Neues vom Diskont-Detektiv

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Wer sozialkritische Krimis mag, wird mit Manfred Wieningers nunmehr fünftem Marek-Miert-Krimi gut bedient.

Auch im fünften Marek Miert-Krimi ist der Ex-Polizist immer noch ein einigermaßen heruntergekommener und technologisch unterversorgter "Diskont-Detektiv", wie er sich selbst annonciert. Ganz kann das Kokettieren mit dem Verlierer-Image natürlich nicht aufgehen, denn untrüglich ist der Instinkt seiner "Nasenhärchen" und im Zweifelsfall ist der Zufall immer auf seiner Seite, das ist gewissermaßen eine Grundbedingung jedes Serienhelden. Im Clinch liegt er nach wie vor mit dem Chef der Harlander Kriminalpolizei Gabloner - eine krimitechnische Adaption des klassischen Duells.

Einsam und verfettet

Miert spielt den idealtypischen einsamen (Klein)Stadtwolf: stets gewaltbereit, dabei einem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden verpflichtet und mit einem unerschöpflichen Vorrat an coolen Sprüchen, der selbst in den heikelsten Situationen nie versiegt. Was wäre ein Krimiheld, dem wie einem Normalsterblichen die guten Antworten immer erst im Nachhinein einfielen? Außerdem bekennt sich Miert hemmungslos und lustvoll zu seinem Übergewicht, nicht athletisch-sportiv ist seine Massigkeit, sondern eher verfettet. Das generiert als Running Gag den jederzeit wiederholbaren Akt üppiger und garantiert vitaminfreier Nahrungsaufnahme.

Frauen gibt's in solchen Settings nur am Rande, als schutzbedürftige, dabei oft verlogene Elfen, denen ein Koloss wie Miert immer hilflos auf den Leim geht, einfach weil sie "wie ein magenkrankes Eichhörnchen" seufzen können; oder als ausgebuffte Puffmutter, bei der Mann unkompliziert Kaffee oder was immer genießen kann. Den für hard boiled Schnüffler "normalen" Überkonsum an harten Drinks hat Miert seinem ostösterreichischen Biotop entsprechend zum regelmäßigen Missbrauch edler Weine heruntergedimmt, schließlich sind die Wachau und das Burgenland nicht weit entfernt von Harland, dem wenig verschlüsselten St. Pölten.

Wer also Variationen des bekannten Schemas und seiner Zutaten liebt, wird gut bedient. Darüber hinaus baut Wieninger in "Rostige Flügel" wieder jede Menge Themenfelder ein, wie sie der Tradition des sozialkritischen Krimis entsprechen. Etwa die NS-Vergangenheit mit dem Buchhändler und Hobbyhistoriker Frischauf, der die Geschichte des Zwangsarbeiterlagers erforscht. Da alle noch existierenden Traditionsfirmen einst davon profitierten, gibt es multiple Interessen, Akten wie Forschungsergebnisse verschwinden zu lassen. Obligat sind natürlich auch das Rotlichtmilieu, Grundstückspekulation, die Ost-Mafia - diesfalls ukrainisch - und das Drogenproblem.

Kleinstadt-Misere

Was Wieningers neuen Marek Miert vor allem lesenswert macht, ist die Innensicht der Kleinstadt-Misere, die nicht nur an ihren sozialen Rändern greifbar wird mit den jugendlichen Drogenabhängigen und sozialen Absteiger im Weichbild des Bahnhofsviertels. Die Folie von Wieningers Krimis bilden die aktuellen tektonischen Verschiebungen im sozialen Gefüge, die eher ein gesamteuropäisches Problem sind, denn die zunehmend explosive Gemengelage entsteht allerorten, wo sich der Staat von seiner sozialen Verantwortung, seiner moralischen Zuständigkeit und dem gesellschaftlichen Gestaltungswillen Schritt für Schritt Richtung Privatisierung verabschiedet.

Rostige Flügel

Ein Marek-Miert-Krimi von Manfred Wieninger. Haymon Verlag, Innsbruck 2008. 228 Seiten, geb., € 18,90

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