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Österreichisches Confiteor und Qloria

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PROGRAMMREDE, GEHALTEN BEIM FEIERLICHEN EROFFNUNGSAKT DES KATHOLIKENTAGES

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PROGRAMMREDE, GEHALTEN BEIM FEIERLICHEN EROFFNUNGSAKT DES KATHOLIKENTAGES

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Der Österreichische Katholikentag, den Wir in dieser festlichen Stunde beginnen, ist einer hohen Messe vergleichbar: sein Höhepunkt sei die Wandlung der Herzen und die Kommunion einer lebendiger erfaßten katholischen Gemeinschaft.

Aber jede Messe beginnt mit einem Confiteor und einem Gloria. So sei denn an diesen Beginn das Confiteor einer lauteren Selbstbesinnung gestellt: der Frage nämlich, ob wir katholischen Christen von Österreich überhaupt noch berechtigt und befähigt sind, die hehren Worte von Würde und Freiheit des Menschen auf die Fahnen dieser festlichen Tage zu schreiben. Nur das ist christlich und gut katholisch. Wir schlagen zuerst an unsere eigene Brust und sprechen tiefgebeugt: Meine Schuld, meine große Schuld — wissend, daß auch einmal das große Endgericht Gottes „beim Hause Gottes zuerst beginnt' (1. Petr. 4, 17). Wir sind nicht hieher gekommen, um hohe und anmaßende Worte zu schleudern über die Grenzen der Politik und des Geistes hinaus, und die nur darum oft so laut sind, weil sie so beruhigend den Vorwurf des eigenen Herzens übertönen. Wir sind nicht zusammengekommen, um die evangelische Parabel an der Tempelpforte zu erneuern, wo einmal jemand stand und betete: Mein Gott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie diese da. Sonst mag es sein, daß „diese da“ über uns kommen in einer neuen Katastrophe der göttlichen Geschichtsfügungen, um uns zu beweisen, daß wir nicht mehr „diese sind, die wir laut unserem heiligen Glauben sein sollten — oder hätten sein sollen. Dann wäre es aus mit dem Katholikentag, und es begänne die österreichische Katholikennacht — und ich weiß nicht, ob nicht schon die Abendschatten dieser Nacht einfallen und also dieser Katholikentag schon die Abendmesse Österreichs ist, so wie die Nacht kam nach den glanzvollen Tagen Wiens von 1912 und 1933. Beten wir drum unser Confiteor, solange es noch Tag ist.

Aber wenn wir so die Schuld bekannt haben, richten wir uns mutig auf und singen das Gloria der Freude an unserem heiligen katholischen Glauben, das Gloria des Bekenntnisses, daß Würde und Freiheit des Menschen immer noch, ja wahrhaftig allein in den schützenden Mauern unserer Kirche verteidigt und gehegt werden, daß immer noch „ein Haus voll Glorie schauet, weit über alle Lande dieser österreichischen Heimat, die wir bis zum Tod lieben. Wir sind also nicht hiehergekommen, um nur halb ängstlich und halb stolz zu sagen: Wir sind auch noch da. Wir wollen nicht einen bloßen Achtungserfolg erzielen, den man uns beeindruckt und widerwillig zugleich erteilt, um dann wieder beruhigt in die begreifbareren Gefilde der von katholischen Überspanntheiten nicht mehr beunruhigten Politik und Sozialordnung zurückzukehren, indem man den Katholiken ab und zu eines ihrer offenbar unvermeidlichen Feste zubilligt. Wir wollen uns in der Olympiade des Geistes, in der heimlich und offen gekämpft wird um Würde und Freiheit des Menschen, genauer gesagt, um Himmel und Hölle, nicht eben nur mit einer bronzenen Medaille begnügen, während die goldenen schon längst anderswohin abgewandert sind. Nein, wir wollen uns offen vor die Welt hinstellen, um ihr — nicht anmaßend, aber in dem unausweichlichen Auftrag Gottes, der seine Kirche mitten in diese Menschengeschichte hineingestellt hat, im Befehl des Herrn Jesus Christus, der sich niemals wieder aus der Geschichte hinaustöten oder hinausverachten oder hinauskomplimentieren läßt — um ihr zu sagen: Nur in der Treue zu Gottes Gesetz, nur in der Liebe, die Christus verkündet hat, nur in der Gemeinschaft, die Wir Kirche nennen, wird Freiheit und Würde des Menschen, aller Menschen, gesichert und entfaltet!

Damm kann auf diesem Katholikentag von Würde und Freiheit des Menschen nur katholisch gesprochen werden. Nichts

werde gesagt nur im Sinne eines bloßen Humanismus, der sich vor unseren eigenen Augen ad absurdum führt, der uns in immer neuen Formen beweist, daß schon der Heide Seneca die Wahrheit geahnt hat, als er schrieb: Der Mensch, der nur Mensch sein will, ist bald kein Mensch mehr. Wer die hohen und keuschen Worte von Freiheit und Würde des Menschen aus der Gosse unserer heutigen Menschengeschichte aufhebt wie eine zertretene Perle, der muß wissen, daß es die unerbittliche Erfahrungslehre eben dieser Geschichte ist: Alle Menschenfreiheit ist noch immer verhärtet worden in Tyrannei oder ist verfault in Auflösung, wenn sie nicht streng verpflichtet war in den fordernden und eben darum freiheitsgaräntierenden Gehorsam gegen Gott und gegen sein fleischgewordenes Wort. Und alle Würde des Menschen muß enden in der Unwürdigkeit der sozialen Vermassung oder der asozi-

alen Eigensucht, wenn, nicht Christen sich immer von neuem un d immer wirksamer des Wortes aus der, Urkirche erinnern, daß jede Weihnacht mitten aus dem Dunkel dieser alle Menschenwürde mordenden Weltzeit emporsieigt: „Erkenne, o Christ, deine Würde: Teilhaber bist du geworden der göttlichen Natur. Kehre drum nicht mehr zurück in die degenerierte Lebensform deiner alten Niedrigkeit. Denk daran, daß du entrissen bist der Gewalt der Finsternis, hineingenommen bist in Gottes Licht und Gottes Königreich.

So beginne deam dieser Katholikentag Österreichs zu sprechen von Würde und Freiheit des Menschen, schüchtern und mutig zugleich. Schüchtern, weil wir vor Gott und der Welt von unserer Schuld zu sprechen haben. Mutig, weil wir allein noch eine Botschaft besitzen, an der die Welt wieder -würdig werden kann und frei. Mutig auch

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