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Nicht jedermanns Festival

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Zum aentzennten Male ging das Holland-Festival in Szene. Die Stimmung dieses Festes ist noch immer stark, wenn man sich ihr öffnet. Doch es gab, überblickt man es nun, mehr Fehlgriffe und Beiläufigkeiten, als seinem Ansehen guttat. Der Regisseur Virginio Puecher und der Bühnenbildner Luciano Damiani waren aus Italien geholt, um einen antisalzburgischen — das heißt antitraditionellen — „Don Giovanni“ zu realisieren. Merkwürdig genug schon, daß si<s mit dem Anspruch auftraten, erstmalig Mozarts eigentliche, nicht-metaphysische Konzeption zu verwirklichen; noch unvertretbarer, daß sie dann 48 Stunden vor dei Premiere die künstlerische Verantwortung niederlegten, weil „Probleme technisch-organisatorischei Art“ unlösbar gewesen seien. Die Aufführung fand, mit Erklärung und Gegenerklärung, dennoch statt, aber sie trug das unfestliche Zeichen des Halbfertigen, nicht Ausgeformten, von daher auch nur Halbextremen, und Halbes ist nun einmal ärgerlicher als Konvention. Carlo Maria Giulini am Pult verzichtete, darin in gutem Sinne einig mit dem Regiekonzept, auf die romantische Mozart-„Tiefe“ zugunsten eines ebenso affektgeladenen wie effektvollen Musizierens, doch Gewalttätigkeiten blieben auch bei ihm nicht aus.

Haydns „Le Pescatrici“ — „Die Fischerinnen“ —, ein Dramma giocoso wie „Don Giovanni“, erlebte die erste Wiederaufführung seit der Premiere auf Schloß Esterhäzy im September 1770. Dem Haydn-Forscher H. C. Robbins Landon ist die Edition der gewiß wertvollen Partitur zu danken. Bezwingende Bühnenkraft bewies das Werkchen nicht. Das Libretto — nach Goldoni

— gibt sich märchenhaft und modisch: ein Fürst sucht unter den Fischerinnen eines Dorfes nach der verschollenen Thronfolgerin, natürlich mit Erfolg. Die Zuhörer sind wesentlich früher im Bilde als der Herrscher: die am Ende Gefundene, ein Alt, darf gefühlvoll und elegisch sein, im Gegensatz zu den beiden munteren Sopranen und deren tenoralen Liebhabern. Wenn die Fischerinnen Hoheit mimen, sprüht musikalischer Witz. Ein Akt von dreien hat Farbe und Delikatesse: da wird die Seria parodiert, da besticht ein stimmungsvolles Nachtbild. Aber vieles bleibt Konvention; die Fürstengestalt dürfte ernsthafter gemeint sein, als sie hier, von der

Regie Werner Düggelins mit Rech ironisiert, erschien. Alberto Ered dirigierte mit Verve und Stil empfinden das Niederländisch Kammerorchester.

Für die — auch Edinburgh zuge dachten — Produktionen zeichnet die Holland-Festival-Opera: diese Bemühen um Eigenes, Unver wechselbares verdient Anerkennuni Es bewies sich auch an den Auf trägen, die an zwei niederländisch Komponisten ergingen, in der Hoff nung, das nicht eben reichhaltig einheimische Repertoire aufzufüllen Guillaume Landr.i schrieb für da Holland-Festival die einaktige Ope „Jean Levecq“, Ton de Leeuxo — eil neuer Name, den man sich merk&#171; muß — lieferte eine in drei Bilde aufgeteilte szenisch-musikalisch Aktion ab, die den herkömmliche] Operntypus negiert, „De droom“. Ii der Nachbarschaft von „Jeai Levecq“, realistisch-schicksals schwangerem Operntheater nad Maupassant, das von der Musik ge treulich und trotz angewandte Zwölftontechnik in gestriger Manie nachgezeichnet wird, gewann der ari gleichen Abend gegebene „Traum übergroße Attraktion. Zugrund liegt eine Geschichte, die auf ver schiedene Arten in China, Japan um Tibet erzählt wird: ein Studenl machtbegierig, erfährt — auf einen wunderbaren Kissen ruhend — in Traum sein zukünftiges Schicksai Der Mensch wird vom toten Symbo abgelöst, Untergang und Leere dro hen einer Welt, die auf äußerlichen Schein basiert. Am anderen Tag weiß der Träumer: Glück — das is der Weg, der zurückführt aus diesen Alptraum.

Die teils gesungene, teils ge tanzte Geschichte geriet szenisd eher verworren. Eine wesentlich Rolle spielen 14 englisch gesungeni Haiku-Gedichte, die Ton de Leeuv in den von ihm selber zubereitet&#171; Text hineingearbeitet hat; sie be stimmen weitgehend auch dei dramaturgischen und musikalische! Aufbau. Die Musik scheint angefüll mit fremdartigen Assoziationen Differenzierung ist ausgebildet z\ dem Eindruck von etwas Statischem ohne Eigenbewegung Fortschreiten dem. Das Orchester tupft feinsti Rhythmen und Farben. Einen Kon trast zu dieser introvertiertei Grundhaltung bildet die hoch dramatische Partie einer Prophetin Die Komposition hat den zwie spältigen Gestus postserielle: Moderne: der totalen Konstruktic wird der Zufall entgegengesetzt, ihre eigene Folge; wir hören Musik an den Grenzen der Ratio. Am Pult war Bruno Maderna den beiden so unterschiedlichen Werken ein ausgezeichneter Sachwalter.

Ballett gab es in Fülle — die „Paul Taylor Dance Company“, eine äußerst perfekte Gruppe von acht Tänzerinnen und Tänzern, ragte durch Eigenart heraus. Sie haben nichts Geringeres im Sinn, als dem expressiven Tanz eine Ästhetik zu geben, die ihn an das klassische Ballett heranrückt. Sie tanzen nicht auf Spitze, sondern barfuß, sie setzen kaum zu Sprüngen an, und dann nicht um ihrer selbst willen. Die Schule von Martha Graham ist als Basis unverkennbar. Aber Taylor und seine Tänzer verzichten auf die Konfession. Sie verbannen das Symbol aus dem modernen Tanz. Sie geben vor zu spielen und greifen doch nach den Sternen.

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