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Pax Romana

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Preis 19.80 DM.

Wohl ist das Geschichtsbewußtsein nicht eben die beherrschende Leidenschaft des Durchschnittsösterreichers; dennoch hat_ die Heimatkunde so viel erreicht, daß man ziemlich allgemein von den römischen Grundlagen Wiens weiß. Und doch hat auch diese Kenntnis noch ihre Lücken. Man findet noch die Behauptung: Österreichs Römerstädte wären bei der Völkerwanderung verlassen worden; Wien und Salzburg wären auf dem Boden von Vindobona und Juvavum erbaut worden, wie ein Villenbesitzer, ohne es zu wissen, über dem Grab eines Pfahlbauern wohnen mag. Mehr noch: der römische Kaisertitel Karls des Großen wird als eine literarische Reminiszenz kirchlicher Kreise, als eine Art Lesefrucht des Papstes aufgefaßt, als eine reine Antiquität, als ob sich Herr Lübke König in Germanien schreiben würde. Nein: als ob er sich Kaiser von China nennen wollte: denn Rom, das ist doch für Deutschland die Fremde! — Und dann denkt man an das denkwürdige Argument, womit die Juden des Rheinlands die nazistische Absicht beantworteten, diese orientalischen Eindringlinge aus Deutschland abzuschaffen, dem bodenständigen Volk das Vermögen der Fremdraesigen zu übergeben: — das Argument, hier wären ja doch aber die Juden vor den Deutschen dagewesen!

Da dankt man es herzlich dem Autor und dem Verlag, die uns ein einleuchtendes, ein überzeugendes, ein klares und wohlbebildertes Buch über das Fortleben Roms in Deutschland beschert haben. Irreführend ist höchstens nur der Buchtitel (und welches Teufelchen hat denn einen Umschlag graphisch so gestaltet, daß man das Buch umdrehen muß, um diesen Titel zu Ende lesen zu können?). Der Haupttitel entspricht einer gelegentlichen, burschikosen Ausdrucksweise, die geschmacklos ist, aber nicht weiter stört. Sie entspringt ja einer durchaus richtigen Methode: dem Bemühen, die Verhältnisse der Vergangenheit durch heutige Entsprechungen verständlich zu machen. (Ob Tesserarius „Ordonnanz“ heißt? Tessera ist die Zählmarke; dieser Unteroffizier dürfte eher etwas mit der Menage oder Ausgabe von Ausrüstungsgegenständen zu tun gehabt haben.) Freilich ist es schwer, den Inhalt des Buches zusammenzufassen. Zuviel des Interessanten ist hier gesammelt. Als Schema dient der „Plan einer römischen Reise durch Deutschland“ entlang dem Limes und dem Rhein. Da lernen wir die Römer, Militär und Zivil, in ihrem täglichen Leben kennen; da erfahren wir die aufregende Geschieht der Ausgrabungen. Bejammernswerte Fälle von Zerstörung römischer Altertümer sehen wir mit an — entschuldbar in früheren Zelten, unverzeihlich heute! (Ich weiß eine Stadt — Ich will sie nicht nennen, doch kennt sie jedermann —, da entfernte man römische Tempelmauern mit Preßluftbohrern, um etwas wie einen Wirtshauskeller anzulegen.) Doch sehen wir auch begeisterte Heimatforscher, einsichtige Regierungen, gewissenhafte Gelehrte an der Arbeit, um Deutschlands römisches Erbe zu erhalten und zu verwerten. Das alles ist spannend genug. Aber das Fesselnde, das Erhebliche an diesem Buch ist eben doch noch etwas anderes: der Nachweis der Kontinuität, der Fortdauer römischen Lebens.

Da leben Städte und Orte auf den Stätten keltischer und dann römischer Gemeinden; da sind römische Quellen, römische Wasserleitungen noch heute im Gebrauch. Da kommen Kranke noch heute zu denselben Heilbädern, in deren warmem Wasser schon die Römer badeten. Gerade die geheiligte Hauptstadt Altdeutschlands heißt ja nach dem römischen Aquae: Aachen, Aix-la-Chapelle. Und vorher war dieser Heilquell einem keltischen Gott heilig gewesen! — Da findet man in der sagenumwobenen Burg des Helden Siegfried in Xanten zu unserer Zeit neue, uniberührte Gräber von christlichen Märtyrern; und von solchen Heiligen — „sanetis“ — hat ja die Stadt im frühen Mittelalter ihren Namen bekommen. Da stehen noch heute Palastanlagen der Kaiserstadt Trier — Augusta Treverorum, hernach und nicht zu Unrecht Sitz eines Exkanzlers des Heiligen Römischen Reichs. Nicht zu Unrecht: denn hier greifen wir mit Händen, wie in jener Weihnachtsnacht von 800 dem bestehenden, dem fortdauernden Reich ein Kaiser gekoren wurde! Wohl nannten sich Deutschlands Fürsten Senatoren des Heiligen Römischen Reichs, wohl tagte ihr Senat nicht in der Curia zu Rom, sondern an deutschen Malstätten. Doch waren nicht germanische Fürsten schon in den Kaiserpfalzen zu Mailand und Trier und Rabenstadt zu R'ate gesessen? Nein: hier wird nicht Fremdes, hier wird Vätererbe ausgegraben.

Und wenn man auf der Tradition weiterbauen wollte, dann hätte man wohl die Kaiserstadt Trier für die Tagsatzungen Europas wählen mögen. Auch Argentoratum ist freilich ebenso römisch wie germanisch; aber Hauptstadt Europas ist Trier gewesen! Doch solchen Gedanken geht man heute in praktischer Politik nicht nach. Nur der Förster weiß es: die Zweige des Baums reichen nur so weit, als auch die Wurzeln reichen...

Die Besprechung des erwünschten, lehrreichen Buchs wollen wir auch mit einem Wunsch beschließen: Möge auch Vindobona ein ähnliches Werk bekommen... und möge auch die X. Legion ihren Eichthal finden!

TRIUMPH DER IDEE. Von Hans Hart mann. Union-Verlag Stuttgart. 242 Seiten.

Immer wieder haben die Menschen versucht, die Welt als Ganzes objektiv zu erfassen und zu verstehen, sie in ihrer räumlichen wie zeitlichen Vielfalt auseinanderzugliedern, um Ordnung und Sinn in ihr zu suchen. Das Resultat war sehr verschieden, je nach der Weltanschauung unter die man dieses Unterfangen stellte, aber freilich auch je nach dem Weltbild, das den Rahmen dieses Suchens abgab. Das Weltbild war im 19. Jahrhundert ein völlig anderes als es heute ist. Die schöpferischen Ideen haben es innerhalb von sechzig Jahren entscheidender verändert als es die Jahrtausende vermochten. (Man denke an etwas Simples: Von König Salomon bis Goethe war das Pferd das schnellste Verkehrsmittel!) Die drei unser Weltbild verändernden Großen waren Söhne des 19. Jahrhunderts gewesen: Marx, Freud und Einstein. Ihre Wirkung ist heute stärker als sie es zur Zeit ihrer Erkenntnisse war. Dieses Buch befaßt sich indes mit den großen Naturwissenschaftlern, schließt also nur den letzten der drei mit ein. Es gibt uns Antwort auf die Fragen, wer die großen Forscher waren, die das Atom freimachten, die Strahlen entdeckten, dem Rundfunk den Weg bereiteten, an den Schranken von Raum und Zeit rührten. Chronologisch gereiht sind es hier: Hertz, Röntgen, von Laue, Planck, Pierre und Marie Curie, Rutherford, Bohr, Hahn und Lise Meitner, Heisenberg und de Broglie. Wir werden mit ihrem Werdegang vertraut gemacht, aber auch mit ihrem Fleiß, ohne den sie weder so weit vorgestoßen wären noch die Erkenntnisse begrifflich hätten bändigen können. Der Vorzug des Buches ist, daß der Weg zu diesen Schöpfern des neuen Weltbildes, wie zu den erkannten Problemen, verständlich dargestellt wird. Noch eines reicht dem Verfasser zur Ehre. Das letzte Kapitel heißt „... und viele andere“. Hier werden jene erwähnt, die entscheidend mitschufen, aber aus Platzmangel nicht mehr Aufnahme fanden. Der Österreicher findet seine beiden berühmten Landsleute Pauli und Schrödinger darunter.

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