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PFINGSTKIRCHE?

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Die Einheit der Kirche sollte nach dem Willen Christi ein weithin sichtbares Zeichen ihrer Glaubwürdigkeit sein. Als die Kirche beim ersten Pfingstfest öffentlich in Erscheinung trat, sicherte das machtvolle Wirken des Heiligen Geistes diese Einheit. Die ersten Seiten der Apostelgeschichte spiegeln eindrucksvoll die Einmütigkeit in Lehre, Leben und Gottesdienst der ersten Christen wider.

Seither war die Einheit verpflichtender Auftrag der Kirche und, seit sie Verlorenging, immer wieder das ersehnte Ziel, würdig, daß daran die Besten all ihre Kraft setzten.

Mit der äußeren Einheit der gesamten Christenheit soll aber auch die innere Einheit der Kirche Hand in Hand gehen. Sie ist die Einheit von Haupt und Gliedern, von Christus und Seiner Jüngerschaft, von kirchlicher Leitung und den Gläubigen. Das Wachstum der Rebzweige hängt an der Verbundenheit mit dem Weinstock, das Leben der Glieder an der Verbundenheit mit dem Haupt. Was Christus mit Seinem Gleichnis ausdrücken wollte, hat Paulus in seiner Darstellung der Kirche wiederholt aufgegriffen und fortgeführt. Ihrer inneren Struktur nach ist die Kirche wohl reich gegliedert, aber eine so innige Einheit, daß das Haupt ohne Glieder, die Leitung ohne Gläubige nicht bestehen können, sondern nur im gemeinsamen Wirken die Aufgabe der Kirche erfüllt werden kann.

Das hat Konsequenzen. Es ist widersinnig, daß der Christ von der Kirche etwa so spricht, als wäre sie ein Gegenüber. Er kann sich nicht ausklammern wie ein Konzerthörer vom Orchester, denn jeder Christ ist Mitspieler Christi und hat innerhalb der Einheit der Kirche seinen unverzichtbaren Platz; tut er nicht mit, dann geht sein Beitrag ab; distanziert er sich eigenwillig, dann bringt er einen Mißton ins ganze Gefüge.

Seit der Taufe gehören wir zur Familie Gottes so sehr, daß auch tausend Austrittserklärungen an der Tatsache nichts ändern, daß wir Brüder und Schwestern Christi sind und bleiben. Wir sind mit dem Schicksal der Kirche auf Gedeih und Verderben verbunden, ja wir selbst bestimmen das Schicksal der Kirche mit. Denn alles Gute, das von uns ausgeht, wirkt zufolge der inneren Einheit auf den gesamten Organismus zurück, wie auch jede Untat das Wohl der Kirche beeinträchtigt.

Die Nachwirkungen eines einseitigen Kirchenbegriffes, wie er in den letzten Jahrhunderten das Denken vordergründig beherrschte, haben wir noch nicht völlig abgestreift. Gewiß ist die Unterscheidung von lehrender und hörender Kirche richtig, deren Simplifizierung und Urr.-deutung zur „aktiven und passiven Gliedschaft“ war aber falsch. Noch heute stößt man wiederholt auf die Meinung, daß die ausschließliche Initiative bei der Hierarchie, beim Klerus liege, das gläubige Volk lediglich die Zuschauerrolle habe. Seit einigen Jahrzehnten, insbesondere seit dem Rundschreiben Pius' Xll. über den mystischen Leib Christi beginnt nun wieder die Kirche in ihrer Einheit erkannt zu werden, wonach alle Glieder am Aufbau des Leibes Christi und am Wachstum Seines Reiches beteiligt sind, nur daß die Gewichte verschieden verteilt sind je nach den Ämtern und Gnadengaben, die den einzelnen Gliedern zukommen. Liegen auch die Vollmachten des Herrn in den Händen derer, denen sie Christus zum Heil aller anvertraute, so sind dennoch die Dienstleistungen aller Gläubigen für das Gedeihen der kirchlichen Gemeinden ebenso notwendig.

Das ist von entscheidender Bedeutung für die wesentlichen Aufgaben der Kirche. Ihr ist das Werk Christi zur Fortführung bis zum Tag der endgültigen Ernte übergeben. Sie hat also die Menschen über Gott, über den Sinn des Daseins, über den rechten Weg zum Heil zu belehren. Sie hat den Schatz göttlicher Güter, der dem Erlösungsopfer entstammt, zu hüten und zu verteilen. Sie hat zur inneren Einheit mit dem. Haupt, Christus, hinzulenken, daß Mensch und Gott einander beglückend und beseligend begegnen, Gottes Heiliger Geist in der Seele des Gläubigen wohne und in Liebe festgehalten werde. Sie soll auf Grund der Bruderschaft im

Herrn den brüderlichen Dienst der Gläubigen untereinander, aber auch in der gesamten Umwelt fördern.

All dies obliegt der Kirche als Gesamtheit, nicht bloß den Hierarchen und Priestern, sondern auch den übrigen Gliedern in Einheit mit Jesus Christus. Zunächst künden wohl die bevollmächtigten Boten den Unwissenden und Unmündigen im Glauben die Heilsbotschaft. Dann aber können diese unmöglich schweigen und die Botschaft für sich bewahren, sobald sie selbst Wissende und im Glauben mündig wurden. Bereiten auch die Priester das Werk der Heiligung im Mysterium des Opfers und im Sakrament, so findet es erst in den Herzen der Gläubigen seine Vollendung, wenn sie es bereitwillig aufnehmen und mitten in der noch unerlösten Welt gegenwärtig halten. Die Nachfolge Christi geht nicht nur Klerus und Ordensleute an; der Aufruf zur Gefolgschaft ist an alle gerichtet, die Jünger Jesu, also Christen sein wollen.

Es gibt also eine echte Verantwortung aller gläubigen Christen. Wir sind alle gefragt, inwieweit unser Christensein ein Licht für die Welt ist und inwieweit wir bemüht sind, daß sich daran neues Licht entzünden könne.

Noch stehen viele unverständig beiseite und meinen, daß es auf sie nicht ankomme, ja daß ihnen ein aktives Zugreifen gar nicht zukomme. Zwar läßt man die Kirche als göttliche Heilsanstalt gelten, aber doch mehr als Sanatorium, in dem man eher die Pflege der Ärzte und Hilfskräfte sucht. Auch die gesunden Christen geben sich lieber als „Patienten“, als daß sie selbst einsthaft zugreifen wollten, um überall, wo in der menschlichen Gesellschaft etwas krank ist, nach Kräften den Heilungsprozeß zu fördern.

Um diese Erkenntnisse im christlichen Volk bekannter und diesem seine Verantwortung im Rahmen der Kirche bewußter zu machen, aber auch um die Aktivität der Laien stärker zu beleben, sucht die Kirche von Seckau all diese Gedanken mit einer Synode zu verbinden. Die verantwortungsvolle Mitarbeit der Laien wird ja heute zum entscheidenden Angelpunkt der Weltwirksamkeit unserer Kirche. Darum hat die Synode auch das Thema gewählt: „Der Laie in der Kirche.“

Zweifellos wurde besonders seit Pius XI. schon viel fruchtbare Arbeit auf diesem Gebiet geleistet. Ihr im ganzen Volk und teilweise auch im Klerus zum Durchbruch zu verhelfen, das sollte eine Frucht des Heiligen Geistes bei der bevorstehenden Synode werden, die über unsere Diözese hinaus für ganz Österreich beispielgebende Bedeutung erlangen kann.

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