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Phantasie und Politik
Es begann vor kurzem im Gaza-etreifen. Um nämlich den Einwohnern der Stadt Gaza und Umgebung nicht das Gefühl der völligen Abgeschlossenheit zu geben, wurde dieses Gebiet für den Verkehr geöffnet. Tausende Israelis pilgerten in die „neue Stadt“, um sie zu besichtigen, und um eventuell billige Souvenirs zu erstehen,. Allen voran dlie Jugend aus den Kihbuzim, den Koilektlv-siedlungen der Umgebung. Mädchen und Burschen, 17- bis 18jährig, in ganz kurzen Hosen, wie es in Israel üblich ist, wanderten durch die armseligen Gassen der Stadt. Tausende und Abertausende junge beschäftigungslose Araber standen herum, um ihre Augen an den langen Beinen der israelischen Schönheiten zu Weiden. In Gaza seihst sieht man kaum eine Frau auf den Straßen. Wenn sich eine arabische Frau dort auf die Straße wagt, so ist sie zumeist verschleiert, oder es ist eine unansehnliche Beduinin aus der Umgebung, die von Kopf bis Fuß in dunkle Gewänder gehüllt ist.
Hunderte von Hausierern boten ihre Waren feil: billiges Gerumpel, aus Rotchina geschmuggelt, Imitationen von Parker-Füllfedern, Spielautos und ähnliche Waren westlicher Produktion, Tonkrüge, in Gaza hergestellt, sowie arabisches Hausgebäck. Die israelischen Touristen konnten sich kaum des Hausierer-S'chwarms erwehren. In den Hauptstraßen und Gassen der Stadt war das Gedränge am größten, und manch ein junger Mann, der solche Frauen bisher nur im Kino gesehen hatte, wollte die Gelegenheit nicht verpassen, so etwas mit eigenen Händen zu betasten. Wie immer bei solchen Gelegenheiten, zog ein derartiger Entschluß heftige Schlägereien nach Sich. Die Gemüter waren erhitzt, die jugendlichen Begleiter der Mädchen fühlten sich als Ritter und verteidigten dlie Ehre ihrer Damen. Militär schritt ein, und einige Dutzend junger Männer wurden festgenommen.
Und nun begannen die Gerüchte.
„Die Israelis, haben unsere jungen Männer festgenommen und bestialisch ermordet“; „sie wurden zu Tode gemartert“; ,ynoCh vor ihrem Tode riefen sie: Es 'lebe der große Nasser.“
Es bildete sich eine Gruppe von zehn jungen Männern und forderte alle Ladenbesitzer auf, sofort ihre Läden zu schließen. „Wenn das Blut unserer Brüder auf die Straßen von Gaza fließt, dürft ihr nicht Geschäfte machen“, -sagten sie mit vollem Ernst. Angsterfüllt schlössen die Händler Gazas ihre Läden.
Erst nachdem sich die Notabein von Gaza davon überzeugen konnten, daß kein „Blut floß“ und daß alle, auch die verhafteten jungen Leute, ganz heil waren, beruhigten sich die Gemüter wieder, und die Läden öffneten sich. Denn schließlich Wird auch im Orient „Geschäft“ groß geschrieben.
Der Polizist und die Beduinen
„In einem Monat kommt König Hussein zurück.“ „König Hussein führt Geheinwerhandiungen mit Hilfe der Engländer. Er kommt zurück und dann wird es allen Kollaboranten an den Kragen gehen.“
Diese Gerüchte gingen hartnäckig durch alle jordanischen Gebiete, die heute von Israel am Westjordanufer besetzt sind. Trotz aller Dementi von selten Israels schenkte man ihnen Glauben, und plötzlich hatten viele der Notabein Angst davor, mit Israel zusanrnienzuarbeiiten. Es ging so weit, daß viele schon glaubten, die Arabische Legion werde bereits morgen in allen Städten am Westjordanufer Wachtposten aufstellen. Man war überzeugt, daß Israel zwar militärisch viel stärker sei als Jordanien, doch glaubte man an einen politischen Handel. Viele versuchten sogar, ihr israelisches Geld mit hohen Verlusten gegen Devisen oder jordanische Dinar einzutauschen. Dabei ist zu betonen, daß nur wenige der palästinensischen Araber über die angebliche Rückkehr König Husseins glücklich waren. Ein palästinensischer Polizist, der früher bei der jordanischen Polizei gedient hatte und nun unter Israels Flagge dient, sagte mir: „Ich wurde von diesen Beduinen (ein Schiimpfwort für das jordanische Regime, da bekanntlich die ostjordanischen Beduinen königstreu sind und einen viel niedrigeren Lebensstandard als die westjordanischen Städter haben) als palästinensischer Araber immer benachteiligt und konnte nicht av am eieren. Wenn sie nun zurückkommen, werden sie uns Palästinenser sicher alle entlassen.“
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