sinfonia serena" den Yorkschen Marsch — und versieht diese mit einem Vor- und zwei Zwischenspielen von gegensätzlichem Charakter. Das soll dann die Unrast unserer Zeit ausdrücken, über der sich die Schubert-Melodien in unvergänglicher Schönheit rein und harmonisch erheben. Kein Wort auch gegen die lapidare Einfachheit dieses Konzepts, wäre es nur ein wenig liebevoller ausgeführt worden …

Am gleichen Abend hörten wir den zweiten Teil des Konzertes von Claudio Arrau im Großen Musikvereinssaal. Der 50jährige Chilene, der schon als Wunderkind mit sechs Jahren seine Laufbahn begann und zwölfjährig die ersten internationalen Preise erhielt, ist heute einer der berühmtesten Pianisten und gilt manchen als der allergrößte. Aus der Interpretation der Werke von Debussy (Suite pour le piano) und Ravel (Jeux d’eau und Alborada del Gracioso), die er im zweiten Teil seines Programms spielte, gewann man etwa folgendes Bild: ein perfekter Virtuose und eine starke Persönlichkeit mit der Neigung zum festen Zupacken, ja zu einer gewissen Vergröberung. Daher wahrscheinlich eher ein idealer Liszt- als Debussy-Interpret. Sein Gefühl für das Lyrische, Geistige und Schwebende eines Musikstückes scheint geringer als die Begabung für plastisch-effektvolle Darbietung. Starker Applaus.

Bei der Beurteilung des jungen Salzburger Dirigenten Meinhard J. Winkler, der mit dem im Vorjahr gegründeten „Pro-Arte"-Orchester musiziert, fällt vorläufig der unbedingte Wille zur Ueberwindung von Schwierigkeiten mehr in die Waagschale als die absolute' Leistung. Besonders erfreulich und attraktiv sind diese Konzerte durch ihre Programme. Winkler weicht nicht nur vom Schema ab, sondern er wählt auch die richtigen Stücke. In seinem ersten Konzert brachte er neben Bachs 2. Brandenburgischem Konzert und Mozarts Konzert für Flöte und Harfe die an dieser Stelle wiederholt besprochene „Petite Symphonie concer- tante" des Schweizers Frank Martin und Schönbergs „Verklärte Nacht" in der Besetzung für Streichorchester. Und gerade dieses letzte Werk, das infolge seiner, klanglichen und dynamischen Differenziertheit sowie wegen seines rhapsodischen Charakters recht schwer zu interpretieren ist, gelang ihm besonders gut. Darin möge der junge Dirigent einen Ansporn zu weiteren Taten auf diesem Gebiet erblicken.

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