Patchwork aus Sprachbildern

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"Kunst in Kontakt": Ein Dossier unter diesem Titel Mitte Juli (Nr. 29/08) bildete den Auftakt zur gleichnamigen Furche-Serie über Kunst aus Mittelosteuropa, die wir in dieser Ausgabe mit einem Porträt des in Zagreb lebenden Künstlers Mladen Stilinovic fortsetzen.

Beim Fleckerlteppich werden Stoffreste zu einem neuen Ganzen zusammengefügt. Was sonst keine Verwendung mehr finden würde, weil sich nicht einmal mehr ein Puppenhemd aus dem kleinen Fetzen schneidern ließe, wird nobilitiert und erhält wieder einen Gebrauchswert. Es gibt den Fleckerlteppich für die Armen, die aus der Not eine Tugend machen, und es gibt den Fleckerlteppich für die Reichen, die sich rustikalem Schick hingeben, um zumindest eine aufgesetzte Mangelerfahrung ihr Eigen nennen zu können. Immer wieder machen sich zeitgenössische Installationen und Konzeptkunstwerke diese Variationsbreite des Fleckerlteppichs als konkrete Form zunutze. Mladen Stilinovic erweist sich als ein wahrer Meister dieser Strategie.

Lauter kleine Revolutionen

Geboren wurde Stilinovic in Belgrad in jenem Jahr 1947, als die kommunistische Partei mit der Gründung des Informationsbüros eine allumfassende Durchsetzung ihrer Ideologie herbeiführen wollte. An Stilinovic dürfte sie mächtig gescheitert sein. Nicht, dass er sich nicht für diese Ideologie interessierte, ganz im Gegenteil, in seiner künstlerischen Arbeit unterzog er sie einer genauen Analyse. In den unterschiedlichsten Medien griff er auf ihre Stereotypen, Symbole, Mythen und Rituale zurück, um sie mit Witz und Ironie, aber mit aller Ernsthaftigkeit eines künstlerischen Standpunktes zu unterlaufen.

Von 1975 bis 1980 bespielte Stilinovic mit seinen Kollegen von der "Gruppe der sechs Künstler" Freiluftorte mit Ausstellungen, die maximal einen Tag lang dauerten und mit dem Stilmittel der andauernden Belästigung lauter kleine Revolutionen nach Guerillataktik inszenierten. Bereits in den sechziger Jahren hatte Josip Vaništa sich darauf beschränkt, seine Malereien ausschließlich in einer wörtlichen Beschreibung existieren zu lassen. Stilinovic klinkt sich in diese Aufwertung der Sprache beziehungsweise der Schrift als Bildelement ein, wobei die Sprache als Machtinstrument sein Interesse weckt. Wenn er nun seine kleinformatigen "Sprachbilder" wie einen Fleckerlteppich zu wandgreifenden Großobjekten zusammenfasst - die Arbeit "Red-Pink" besteht aus 90 Einzelarbeiten -, dann durchwandert er die Spannung arm-reich wie in einer Achterbahn. Denn auch im Westen gab es Kunstschaffende, die sich "armer" Materialien angenommen haben, wie etwa die "arte povera". Was hier aber eine Aufwertung von Müll zu einem Kunstwerk bewirkte, hat in den "armen" Materialien in der Kunst von Stilinovic einen konkreten Sitz im Leben: Aus einer Mangelwirtschaft mit überbordender ideologischer Rhetorik entsteht ein Kunstsystem voller Neubewertungen. "Die Arbeit ist eine Seuche. - Karl Marx" als bewusst falsches Zitat leitet aber auch den Angriff auf den westlichen Weg ein. In seiner Erklärung "Lob der Faulheit" spricht Stilinovic dem Westen die Möglichkeit zu zeitgenössischem Kunstschaffen ab, weil die "Künstler im Westen nicht faul" sind. Faulheit gehört nicht nur erkannt, sie muss auch praktiziert und perfektioniert werden; fehlt dies, gibt es keine Künstler mehr, allenfalls Produzenten von irgendwelchen Dingen.

Geld & Nullen

Bei der letzten documenta war Stilinovic mit der Installation "Die Ausbeutung der Toten" vertreten. Zwei steril-weiße Baucontainer wurden von ihm mit einer Vielzahl kleiner Schrift-Bilder und Objekte drapiert. Umrahmt von einem Foto von Malewitsch auf dem Sterbebett und leeren Trauertafeln illustriert Stilinovic die Ausbeutung der russischen Avantgarde durch den Sozialistischen Realismus anhand typischer Motive, wie Arbeiterbrigaden, Massensportveranstaltungen oder Parteiversammlungen. Das "westliche System" führt Stilinovic einer eigenen Wiederverwertung zu, wenn in seiner Arbeit "Über Geld und Nullen" Geldscheine wie bloßes Papier behandelt werden. Vorläufiger Höhepunkt: sein Versuch "Subtracting of Zeroes", bei dem zwar jedem Land sein eigenes Gesetz zugebilligt wird, andererseits aber auch unmissverständlich erklärt wird: Die harten Fälle machen schlechte Gesetze.

Mladen Stilinovic

17. September bis 2. November

Galerie im Taxispalais

Maria-Theresienstraße 45, 6020 Innsbruck

Di-So 11-18, Do 11-20

www.galerieimtaxispalais.at

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