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Ein Gespräch mit Hans Staudacher über seine Zeit in Frankreich und die Kunstszene 1945-1965.

Herr Staudacher, wann sind Sie nach Paris gekommen?

Hans Staudacher: In meiner Jugend, als ich zwei Jahre lang Schwimmlehrer und Bademeister in Villach war, das war gleich nach dem Krieg, und im zweiten Jahr habe ich gut verdient, weil ich Tischtennistische gemacht habe; da konnte ich es mir leisten, nach Paris zu fahren. Das war 1952/53, da war ich nur drüben, um mir einmal Paris anzuschauen, denn damals hat man mir gesagt, Paris ist die Stadt der Künstler, und ich wollte eigentlich auch ein Künstler sein; gemalt habe ich immer schon, auch als Kind. So bin ich also nach Paris gekommen, am Gare de l' Est ausgestiegen und zu Fuß durch Paris gegangen, durch die kleinen Viadukte und dann Les Halles entlang, wo früher die Märkte waren. Das war für mich das Wichtigste: Toulouse-Lautrec und das Moulin Rouge - das wollte ich alles sehen. So habe ich mich auf der rechten Seite in Paris herumgetrieben; dort waren sehr große Ausstellungen von Künstlern, die schon arrivierter waren; u.a. war da auch Mathieu, der etwa sechs Jahre älter war als ich. Der hat auch so gemalt wie ich. Das hat mir gut zugesagt - endlich ist das bestätigt worden, was ich gemalt habe, wo doch hier die Kritiker immer über meine Arbeiten geschimpft haben. Dort habe ich die Bestätigung erhalten, dass ich eigentlich doch auf der richtigen Ebene bin, dass meine Spuren stimmen.

Was waren Ihre ersten Erlebnisse und Begegnungen in Paris?

Staudacher: Im Musée d'Art Moderne habe ich mir alle Ausstellungen angeschaut - die alten Meister: die Kubisten, Braque, Picasso, Chagall. Und ich war enttäuscht, denn die Bilder, die ich gekannt habe, waren in so schönen Farben, und drüben waren dann alle grau in grau. Damals hat man die Abbildungen viel farbiger gemacht, als die Bilder in Wirklichkeit waren. Und ich konnte mir zum ersten Mal die Originale anschauen. Aber am meisten habe ich mich im Keller bei den etruskischen Sachen herumgetrieben. Da waren alte Särge mit vielen Reliefs, die konnte man tagelang anschauen. Das hat mir sehr imponiert.

Ins Moulin Rouge bin ich auch einmal gegangen, aber dann war das Geld weg. Ich konnte mir das nicht zweimal leisten, sonst wäre ich gerne öfter dorthin gegangen. Ich habe einen Katalog von dem mitgehabt, was ich gemalt habe. Da habe ich jemanden kennen gelernt, der mir gesagt hat: Sie müssten eigentlich hinüber gehen auf die Rive Gauche, auf die linke Seite, denn dort sind die Galerien, die das Neue ausstellen; hier sind schon die Arrivierten.

Und beim nächsten Mal, als ich wieder in Paris war, 1959/60, bin ich dann auf die linke Seite gegangen und habe dort auch wieder jemanden gefunden, dem meine Sachen gut gefallen haben. So habe ich dann in einzelnen Galerien ausgestellt. Die Galerie "Le Soleil dans la tête" war die erste, wo ich größer ausgestellt habe. Die Galerien waren ja alle sehr klein, und der Raum wurde absolut ausgenützt. Die Franzosen haben unheimlich viel "Material" gehabt - so viele Künstler waren drüben, die ich in der Zeit kennen gelernt habe.

Was war Ihre erste Ausstellung in Paris? War sie ein Erfolg?

Staudacher: Erfolg kann man nicht sagen. Damals hat auch der Hartung ausgestellt, eine sehr gute Ausstellung, nur hat er kein einziges Bild verkauft - und mir ist es ähnlich gegangen. Die wollten sich alle was schenken lassen, und man hätte oft sogar zahlen müssen für Galerien. Nur ich habe ein Glück gehabt, dass sie mich billiger genommen haben, denn mich haben sie immer mit dem Wols (Pseudonym für Alfred Otto Wolfgang Schulze, Fotograf, geb. 1913 in Berlin, gest.1951 in Paris; Anm. d. Red.) verglichen. Ich habe ihm ähnlich geschaut. Und den haben sie so verehrt. Er ist auch immer neben den Schuhen gegangen, weil er nichts zu essen gehabt hat und immer nur von verschiedenen, etwas reicheren Töchtern ausgehalten worden ist.

Genauso ist es dem Modigliani gegangen - seine langen Köpfe haben sie auch nicht verstanden. Zu meiner Ausstellung ist auch seine Tochter, die Gini Modigliani gekommen und hat mir in mein Buch hineingeschrieben und war erfreut, dass ich dort ausstelle. Das waren die ersten Kontakte. Nur konnte ich nicht so gut Französisch, weil ich es nie gelernt hatte. Ich musste erst langsam Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort und dann Satzbildungen lernen.

Wer waren die ersten Künstler, die Sie in Paris persönlich kennen gelernt haben?

Staudacher: Die ersten waren Aubertin, Bendrath, Bertini, Castro, Christo, Declercq, Hains, Klasen; vorher war schon einmal Maria Lassnig mit Arnulf Rainer drüben, aber sie sind wieder zurückgefahren. Die Lassnig habe ich in meiner Galerie eingeführt, auch den Bischoffshausen - der ist dann mit der ganzen Familie hingefahren und hat drüben gearbeitet. Die paar Maler, die ich gekannt habe und die mir als wichtig erschienen sind, habe ich dann in der Galerie "Le Soleil dans la tête" ausgestellt: Rainer, Lassnig, auch Mikl - die Galerie St. Stephan-Leute. Sieben habe ich ausgestellt, denn sieben Tage hat die Woche. So hat auch Bischoffshausen Anschluss an diese Galerie gefunden.

Ich habe "Nu-Bilder" ausgestellt damals - da sind so viele gekommen, weil sie Akte sehen wollten. (frz. nu=nackt, Anm. d. Red.) Da habe ich Ihnen erklären müssen: Mein "Nu" ist der Augenblick. Da waren sie enttäuscht, dass das nur der Malakt war. Aber trotzdem hat es ihnen gut gefallen. Jedenfalls: ich war an der richtigen Stelle zur richtigen Zeit.

Warum musste man damals unbedingt nach Paris fahren?

Staudacher: Wo hätte man denn hinfahren sollen? Von Paris hat man immer schon so viel gesprochen, in allen Zeitschriften waren Picasso, Braque, die Kubisten - es hat sich alles dort bewegt, Paris war die Stadt der bildenden Kunst in dieser Zeit. Erst später sind die Engländer wichtig geworden; die Italiener waren auch immer wichtig, aber die guten italienischen Maler waren auch in Paris und haben dort ausgestellt. Manche habe ich dort kennen gelernt - Vedova und viele andere.

"Ingram 5" war eine gute Zeitschrift, sehr modern, damals mit billigsten Mitteln gemacht. Da war ich dann abgebildet. Das war für mich so eine Ehre. Oder "aujourd'hui", das war die größte Zeitschrift, die es gegeben hat, eine der wichtigsten - und ich scheine auf einmal dort auf. Da haben 200, 300 Galerien ausgestellt, und meine Bilder sind da aufgefallen und waren gut abgebildet. Das war für mich schon eine aufbauende Sache!

Nur musste ich dann wieder weg, weil mir das Geld ausgegangen ist, das ich mir erspart hatte. Da hat man mir gesagt: Die guten bleiben alle in Paris, und wenn ich ein guter Maler bleiben will, muss ich in Paris bleiben und mit meinen Arbeiten nach Paris kommen. Aber das habe ich nicht gemacht. Das war vielleicht mein Fehler. Ich hätte drüben bleiben sollen.

Wann sind Sie wieder zurück? Tut Ihnen das heute Leid?

Staudacher: Ich war ein, zwei Monate drüben - solange halt das Geld gereicht hat. Verkauft hat man ja ganz wenig. Ich konnte dann schon meine Grafiken billiger verkaufen, es sind schon Kollektionäre gekommen, die das gesammelt haben. Und wenn ich fünf, sechs oder zehn verkauft habe, hab' ich halt für eine Woche wieder etwas Geld gehabt. Es war ja nicht so leicht in der Nachkriegszeit. Und in Wien hat mir das nichts genützt. Ich musste Hilfsarbeiten machen, damit ich meine Familie ernähren konnte.

Das Gespräch führte

Cornelius Hell.

Hans Staudacher, geb. 1923 in St. Urban am Ossiacher See, als Maler Autodidakt, Mitglied der Wiener Secession, gehört zu den renommiertesten Malern Österreichs.

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