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„Non praevalebunt..

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An dem gleichen Morgen, an dem von den Kanzeln aller katholischen Kirchen des Erdkreises jenes Evangelium verlesen Wirde, in dem Christus von Petrus als dem Felsen spricht und an ihn die erhabene Verheißung richtet: „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen und die Pforte der Hölle werden sie nicht überwältigen“, meldete die Presse der ganzen Welt das Urteil aus dem Budapester Kirchenprozeß. Zufall oder Höhepunkt eines höhnischen Triumphes, in dem Gewalthaber über die vollzogene Erniedrigung einer Handvoll Menschen frohlocken, durch die sie die Kirche getroffen glauben, lüsternes Genießen ihrer Macht — Antwort der Unterwelt?

Die Methode des Angreifers war diesmal eine wesentlich andere als vor zwei Jahren gegen Mindszenty. Damals war der angeklagte Fürstprimas konterfeit als der große, angeblich politische Verschwörer gegen den Staat, der monarchistische Führer, der eine bewaffnete Intervention vorzubereiten sann, ein gefährlicher politischer Akteur, der geächtet werden mußte, aber nicht etwa als Mann der Kirche I Was konnten die Regierung und ihre Justiz dafür, daß durch die Schuld des Politikers und Verschwörers die Kirche zu Schaden kaml

Dieses Konzept erwies sich als falsch. Ebensowenig wie das Ausland vermochten die Taktik der Anklage und die Rezepte der volksdemokratischen Kriminalchemie das ungarische Volk über die Parodie dieses Staatsprozesses zu täuschen. Man ging diesmal anders zu Werke: Man machte aus den Gefangenen gemeine Verbrecher. Die Regie klappte. Die Rezepte der Giftküche waren verfeinert. Nichts mehr an dem Angeklagten verriet im Gerichtssaal die geistige Tortur, die unmenschliche Entmenschung, die sie mitgemacht hatten. Sie waren in tadellose, wohlaussehende Automaten verwandelt, seelenlos, jeder Gefühlsbewegung bar, ohne Widerspruch, die Betonung ihrer Aussagen farblos, wie wenn einer einem entfernt Bekannten Guten Tag wünscht. Die Enteignung der Persönlichkeit war bei diesen Opfern bis zur Perfektion gediehen. Stereotyp die Einleitung ihrer Aussagen: .Zufolge meiner antidemokratischen Ge-einnung ..., entsprechend meiner volksfeindlichen Erziehung...“ Ihre Selbstanklagen, in monotoner Sprechweise bis zur Ungeheuerlichkeit gesteigert, erzählten von allen denkbaren Schandtaten. Zwar hatten sie auch, wie sie gestanden, Politik getrieben, die Verschwörungen fortgesetzt, in denen Mindszenty gestört worden war, aber hauptberuflich waren sie doch Diebe, Betrüger, Opferstockräuber, angefaulte, verächtliche Existenzen, die ein Lotterleben auf Kosten von Kirchengut führten. War da nicht ein Erz-bischof, der von dem höchsten kirch-lichen Amtsträger in Ungarn, der auch

noch als Eingekerkerter sein Vorgesetzter war, als .der Mindszenty“ sprach, sich au Kirchengeldern und mit amerikanischen Dollars bereicherte? Der Clou aber sollte doch die prozessuale Enthüllung des Morastes sein, in den Ordensgenossenschaften versunken sind, in denen es nicht nur Mörder gibt, die von der Kanzel zum Mord aufstacheln, wie dieser Paulinerpater, der seine eigenen Mordtaten feinsäuberlich in sein Klostertagebuch“ einträgt und dafür den päpstlichen Segen bekommt, sondern auch Provinziale, die ihr schamloses Leben aus Raub und Verschleuderung von Kirchengut finanzieren. — Dieser Schuß zielte mitten hinein in das Herz des gläubigen ungarischen Volkes: Seht ihr diese Lügner und Heuchler, diese abgründigen Missetäter, die ihr in euren Kirchen und Klöstern hegtl Wann werdet ihr euch losmachen von diesen Betrügern?

Das sollte der Triumph dieses Prozesses sein, der immer wieder den Vatikan in die Anklage, in die Verbrecherphantasien hineinverflocht. Und dann noch das Letzte: Nicht die höchste Strafe wird über die vordersten Angeklagten verhängt, es gibt für sie einen .Milderungsgrund“, sie sind nur Werkzeuge, Hörige einer fremden Macht: der Hauptangeklagte, der getroffen werden soll, ist der Vatikan!

Mancher Zuschauer des düsteren Dramas, da* sich wenige Schnellzugstunden von Wien entfernt abgespielt hat und in wechselnden Formen sich täglich erneuert, mag erschreckt fragen, welch letzter Sinn diesem Wüten innewohnt, in dem Freiheit, Recht und selbst die menschliche Persönlichkeit vernichtet werden, nichts mehr übrig bleibt vom Wesen und Zweck jeglicher Gemeinschaft, so daß unter den Füßen der Gesellschaft die Fundamente ihrer Ordnung zerbröckeln? Ungarn ist nur eine einzelne Szene in dem großen Geschehen, in dem Ringen zwischen dem Geist und der Gewalt um den neuen Menschen. Nur beiläufig sprechen die Tatsachen die Feststellung aus, daß in Rumänien, im Baltikum, in Lettland, in Litauen alle Bischöfe gefangen, deportiert oder vermißt, in der Tschechoslowakei vier gefangen, in Jugoslawien zufolge staatlicher Gewalt fünf, in Polen sieben, in Albanien vier von sieben Diözesen ohne Bischöfe sindj die in China erfolgten Zerstörungen sind erst in Umrissen feststellbar.

Wie ein Steppensturm, jäh und verheerend, hat der Angriff des Bolschewismus die religiöse Welt des nahen und fernen Ostens überfallen. Die Ziffern bilden nur eine beiläufige Aussage über das wirkliche Ereignis, den terroristischen Herrschaftsanspruch einer Weltanschauung, die das christliche Sittengesetz und eine Rechtsordnung, die ihie

Wiege in der „von Natur au christlichen Seele“ hat, verwirft und zertreten will. Denn sie gedenkt den neuen Menschen zu formen, sie allein, ohne Mitrede oder Einspruch eines andern, sie will schaffen den Menschen dieser Welt, die biegsame, spannkräftige Uhrfeder in dem kunstvollen Mechanismus der kommenden Saekulen, in denen die schöpfungskräftigen Mitschurine über die Wunder der Natur und der Menschenkraft gebieten. Denn der neue Mensch hat sich auf den Thron Gottes gesetzt.

Der neue Mensch, der materialistische Ubermensch, in seiner Masse das Zentrum der neuen Religion. Schon schwingt um ihn die Sphärenmusik des neuen Kultus, die Verkündigung der Propheten, Fanatiker, der Frommgläubigen der neuen Lehre und der Scharlatane.

Aber dem großen Neuen, der absoluten Religion dieser Erde, begegnet schon bei ihrem Aufbruch eine Gestalt, die aus Jahrtausenden herkommt, immer im Kampfe mit dem Irdischen, nur Erdgebundenem, auf ihren Wegen über den Erdkreis Gefangenschaft und blutige Verfolgung erlitt und dennoch nie über-

wunden wurde. Sie, die Verkünderin der ewigen Wahrheit und der Unsterblichkeit des Geistes, sie, der die Verheißung gehört, daß sie inmitten aller Gewalt nicht überwältigt werden wird: Non praevalebuntl

Ein System, das gegen diese Unüberwindliche um die Herrschaft seiner Götter über die Menschen ringt, wird in seiner erdhaften Schwäche immer wieder versucht sein, als seine stärkste und letzte Waffe die Gewalt zu gebrauchen. Immer wird es deshalb neue Tyranneien und neue Schrecken gebären. Das ist seine Macht, zugleich seine einzige Hoffnung und seine Schwäche. Uber diesen Herrschaftsbezixk reichen seine Arme nicht.

Und was kommt dem Christen in dieser Lage zu seiner Verteidigung zu? Daß wir ernst machen mit unserem Christsein, bewußt, daß uns aus dem Besitz unserer Seele keine erdhafte Omnipotenz vertreiben kann, wenn wir in werktätiger, persönlicher und sozialer Haltung wahrmachen, lebendiges Glied am Leibe der Kirche zu sein. Damit sich an uns erfülle der Sinn der urchristlichen Bitte: „Mache aus uns lebendige Menschen!“ f.

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