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Der 17-jährige Nick McDonell erzählt von der sozialen Verwahrlosung seiner Altersgenossen.

Die Neuentdeckungen des Literaturbetriebs werden immer jünger. In Frankreich wurde kürzlich der Roman einer 14-Jährigen präsentiert und Nick McDonell war gerade einmal 17, als die amerikanische Presse berechtigt seinen Erstling "Zwölf" mit begeisterten Rezensionen lobte. In klarer, einfacher Sprache schildert McDonell die Welt reicher Jugendlicher in New York, die vor allem mit einem Problem zu kämpfen haben: mit der Langeweile. Und dann noch um die Anerkennung in einer Schicki-Micki-Teenager-Gesellschaft, in der außer Schönheit und Parties wenig zählt. Die Eltern kümmern sich statt um ihre Kinder allenfalls um deren Schulnoten oder Collegebewerbungen. Die Kids gehen auf Privatschulen und warten, dass die Tage zwischen Weihnachten und Silvester vergehen. "Es gibt nichts zu tun", ist einer der häufigsten Sätze im Roman. Zumindest bis endlich die große Party zu Silvester steigt. Das Fest der Feste, für das man sich schon lange im Voraus das richtige Outfit überlegt. Und die passenden Drogen einkauft.

White Mike, den wir durch die nasskalten Wintertage eines ereignisreichen und doch eintönigen Großstadtlebens begleiten, tangiert das alles nur teilweise. Er raucht nicht und trinkt nicht. Er ist auch nicht scharf auf Parties. Höchstens auf das Geld, das er damit verdient, seinen Altersgenossen das bewusstseinsveränderndes Kraut oder Pulver zu verkaufen. Er dealt ziemlich professionell, distanziert und gleichgültig. Was gehen ihn die reichen Spinner an samt ihrem missratenem Nachwuchs. Die Stäbe des goldenen Käfigs sind brüchig geworden, die Küken einigermaßen flügge und gierig nach Abenteuern welcher Art auch immer. White Mike hilft ihnen dabei, sie zu "verwirklichen". Das einzige, was ihm Kopfzerbrechen bereitet, ist die neue Modedroge "Zwölf". Die fällt eigentlich gar nicht in sein Gebiet. Aber natürlich kann er alles besorgen, was die Kunden wünschen. Man hat schließlich einen Ruf zu verlieren und die Konkurrenz schläft nicht. Dabei ist eigentlich schade um das eine oder andere Mädchen. Manche wären eigentlich ganz hübsch. Und vielleicht nicht einmal blöd.

Scheinbar eiskalt und unbeteiligt schildert Nick McDonell, wie eine ganze Gesellschaft junger Leute zielstrebig auf ihr Unglück zusteuert, indem sie ihr Glück in Realitätsflucht oder Gewalt sucht. Wie ein Pathologe mit dem Seziermesser in der Hand legt er Schicht um Schicht der Ereignisse frei, dekonstruiert Charaktere auf der Suche nach sich selbst, Mitläufer, Opfer und Täter - die Rollen sind austauschbar. So wachsen "American Psychos" auf und ein Autor vom Kaliber eines Bret Easton Ellis heran.

Scheinbar emotionslos erzählt Nick McDonell, wie sich die Schlinge um den Hals der Protagonisten immer enger zusammen zieht, wie aus High-Schülern Amokläufer werden und aus kleinen Mädchen Junkies. Anklagen entfallen zugunsten literarischer Qualität. Von diesem Talent werden wir wohl noch hören.

ZWÖLF

Roman von Nick McDonell

Aus d. Amerik. von Thomas Gunkel

Kiepenheuer&Witsch, Köln 2003

231 Seiten, kart., e 8,20

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