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Lebens-Geschichten erzählt Erich Hackl in seinem Sammelband "Anprobieren eines Vaters".

Wie erzählt man ein Leben? Das ist die Frage, um die Erich Hackls Prosa immer zu kreisen scheint. Im Band "Anprobieren eines Vaters" sind Geschichten versammelt, die publiziert wurden in den wenigen Zeitungen und Zeitschriften, die dafür noch Platz haben.

Biografien sind bei Hackl eine Versuchsanordnung für ein geglücktes oder verpatztes Leben, für Siege und Niederlagen, für Aufrichtigkeit und Niedertracht. Das Recht, selbst darüber zu bestimmen, wie das Leben verläuft, hatten alle der Beschriebenen nicht, aber die Pflicht des Widerstandes. Biografien als kleine Weltgeschichte.

Da erzählt einer Geschichten: Für einige mag dies altmodisch sein. Würde der rote Faden bloß sorgfältig aufgerollt oder aufgelesen, je nachdem von welcher Perspektive der Vorgang betrachtet wird, dann würde dies stimmen. Doch bei Hackl kann der rote Faden zum Beispiel auch aus einigen Sätze bestehen, wenn die Geschichte des Anarchisten von Leonding in fünfundzwanzig Sätzen erzählt wird. Das ist nicht viel, wäre da zwischen den Sätzen nicht das entsprechende Füllmaterial: Leben und Erklärungen zum Beispiel. Der rote Faden des Lebens, das kann auch eine Unterweisung in zehn Geboten sein, wenn er Franz Kain, dem unbequemen oberösterreichischen Dichter und Kommunisten ein Denkmal setzt. Die Gebote, die hier mit Leben gefüllt werden, sind ungewöhnlich. Du sollst ein robustes Gedächtnis haben. Du sollst die Freundschaft rühmen. Du sollst neugierig sein und: Du sollst der Zeit ihre Verzweiflung lassen.

Die Historie hat es Erich Hackl angetan, die seines Landes und jener, denen lange kein Platz eingeräumt wurde in der offiziellen Geschichte, weil sich keiner erinnern wollte, weil sie keiner zurück wollte, weil sie keiner mehr kannte. Dazu kommen noch die Unbequemen, die sich widersetzt haben, all die holt er auf die Bühne und natürlich die Kleinen und deren Alltag.

Dann wiederum fasst Hackl ein kleines ABC eines Unverstorbenen in 26 Paraphrasen zusammen, über ein Leben vor und nach dem Tod, was sich langsam auf die Chiffer von drei Buchstaben reduzieren lässt: Che. Eine ungewöhnliche Geschichte von Che Guevara. Mit der Internationalisierung der Geschichten über den zigarrenrauchenden Revolutionär, den Freiheitskämpfer aus El Salvador oder den Dichter Humberto Ak'abal aus Guatemala, Mauricio Rosencof, den politischen Verantwortlichen der Tupamaros in Uruguay, der elf Jahre in Einzelhaft mit einer Kapuze über dem Kopf überlebt, wird klar, dass der rote Faden nicht im übertragenen Sinn Rot ist. Während Dogmatismus und Parteigeist gänzlich fehlen, klingt das Lob der Freundschaft als Lebenselement durch, so wie in den Vorstädten Havannas, wo man den Freund "mein Land" oder "mein Blut" nennt.

Am Anfang der Geschichten stand und steht die Recherche, die Pointen liefert das Leben selbst man muss sie nur zu hören wissen. Erich Hackl versteht es.

Anprobieren eines Vaters

Geschichten und Erwägungen

Von Erich Hackl

Diogenes Verlag, Zürich 2004

304 Seiten, geb., e 18,90

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