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Österreichische Lyrik der Gegenwart

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Nicht nach dem Alter ihres Autors, wohl aber nach Umfang und Gewicht muß Josef Weinhebers letzte lyrische Sammlung an den Anfang dieser Besprechung gestellt werden. Noch zu Lebzeiten des Dichters wurde der Band „Hier ist das Wort“ abgeschlossen (Otto-Müller-Verlag, Salzburg). Dies letzte Wort Weinhebers offenbart noch einmal und eindrucksvoller als die früheren Werke die große Begabung des Wortkünstlers und die ganze Zwiespältigkeit des Menschen. Die ersten Zyklen bilden eine Reihe tiefer und schöner Gedichte über die Kunst — Ged'chte, deren Sprachmeisterschaft — wie oft bei Weinheber — in Sprachspielerei ausartet. In der Mitte der Sammlung steht als Hauptstück das teils ergreifende, teils abstoßende „Bekenntnis" (Motto: „Die Zeit, die Zeit verriet mich, und darum klage ich an...“). Den Beschluß bilden Übertragungen und Gelegenheitswerke, Offizialdichtungen . aus den Jahren 1940 bis 1944. Das in seiner menschlichen und weltanschaulichen Substanz fragwürdige Werk hat freilich immer noch hohes Maß im Vergleich mit der durchschnittlichen lyrischen Produktion der letzten Monate.

In dem ersten Gedichtband Georg Rendls (Festungs-Verlag, Salzburg) fesseln die Musik der Sprache und die Leuchtkraft der Farben. Nicht nur das häufig wiederkehrende Motiv des Herbstes, sondern auch gewisse impressionistische Stilmittel rücken Rendls Gedichte in die Nähe Georg Trakls. Das sich darin offenbarende Weltbild ist freilich ein völlig anderes. E’n dunkler Grundton ist fast allen Gedichten Wilhelm Szabos gemeinsam, die den bezeichnenden Titel „Das Unbefehligte“ führen (Verlag Herder, Wien). Hier finden sich starke, männlich-entschiedene Worte, sehr im Gegensatz zum Part pour l’art mancher unserer Jüngsten. Gedichte wie „Absage“, „Mahnung“ und „Wähnt nicht gebannt die Dämonen“ bleiben durch ihren ethischen Gehalt und ihre strenge Sprachform im Gedächtnis des Lesers haften. Ohne von der Notwendigkeit der Aussage überzeugt zu sein, legt man Paul An ton Kellers „Gesang vor den Toren der Welt“ aus der Hand (Leykam-Verlag, Graz- Wien). Das bescheidene Nachwort des Verfassers steht in bedenklichem Gegensau zu einem der letzten Gedichte („Ich"), das als typisches Selbstporträt eines Dilettanten angesehen werden kann. Sehr persönlich kling die wohllautende, dr-keltönige Stimme der Hermen von Kleeborn (,.G e d i c h t e, Amandus- Edition, Wien). Ihre Diktion scheint von Stefan George beeinflußt, doch ist sie weicher und weiblicher. Sie kündet auch Weltanschauliches auf so persönliche Art, daß dem Liebhaber des schönen Gedichts geraten sei, der Dchterin für wenige Stunden sein Ohr zu öffnen. Den Einfluß von Georges Sprachform glaubt man auch in Friedrich Kraißls „Doppelflöte" (Wiener Verlag) zu spüren. Der schmale Band umschließt einen bedeutenden Reichtum von Formen, Gestalten und Seelenstimmungen, und nirgends überschreitet der am antiken Schönheitsideal orientierte Lyriker die Grenzen seiner Begabung. Die meist kurzen und reimlosen Gedichte von Robert J. Koc (Agathon Verlag, Wien) muten wie Übertragungen oder Nachgestaltungen chinsischer und japanischer Lyrik an. Der mit Zeichnungen von O R. Schatz geschmückte Band ist einer der schönsten und geschmackvollsten des Jahres. In sehr ansprechender Ausstattung brachte auch der Johannes- Günther-Verlag, Wien, das „B a 11 a d e n b u c h" von F. K. Ginzkey. Eine strengere Auswahl wäre wohl zu empfehlen gewesen, denn wir können uns kaum vorstellen, daß der Autor auch heute noch alle in diese Sammlung aufgenommenen Stücke vertritt, von denen einige motivisch sehr fragwürdig sind. Etne etwas bunte, wenig überzeugende Lese aus dem Schaffen Alfred Petzolds gab der Wiener Verlag heraus („Pfad aus der Dämmerung". Gedichte und Erinnerungen). F. K. Ginzkey, einer der Förderer des jungen Arbeiterdichters, schrieb das instruktive Vorwort. — Eine Sammlung von Dichtungen, die der Autor im Vorwort als „revolutionär-pazifistisch, kosmopolitisch, weltgesellschaftlich und letztlich universalistisch“ bezeichnet, legt Rudolf Geist vor. („Das Alphawort". Weltweiten-Verlag, Wien). Bei aller Anerkennung des Strebens nach einem hohen Ziel ist jedoch nicht zu verkennen, daß es sich hier um ein Chaos handelt: ein Schulbeispiel für maßlöse Selbstüberschätzung und mangelnde Gestaltungskraft.

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