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PAUL WILHELM WENGER / PUBLIZIST, POLEMIKER, POLITIKER

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Der deutsche Publizist Paul Wilhelm Wenger, zu dessen 50. Geburtstag am 15. luni der heute bedeutendste geistige Repräsentant der Salzburger katholischen Universitätsidee, der, gleich ihm, aus dem rheinischen Raum stammt, ein Porträt in der Form eines Briefes entwarf, gehört zu den von seinen Freunden und seinen noch zahlreicheren Gegnern in allen nur denkbaren politischen Lagern respektierten Wortführern in der Auseinandersetzung über Deutschlands Herkunft und Gegenwartsaufgabe. Seine Tätigkeit erschöpft sich nicht nur in der hauptberuflichen Aufgabe eines Bonner Redakteurs des „Rheinischen Merkur“. Er ist daneben ein unermüdlicher Publizist und Interpret seiner Gedanken in Schrift und Wort. In dieser Eigenschaft war er auch schon oft als Vortragender in Österreich zu Gast. Seine politischen Grundgedanken legte er vor einigen lah-ren in einem geschichtsphilosophi-schen Werk dar, das große Auseinandersetzungen erregte und den beziehungsreichen Titel trug: „Wer gewinnt Deutschland?“

Lieber Freund Wenger!

Mit Deinem Landsmann Friedrich Hölderlin rufe ich Dir zu Deinem 50. Geburt sag zu:

„Mutter der Redlichen! Svevia!

Du Stille! Dir jauchzen Äonen zu. Du erzogst Männer des Lichts ohne Zahl. Des Geschlechts Mund, das da kommt, huldige Dir.“

Ich entschuldige mich nicht für den Überschwang des Gefühls, das aus diesen Wersen spricht. Wärst Du ohne ihn der schwäbische Moralist auf höchster Ebene, als den wir Dich lieben? Was bestimmte Dich, Deine sichere Beamtenstelle aufzugeben und im freien Beruf des Publizisten einzutreten für Recht, Wahrheit, Sauberkeit im öffentlichen Leben? Was treibt Dich, gelegen, ungelegen, wie der Apostel Paulus sagt, den Zeitgenossen ihr durch die falsche Philosophie Deines ebenfalls schwäbischen Landsmannes Friedrich Hegel verzerrtes Geschichtsbild, das in der Glorifizierung des preußischen Staates mündete, vor Augen zu halten? Was läßt Dich, den Vorderösterreicher von der Mutter her, die unvergänglichen Werte des alten, echten Reiches dort suchen, wo sie in den Denkmälern, in der Musik, in den Menschen noch zu finden sind, wenn nicht die Verantwortung, die Du für die gegenwärtige Zeit zu haben glaubst? Aber lassen wir das Fragen und stellen wir fest: Längst hast Du Deinen umschriebenen, wenn auch umkämpften Platz unter den großen Publizisten und Polemikern der Zeit. Nicht ah wenn Du den Polemos liebtest. Du hast ihn in furchtbarster Gestalt als Soldat, als Oberleutnant und Bataillonsadjutant, im letzten Weltkrieg erfahren. Deshalb können die Nationalisten und Unbelehrbaren nicht an Dich heran.

Aber wichtiger noch als der zu Zeiten notwendige oder unabwendbare Kampf auf dem blutigen Schlachtfeld ist der Kampf um die rechten Ideen und Leitbilder, die das eigentliche Geschehen des eigenen Volkes und der Völker bestimmen. Deshalb bist Du aus innerster Überzeugung Föderalist, weil sowohl für das innerpolitische wie für das interpolitische Geschehen das foedus, der Bund, das naturgegebene und in der Heilsgeschichte von Gott sanktionierte politische Prinzip ist. Deshalb kämpfst Du selbst auf scheinbar verlorenem Posten für die Sache, die Dir heilig und geboten ist, wie im Falle der Selbständigkeit Badens. Kulturpolitisch denkst Du, namentlich in bezug auf die europäische Universität, in Regionen, die die Grenzen der Länder überspringen, aber von der genuinen Geschichte Europas um Europas willen gefordert werden. Eine einzige europäische Universität, die an einem Ort die Stars bei den Lehrern und die Elite bei den Schülern massiert, ist für Dich wie für mich undenkbar und von geringem Nutzen für Europa. Mit Dir bin ich einig, daß solche regionale europäische Universitäten in Salzburg, Bremen, Dijon, Turin, um nur einige Namen zu nennen, eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hätten. Du denkst auch hier weiter als andere, wie Du es immerfort im politischen Bereiche tust. Wie manche Deiner Gedanken sind heute schon, nach wenigen Jahren, Gemeingut mancher Politiker geworden. Ich erinnere nur an die Verständigung mit Frankreich und Polen. Wie bist Du, der Du so klar die weltgeschichtliche Stellung Polens erkennst, deshalb von engstirnigen Nationalisten und Chauvinisten geschmäht werden! Doch das alles ficht Dich nicht an, wenn es Dich zuweilen auch traurig macht. Die falschen Ideologien werden ja nicht von heute auf morgen überwunden. Die Menschen, die Dich angreifen, wissen ja nicht, wie Du den Frieden liebst, welche Güte des Herzens bei aller Kampfbereitschaft in Dir lebt, wieviel jungenhafter Humor Deine Freunde anstrahlt, die Deiner an Deinem Geburtstag allüberall in der Welt gedenken.

In diesem Jahr hat man, ich nehme an aus guten Gründen, nicht den Aachener Karlspreis verliehen. Ich wüßte nicht viele, die seiner so würdig wären wie Du. Es müssen ja nicht immer Politiker sein, die ihn erhalten. Wer hat, vielen unbekannt, für ein besseres Klima zwischen Deutschland und Österreich nach dem letzten Weltkrieg mehr getan als Du? Österreich hat Dich dafür mit dem Goldenen Ehrenzeichen ausgezeichnet. Du hast Deinen jüngsten Sohn Ulrich Michael Eugen genannt, Eugen nicht nach dem heiligen Papst Eugen, sondern nach dem großen Prinzen, dem das Reich und Österreich so viel verdanken. Salzburg ist Dir das gegebene Emporium für den Austausch kultureller und geistiger Güter im mitteleuropäischen Raum. Wenige haben so Entscheidendes über seine Aufgabe geschrieben wie Du in den letzten zehn Jahren aus Anlaß der jährlichen Hochschulwochen. Du siehst Europa in Aachen, in Wien und Salzburg, in Krakau, in Paris, am Bodensee und in Burgund. Du begeisterst Dich an der musica navalis Pratensis, die schon vor Mozart am Fest des heiligen Johannes Nepomuk auf der Moldau, einmal sogar vor Maria Theresia, <n den festlich geschmückten Barken erklang.

Wir sagen oft, wenn wir von Dir sprechen: Es ist gut, daß es ihn gibt. Möge es ihn noch lange geben in seinem ungebrochenen Kampfesmut, in seinem ehrlichen Eifer, in seinem unbestechlichen Urteil, mit seiner Vision in die Zukunft, den Zensor der Bundesrepublik Deutschland in dem staatspolitischen Sinn, wie ihn die große Zeit der res publica Romana gekannt hat. „Am Tage der Freundschaftsfeier“, um noch einmal Hölderlin zu zitieren, grüße ich Dich in herzlicher Freundschaft.

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