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Nicht nur Sommerhost

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Arthur Schnitzlers „Reigen”, Johann Nestroys „Das Mädl aus der Vorstadt”, Carlo Goldonis „Trilogie der Sommerfrische” , alles Gustostücker-ln des Theaters, von erstklassigen Schauspielern und Regisseuren in Szene gesetzt, in Reichenau, Badner Operettenseligkeit mit Dauerbrennern von der „Gräfin Mariza” bis zu „Wiener Blut”, der Musicalklassiker „Kiss me, Kate” in Amstetten und eine Vielfalt unterschiedlichster Produktionen verstreut über das ganze Land. Das „Theaterfest Niederösterreich” und alle anderen sommerlichen Spielstätten bescheren Theaterbesuchern die Qual der Wahl.

Das war nicht immer so. Vor 25 Jahren, als mit den „Nestroy-Spielen Schwechat” eine der ältesten Sommerbühnen begründet wurde, konnte man die Zahl der Sommertheater in Niederösterreich an einer Hand abzählen. Aus der ambitioniert-idealisti-schen Laientheatergruppe St Jakob entstanden, gesellten sich zum Paw-latschentheater im Hof des barocken Schlosses Rothmühle in Rannersdorf bereits 1975 die „Internationalen Nestroy-Gespräche”, und nun harrt bereits wieder eine neue Idee ihrer Verwirklichung: „Nestroy im Internet”.

Über Publikumsmangel brauchte sich die liebevoll „Jakobiner” genannte Truppe nie Sorgen zu machen. Selbst seit Regisseur Peter Gruber seine Aufgabe darin entdeckt hat, vor allem unbekannteren Stücken des großen Meisters des Wiener Volksstücks zu neuem Bühnenleben zu verhelfen. Wie zum Beispiel im letzten Jahr, als „Adelheid, die verfolgte Wi-tib oder Der gefühlvolle Kerkermeister”, Nestroys Erstlingswerk, das seit der Uraufführung nicht mehr zu sehen war, einen grandiosen Erfolg feierte. Auch für diesen Sommer hat Gruber Mut bewiesen und diesmal ein Spätwerk Nestroys ausgegraben, „Mein Freund”, eine Posse mit Gesang und zugleich wild-romantischer Krimi um zwei Freunde, die ganz unterschiedliche Wege gehen. 1851, in einer Zeit der nachrevolutionären Resignation, geschrieben, ist es, so Peter

Ein Renner der Saison dürfte „Arsen und alte Spitzen” (mit Aglaja Schmid und Gusti Wolf) werden.

Aber auch sonst tut sich einiges in Niederösterreich.

Gruber, „ein bei Nestroys unübertroffenem Witz auch dunkles Stück mit, zwischen den Zeilen verstecktem, politischem Inhalt”.

Innerhalb des „Theaterfestes Niederösterreich”, das sich konstituiert hat, um Programmüberschneidungen zu vermeiden und Vielfalt zu bewahren, haben auch andere Spielstätten, zum Beispiel das Sommertheater in den barocken Bäumen des Stiftes Altenburg, ihr unverwechselbares Profil erworben. Der Intendant und Regisseur Dieter O. Holzinger hat sich der Leidenschaft verschrieben, immer wieder Urfassungen bestimmter, heute geläufiger Themen mit archetypischen Symbolwelten und Gestalten aufzuspüren. Nach „Don Juan” von Tirso de Molina und dem ersten Schauspiel über „Doctor Fau-stus”, geschrieben von Christopher Marlowe, hat er sich heuer Miguel de Cervantes' „Don Quijote” zugewandt, mit einer theatralischen Bearbeitung, die nichts mit dem Musical „Der Mann von La Mancha” zu tun hat.

Auf Volksstücke, die nicht unbedingt „leichte Sommerkost” sind, hat sich Rerndorf spezialisiert. Felix Dvorak hat sich heuer für Ödön von Horväths „Geschichten aus dem Wienerwald” entschieden und wird sie unbearbeitet (!) auf die Buhne stellen. Eine „Premiere”, denn noch nie ist dem Schauspieler und Kabarettisten, der nun seit neun Jahren Intendant und Regisseur der Berndorfer Sommerspiele ist, an diesem Ort eine derartige Zurückhaltung gelungen. „Bei Horvaths ,Geschichten aus dem Wienerwald' ist eine Bearbeitung weder notwendig noch erlaubt. Das ist zu gut. Es ist eigentlich sakrosankt, da hat man nicht daran zu rühren”, wischt er Hinweise auf sein spezielles Faible für Umarbeitungen vom Tisch. Ein beachtliches Ensemble mit

Louise Martini, Maria Perschy, Karl-Ferdinand Kratzl steht ihm zur Seite. Für sich selbst hat Dvorak die, bereits von Größen wie Hans Moser oder Helmut Qualtinger verkörperte, Rolle des Zauberkönigs gewählt.

Mit einer kleinen Sensation kann der Mann mit den vielen Talenten in seiner zweiten sommerlichen Wirkungsstätte, den Komödienspielen Mödling, aufwarten. Für Joseph Kesselrings „Arsen und alte Spitzen”, die wohl witzigste Komödie über Mord, die je geschrieben wurde, gelang es ihm, mit Gusti Wolf und Aglaja Schmid gleich zwei Theaterlegenden zu engagieren. Sie werden die beiden alten Damen spielen, die höchst liebenswürdig ihre Besucher mit Gift um die Ecke bringen.

Sollte jemand einen Preis für die mutigste Produktion vergeben, ginge er sicher nach Perchtoldsdorf. Tamas Ferkay inszeniert dort zu seinem Einstand in den historischen Mauern der Burg die einzige Tragödie dieses Theatersommers und zwar nicht irgendeine, sondern William Shakespeares „Othello”. „Die Ernsthaftigkeit des Ambientes ist geschaffen für die klassische Tragödie”, weist der Intendant und Begisseur, der eine eigene, auf das englische Original zurückgehende, Fassung erstellt hat, jegliche Bedenken zurück. „Wir, die jetzt mit dem neuen, frischen und klar interpretierbaren Text arbeiten, kommen täglich mehr auf die beklemmende Aktualität des Stückes.

Shakespeare zeigt aber auch in ,Othello' Humor, nur wurden diese Stellen nie entsprechend zugespitzt pointiert übersetzt, weil man sich geniert hat, in einer Tragödie zu lachen.” Besetzt hat Ferkay die Hauptrolle mit dem farbigen deutschsprachigen Schauspieler und Musicaldarsteller Christof er von Beau.

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