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Osterreichs Beitrag

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Trotz siebenjähriger Isolierung vom lebendigen Strom zeitgenössischen Musikschaffens und Musiklebens, trotz schwierigster Lebensverhältnisse und materieller Schwierigkeiten, konnte Österreich seinen schöpferischen Beitrag leisten im Konzert der Nationen, das beim Ersten Internationalen Musikfest erklang. Es kamen ^erke von Komponisten der älteren und der jungen Generation zu Wort: die mittlere fehlte fast ganz.

Die Aufführung von Franz Schmidts IV. Symphonie bildete einen der Höhepunkte des Musikfestes. In diesem weitbogigen Werk von herber Schönheit bewundern wir die vorläufig letzte Symphonie der großen klassisch-romantischen Tradition. Was sich bei Honeggers Oratorium und in Hindemiths Mathis-Suite zeigte, bewahrheitete sich auch an diesem Werk: am bedeutenden Stoff und am starken persönlichen Erlebnis erst entfaltet sich der bedeutende Künstler ganz. Diese Symphonie ist wirklich voll jener „letzten Musik, die man ins Jenseits hinübernimmt, nachdem man unter ihren Auspizien geboren wurde und das Leben gelebt hat“. Es war schön, das Werk des 1939 gestorbenen Wiener Meisters von einem seiner Schüler interpretiert zu hören. Anton Heiller hat bei dieser Aufführung sehr gute dirigentische Anlagen gezeigt. Seine Interpretation war nicht nur ein Akt der Pietät, sondern auejj persönliche Aussage.

Die symphonische Phantasie zu „Frau ohne Schatten'* (1947) des Wahlösterreichers Richard Strauß ist nicht viel mehr als ein prunkvolles Orchesterpotpourri und erwies, daß diese Musik nicht nur entwicklungsgeschichtlich bedeutungslos ist. 1919 wurde die Oper uraufgeführt — und ist schon aus den Spielplänen verschwunden. Ob man sich nach weiteren 30 Jahren ihrer überhaupt noch erinnern wird? Es ist schade um das tiefsinnige, symbolische —■ und wegen seines Reichtums vielgeschmähte — Textbuch von Hofmannsthal.

Aus der Klangwelt der Oper und ihrer Kantilenen kommt auch das Violinkonzert D-dur des emigrierten E. W. Korngold, USA. Instrumentieren konnte schon das 19jährige Wunderkind, und die Melodien, die ihm damals einfielen, waren schöner, vor allem nobler. Obwohl erst vor zwei Jahren in der Neuen Welt entstanden, scheint das Werk abseits der Entwicklung der Musik und abgewandt von allen menschlichen und zeitlichen Problemen konzipiert zu sein. Diese unbegreiflich leere und stillose Musik wurde von dem amerikanischen Geiser J. Gimpel mit einem so bezaubernden Ton gespielt, daß man sie nach anfänglichem Widerstreben nicht ohne sinnliches Vergnügen anhörte.

Schönbergs Kammersymphonie op. 9 erklang in der Bearbeitung für großes Orchester und hat in dieser Besetzung nicht gewonnen. In allen neueren Musikgeschichten steht zu lesen, daß mit diesem Opus Schönbergs atonale Periode beginnt und dem Werk soTiit epochemachende Bedeutung zukommt. Für unser Gefühl liegt es durchaus noch diesseits der großen Scheide, von der die atonalen 'Ströme und Wässerchen zu Tale fließen. Was die Aufnahme des Werkes erschwert, ist vielmehr der Mangel einer für das Ohr — und nicht nur für das Auge — wahrnehmbaren formalen Gliederung, die uns auch durch die Analyse Alban Bergs nicht plausibler wird.

Beide Werke wurden — ohne rechte Begeisterung — von Otto Klemperer dirigiert und von den Wiener Symphonikern gespielt, die im Laufe dieses Musikfestes fast Tag für Tag ihre hohe Qualität erwiesen haben; nicht zuletzt durch- ihren Fleiß und ihre Ausdauer, bis zum letzten Augenblick, da sich die Hand des Dirigenten zum letzten Male senkte. Mit Tschaikowskys „Pathetique“ — an Stelle der mit Spannung erwarteten C-dur-Symphonie von Strawinsky — klang da^ Musikfest aus.

In dem Konzert mit neuer österreichischer Musik waren deutlich zwei Gruppen zu unterscheiden: eine radikalere. (Angerer, Schiske, Heiller) und eine konziliantere (Kaufmann und Berger). Alfred Uhl stand nicht nur auf dem Programm und dem Geburrsjahrgang nach in der Mitte. Paul Anger er zeigte in seinem op. 51 „Musik für Streichinstrumente“ eine erfreuliche Entwicklung und Vertiefung: größere Plastik, weiträumigere Gestaltung und, zuweilen, sogar Klangsinn, der einigen seiner früheren Werke in erstaunlichem Maße fehlte. Im Streichorchester scheint er die ihm vorläufig gemäßeste Ausdrucksform gefunden zu haben. Karl Schiskes „Konzert für Streichorchester“ op. 14 wandelt in geistvoller Weise die Concerto-grosso-Form ab, ist stilistisch von erfreulicher Eindeutigkeit und Geschlossenheit und stellt ein kleines kontrapunktisches Meisterwerk dar. Heillers Toccata .für zwei Klaviere zündete wie immer. Das ist kein Fehler, sondern ein Vorteil, zumal es sich um ein so gehaltvolles We'kchen handelt. Alfred Uhls Sonatine für Klavier fesselt durch ihr zartes und durchsichtiges Linienspiel. Es ist eines jener konv primierten Werke, das man sofort gern ein zweitesmal hören möchte. Armin Kaufmanns „Musik für Horn und Streichorchester“ op. 5 hat drei nicht ganz homogene Sätze und gefällt durch ihre musikantische Haltung (Solist: Professor Franz Koch). Das Hornmotiv des zweiten Satzes erinnert — ähnlicher Ausdruck gleichen Schmerzes — an den Trompetenruf, der Schmidts IV. Symphonie eröffnet und beschließt. Theodor Bergers „Rondino giocoso“ ist ein Stück wirklich erfreulicher, kultivierter Divertimento-Musik. Es war erfreulich, nach den etwas problematischen Werken unserer Jüngsten zum Schluß auch diesen Ton hören zu dürfen; wir wollen ihn künftig gern begrüßen, wo wir ihm begegnen. Das disziplinierte Kammerorchester unter Franz Litschauer und Anton Heiller hatte sich mit schönem Eifer und gutem Erfolg für die neuen Werke eingesetzt.

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