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„Nur“ Landtagswahlen ?

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Die Entscheidung über die politische Bedeutung der Landtagswahlen am 17. Oktober werden die großen Länder Niederösterreich und Wien bringen. In ihnen ist nahezu die Hälfte der österreichischen Wählerschaft beheimatet. Ihr Votum wird zukunftweisend sein.

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Die Entscheidung über die politische Bedeutung der Landtagswahlen am 17. Oktober werden die großen Länder Niederösterreich und Wien bringen. In ihnen ist nahezu die Hälfte der österreichischen Wählerschaft beheimatet. Ihr Votum wird zukunftweisend sein.

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Am 17. Oktober treten die Bewohner von vier Bundesländern an die Urne, um ihre Stimme zur Neubildung ihrer Landtage abzugeben.

Es ist das „Ländle“, Vorarlberg, das in alemannischer Nüchternheit und seinem angeborenen demokratischen Sinn seine Landstube wählt. Dort hat die Sachlichkeit, die Bedachtsamkeit und die ruhige Überlegung ihre Urheimat. Mit geradezu zur Schau gestellter Gelassenheit wird dort vollbracht, was anderswo in Aufregung versetzt. Wer aber glaubt, daß hinter diesem Gebaren ein Mangel steckt, der irrt. Denn, wenn’s not tut, weiß gerade der Vorarlberger sehr wendig und sehr schlagfertig die Schärfe seines Denkens unter Beweis zu stellen. Der Wahlkampf, ist dort ein stiller Wettbewerb, in dem nur die wirkliche Tüchtigkeit Erfolg verspricht.

Salzburg hat seine Bevölkerungsstruktur seit einem Jahrzehnt nicht unerheblich verändert. Ob immer zu seinem Vorteil, kann schwer gesagt werden. Viel fremdes, auch großstädtisches Element, das in den Tagen der großen politischen Umwälzung im Zuge des zweiten Weltkrieges seinen Boden verloren hat, sucht in der alten Bischofsprovinz neue Wurzel zu schlagen. Hier liegen die Dinge ganz anders. Das Konservative tritt in den Hintergrund. Viel Ressentiment ist noch lebendig. Nach Neuerungen strebt das neu Dazugekommene. Dem Altehrwürdigen will das Überlieferungsgebundene seinen Platz wahren. Hier stoßen weltanschauliche Bereiche schon offen aufeinander. Die Bürgermeisterwahl der Landeshauptstadt wird erst durch diese Landtagswahl ihre Erklärung finden. Sie wird zeigen, ob sie bloß ein unbedeutender taktischer Zwischenfall gewesen oder ob man sich in Zukunft auf einen Zweifrontenkrieg wird einrichten müssen. Das christliche Element wird hier besonders gewissenhaft und agil seine Belange zu wahren haben.

Die Entscheidung über die politische Bedeutung dieser Wahlen werden die großen Länder Niederösterreich und Wien bringen. In ihnen ist nahezu die Hälfte der österreichischen Wählerschaft beheimatet. Ihr Votum wird zukunftweisend sein.

Oft begegnet man einer gewissen Sorge um das Dorf, wenn die Sprache auf die politische Konstellation in der Babenberger-Mark gerät. Nicht nur aus politischen Gründen, etwa aus Angst vor dem sozialistischen Vormarsch in die bäuerlichen Bezirke; vielmehr, weil wir überhaupt vor der Gefahr stehen, das Dorf zu verlieren. Ein Landflecken, auf dem ein paar hundert Häuser stehen und zwei- oder dreimal soviel Leute leben und werken, hat nichts mehr' vom Dorf an sich, wenn seine Straßen der ratternde Lärm der Traktoren erfüllt; das ist kein Dorf mehr, wo der Rationalismus der Bewirtschaftung, der gut, begrüßenswert und nützlich ist, auch zum Geist des Wirtschaftens geworden ist; besonders dann, wenn er auch auf die Haltung gegenüber dem Menschen übergegriffen hat und zu einer Agrarindustrie führte, die die patriarchalische Gemeinschaft der Verbundenheit zersprengt, die unseren Bauernhof trotz aller neuzeitlichen Errungenschaften noch um die Jahrhundertwende auszeichnete und ihn zu einer Großfamilie gestaltete, wo jeder das Seine fand. Im Bereich der Klassenkampfideologie ist für ihn kein Platz. Die Wahlen in Niederösterreich werden zeigen, ob der ererbte gesunde Bauernsinn noch erhalten geblieben und zukunftträchtig ist.

In den Industriebereichen Niederösterreichs geht der Kampf um die gleichen Dinge wie in der Bundeshauptstadt Wien selbst. In beiden Gebieten stehen sich grundsätzliche, Wirtschaft und Gesellschaft gestaltende Auffassungen gegenüber: auf der einen Seite der Wille zur sozialen Marktwirtschaft, die in der Entfaltung der Persönlichkeit die höchste Leistungskraft erkennt, und auf der anderen der Zug zum Kollektivismus, für den die Menschen nur Masse sind, „bewußtgewordene Natur“, die im Unbewußten des Kollektivismus untergeht, um in dessen äußerer Gestalt, dem Staat und seinen Organen, wieder zu bewußtem' Handeln zu gelangen.

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