"Oper ist für mich Musik und Theater"

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Roland Geyer, Intendant des Theaters an der Wien, im Furche-Gespräch: über seine Mitspieler in der Champions League der Musiktheater, seine Herkunft aus der Wirtschaftswelt, lachende Schmetterlinge und duftende Wolken sowie sein künstlerisches Credo: "Grenzgänge zu evozieren ist mir wichtig."

Die Furche: Herr Intendant Geyer, Sie haben auch Sportwissenschaften studiert, wollen Sie deshalb mit dem Theater an der Wien in der Champions League spielen?

Roland Geyer: Nein, ich sehe das aus rein künstlerischer Sicht. Das Programm der nächsten Saison - und zwar jedes Projekt für sich - ist schon von der Besetzung her so außergewöhnlich, dass man zu Recht sagen kann, wir befinden uns auf einem Weltklasseniveau. Wir hoffen, dass auf diesem Niveau auch die Umsetzung gelingt.

Die Furche: Wen betrachten Sie als Ihre Mitspieler in dieser Champions League?

Geyer: In erster Linie die internationalen Stagione-Häuser: Die Amsterdamer Oper, die Brüsseler Monnaie-Oper, mit Abstrichen die English National Opera, sehen in ihrer Kunstästhetik Musik und Theater gleichberechtigt. Diesen Weg wollen wir im Theater an der Wien auch gehen und damit eine neue, untypische Richtung im Vergleich zu den beiden großen Wiener Repertoirehäusern einschlagen.

Die Furche: Die Mailänder Scala zählen Sie nicht dazu?

Geyer: Die Scala ist ein wunderbares Haus, was die musikalische Qualität anlangt - auf der szenischen Seite haben die italienischen Häuser ein gewisses Manko. Ich bin nicht in allem und jedem ein Verfechter des deutschen Regietheaters, aber ich habe in den letzten zehn, fünfzehn Jahren in italienischen Häusern Produktionen gesehen, die im szenischen Bereich kaum mehr als eine Bebilderung des Inhalts bieten. Dasselbe gilt für amerikanische Opernhäuser - auch hier ist ein Großteil der Produktionen in einem populistisch-plakativen Sinn inszeniert, das ist für mich zu wenig.

Die Furche: War Musikintendant eines Ihrer Lebensziele?

Geyer: Ursächlich nicht, vom Erststudium bin ich Wirtschaftsmathematiker. Wahrscheinlich war dies eine Erfolgskomponente der letzten 27 Jahre, damals bin ich in den Sport- und Kulturbereich quer eingestiegen, nachdem ich den Lehrgang für Kulturelles Management in Wien besucht hatte. Die Wirtschaftskompetenz hat mir stets geholfen, künstlerische Projekte zu realisieren, obwohl mir Fachleute oft wenig Chancen mit den vorhandenen finanziellen Mitteln gaben. Wir haben auch in den beiden letzten Jahren wirtschaftlich so gut gearbeitet, dass nicht nur Projekte mit außergewöhnlichen Künstlern gelungen sind, sondern auch eine große Summe erspart werden konnte, mit der wir im Sommer 2011 die notwendigen baulichen Veränderungen für eine bessere Einbringung der Bühnenkulissen vornehmen können, wovon wir uns eine große probentechnische Erleichterung erwarten.

Die Furche: Mit 16 Premieren und einigen Konzerten legen Sie ein besonders ehrgeiziges Programm für die kommende Saison vor, wieviel Geld steht Ihnen dafür zur Verfügung, was trägt die öffentliche Hand bei, was Sponsoren?

Geyer: Ich habe mich immer bemüht und es auch geschafft, ein ausgeglichenes Budget zu erstellen, anhand dessen ich mir Bestimmtes leisten kann. Das versuche ich zu optimieren. Das Jahresbudget des Theaters an der Wien beträgt in etwa 26 Millionen Euro, davon sind 21 Millionen Subventionen, fünf Millionen Eigenfinanzierung durch Kartenerlöse, Sponsoren, Koproduktionen, Vermietungen von Produktionen und dergleichen. Die Eigenfinanzierung beträgt rund zwanzig Prozent, international gesehen eine sehr gute Marke.

Die Furche: Was können Sie an Sponsorgeldern lukrieren?

Geyer: Unser Haus ist nicht sehr groß, wir haben das Glück, seit 2006 zwei große Sponsoren zu haben, Agrana und Generali, sie haben uns bisher zusammen eineinhalb Millionen Euro gegeben.

Die Furche: Ist es leichter für ein Stadttheater Sponsoren zu bekommen als für einen Verein? Bevor Sie Musikintendant der Stadt Wien wurden, waren Sie lange Jahre Generalsekretär der Musikalischen Jugend Österreichs, wie sind hier Ihre Erfahrungen?

Geyer: Aus meiner Sicht spielt das keine Rolle. Natürlich ist es hier schwer, da der Eigentümer des Theaters an der Wien die Stadt Wien ist. Welcher private Sponsor gibt einer Kommune Geld? Sponsoring beruht darauf, die Entscheidungsträger eines großen Unternehmens für das Genre zu begeistern, man muss ihnen aber auch eine wirtschaftliche Gegenleistung bieten. Der erste Schritt ist das Neugierigmachen, das Begeistern für das, was das Haus bietet, denn Kultursponsoring ist ein Imagetransfer: Das Unternehmen will das positive Gesamtimage des Theaters in sein Image transferieren.

Die Furche: Im Vorwort zu Ihrer Programmbroschüre zitieren Sie Nabokov und Novalis, wie sehr lassen Sie sich bei Ihrer Programmplanung literarisch leiten?

Geyer: Sie spielen auf den Satz von Novalis an: "Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken riechen." Ich lasse mich literarisch von Inhalt und Umfeld der Stücke stark leiten, Oper ist für mich Musiktheater, der Theateranteil ist mir genauso wichtig wie der musikalische Anteil. Dann überlege ich, wie kann ich das in literarischen Worten, die neugierig machen, an das Publikum herantragen und es dafür gewinnen. Zum Beispiel spiele ich "Intermezzo" von Richard Strauss und "The Rake's Progress" von Igor Strawinski. Da lachen zwar keine Schmetterlinge, aber beide Stücke zeigen die Flatterhaftigkeit des Lebens. Bei Strawinski ist es Tom Rakewell, der verleitet wird nach London zu kommen, dort verkommt und es schließlich gerade noch schafft, nicht dem "Satan" zu verfallen. Auch in "Intermezzo" kommt eine Person ungewollt in eine teuflische Situation, steht kurz vor der Katastrophe und kann ebenfalls gerade noch diese Klippe umschiffen. Solche Grenzgänge zu evozieren, ist mir einfach wichtig.

Die Furche: An der Staatsoper steht 2010 ein Direktionswechsel bevor, wie wird sich das auf Ihr Programm auswirken - Dominique Meyer wird ja auch Barockopern aufführen?

Geyer: Ich habe mit Dominique Meyer einen guten Kontakt, Händels "Ariodante" ist eine Koproduktion mit dem Théâtre des Champs-Élysées. Meyers Intentionen gehen zu 90 Prozent in andere Richtungen, bei zwei, drei Opern, die wir beide vorhaben, ist die Parallelität sehr gut für Wien. Was die Barockoper betrifft, ist das Theater an der Wien einfach das ideale Opernhaus dafür und die Staatsoper in diesem Bereich keine Konkurrenz.

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