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Parole: „Erlebnis“ und „Bekenntnis“

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In einer nachrevolutionären Zeit haben s politisch gebundene Herausgeber von Gedichtanthologien nicht leicht. Welcher Grundsatz bleibt zur Beurteilung von Gedichten übrig, wenn die weltanschauliche Bestimmung ausfällt? Das reine Maß des Gedichts? — Das beinahe gleichzeitige Erscheinen zweier Anthologien junger österreichischer Autoren — „Tür an Tür“ im Bergland-Verlag, Wien, und „Weg und Bekenntnis“ im Verlag Stiaßny, Graz — gibt zu dieser Frage Anlaß.

In den Vorworten der beiden Sammlungen stehen richtungweisende Sätze. Auf der einen Seite, man darf sie getrost die linke nennen, ist das Programm mit dem Wort „Erlebnis“ umrissen, auf der anderen, der es ebenso schwerfallen würde, abzuleugnen, daß sie die rechte ist, heißt es „Bekenntnis“. Folgerichtig gibt es hier ein bißchen mehr sogenannte soziale Tendenz, wie etwa die Verse über eine Arbeiterfrau, die kein Dienstmädchen hat („... sie muß die schwere Tasche selbst nach Hause tragen ...“), und dort mehr historisch gefärbte Erbaulichkeiten, die leider oft ihren Vorwurf verfehlen, wie zum Beispiel das leise Bröckeln des Geheimnisses eines alten Turmes („ ... Totgesagtes klingt ins Ahnen ...“).

Unter der Parole „Erlebnis“ sind 32, unter der Parole „Bekenntnis“ 20 Autoren versammelt. Zusammen ergibt das jedoch — nicht überraschenderweise i&5 keine 52 Köpfe, sondern nur 43. Denn neun von der Gesamtzahl sind in beiden Bänden vertreten, und es sind selbstverständlich alte Bekannte aus der Schar von Begabungen der österreichischen Nachkriegsliteratur. Von ihnen sind die bewährten Christine L a v a n t, Franz Kießling, Wieland Schmied, Gerhard F r i t s c h und Herbert Zand zu nennen. Wie gesagt, es wundert einen nicht, sie auf beiden Seiten anzutreffen, denn welcher Dichter verfügte nicht — außer über formales Können — auch über Erlebnisse, und welcher vermöchte schon des Bekenntnisses entraten? Freilich findet man einen von ihnen auf der linken Seite mit einer Absage an religiöse Konventionen, und auf der rechten Seite mit einer Zusage an diese vertreten — die Produkte lebensmäßiger Ambivalenz programmatisch durch die Herausgeber entschieden! —, doch die übrigen Arbeiten wären ohne weiteres vertauschbar. Anderseits gibt es links einen Michael Guttenbrun-n e r und rechts eine Christine B u s t a, und weshalb diese nur auf jener und jener nur auf dieser Seite

zu finden ist, bleibt ein Rätsel. (Ebenso zum Beispiel auch Herta Staub oder Friedrich Bergammer.) Mag auch der eine vielleicht ein bißchen mehr vom Erlebnis ausgehen und die andere vom Bekenntnis — schließlich „knistert das Stroh“ auch hier, wogegen es dort etwa heißt: „Die Blätter raschelten leise“, und auch dort „ ... schwebst du leer und leicht, in Ewigkeit“, dagegen hier „... fühlst du entäußert zum Nichts dein Sein in göttlicher Helle“. — Un-vertauschbar bleiben allein die anfangs erwähnten, etwas programmatisch klingenden Geleitworte der beiden Herausgeber Rudolf F e 1 m a y e r und Hans M. L o e w. Sehen wir die Gedichte an, erkennen wir, wie nah die so verschiedenen Standpunkte einander sind. Danken wir den umsichtigen Herausgebern also für die beiden schöben, verdienstvollen Sammlungen und lassen die „Parolen“ getrost beiseite.

Get räumte Welt. Von Ernst von Dombrowski.

Vierzig ausgewählte Holzschnitte. Engelhorn-Verlag Adolf Spemann, Leinfelden bei Stuttgart. 86 Seiten.

Ueber das Schaffen des ebenso bedeutenden wie fruchtbaren Holzschnittmeisters Ernst von Dombrowski gibt es bereits eine reiche Literatur, aus der vor allem Hans Riehls tiefschürfende Monographie zu nennen ist. Inzwischen wächst das Werk des unermüdlichen und einfallsreichen Künstlers immer mehr und mehr an, so daß es bereits heute schwer zu überblicken ist. Zumal es auch noch verstreut ist, da Dombrowski nicht nur seine persönlichen Inspirationen — unnachahmlich — in den Schnitt übersetzt, sondern auch die Illustrationen zu vielen Büchern der Weltliteratur besorgt. Exzerpte hieraus sind daher sehr zu begrüßen, und man wird dem Engelhorn-Verlag gewiß Dank wissen dafür, daß er sich entschloß, dem Beispiel anderer Verlagsanstalten zu folgen und eine Anthologie Dombrowskischer Holzschnitte — das Wort darf angesichts des entzückenden Bändchens und seines wertvollen Inhalts schon gebraucht werden — herauszugeben. Wir wissen, was wir von den Schnitten des Künstlers nach eigener thematischer Erfindung zu halten haben, das größte Verdienst aber, glauben wir, erwirbt sich Dombrowski damit, daß er die llustration zum Kunstwerk macht. Das ist keine Wald- und Wiesen-bebilderung, das ist ernste und auch restlos ge-

BUCH HANDLUNG TYROLIA Wien I, Stephanspiafi S. R 27 4 1

glückte Bemühung, fremdem Stoff das einzig richtige Gesicht zu geben. Dieser Künstler läßt sich willig vom Wort des Dichters ergreifen und scheut sich nicht, seine Demut davor offen zu bekunden. Es ist daher ein großes Vergnügen, in dieser von ihm und von anderen „Geträumten Welt“ zu wandeln, wobei das Herz zuweilen mit schwermütig-süßer Fracht beladen, zugleich aber von den milden Strahlen eines sonnigen Humors erwärmt wird. Vor der Virtuosität des Schnitts und Stichs werden sich alle Messer und Grabstichel senken.

Das bunte Buch. Geschichten, Märchen und Sagen für die Jugend, gesammelt von Josef D o-m a n y. Oesterreichischer Jugendverlag, Wien 1956. 280 Seiten mit zahlreichen farbigen Illustrationen.

Wir haben in der „Wunderwelt“ eine gedanklich und erzieherisch wertvolle, in ihrem künstlerischen Kleid anspruchsvolle österreichische Kinderzeitung. Es war zu erwarten, daß sich aus dem bisweilen richtig literarischen, zeitnahen Erzählungsgut, das über die Hefte vieler Jahre verstreut liegt, einmal das Schönste sammeln ließe, zumal die gebundenen Jahresbände schon öfters imposante Uebersichten ergeben hatten. Da. der Prachtband nun vorliegt, ist man überrascht von der hinreißenden Ausstattung und der Gediegenheit seines Inhalts, Die Ueber-legenheit gegenüber wahllos gebotenem altem Märchengut ist handgreiflich: ,es sind eben echte, rechte Geschichten für Kinder und Kinder unserer Zeit, ohne die logischen Sprünge, zonalen Fremdfarben und Grausamkeiten, die sowohl die orientalischen wie die abendländischen Märchen für Kinder so häufig ungeeignet machen. Ihre Verfasserinnen (Margarete Heider, Romana Mikulaschek, Elfriede Vavrovsky, Liane Keller, Anni Gwehenberger, Hansi Efler, Maria Schuller, Inge Maria Grimm, Ilse Schaller u. a.) ebenso wie die Zeichnernmen (Rosl Warzilek, Luzia Adelsberger, Teja Aicher, Ingeborg Gunwald, Lisbeth Hölzl, Felicitas Kuhn und Hedwig zum Tobel) haben viel Liebe auf das Werk verwendet, es wird aber auch auf dem österreichischen Weihnachtsbüchermarkt Aufsehen machen.

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