Poetischer Pointillismus

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Verstreute Texte der Südtiroler Autorin Anita Pichler.

Im Gedicht "Flaches Land" heißt es: "Hier muß ich fliegen lernen / ein Maß finden / zwischen Himmel und Erde." Anita Pichler war eine Suchende, eine Reisende, eine Dichterin und Übersetzerin, die sich dem Festschreiben von Augenblicken verschrieben hat. In ihren Texten bewegt sie sich ganz selbstverständlich in einem Zwischenreich zwischen Vergangenheit und Gegenwart, realistischen und phantastischen Welten.

Prosa und Lyrik

Zehn Jahre sind seit dem Tod von Anita Pichler vergangen, die zu den wichtigsten literarischen Stimmen Südtirols zählte. Nach der Wiederauflage ihres ersten Buches "Die Zaunreiterin" unter dem ursprünglich von ihr vorgeschlagenen Titel "Haga Zussa" (2004) ist der nun vorliegende Band "Flatterlicht", der verstreute und unveröffentlichte Texte versammelt, das zweite Buch der verdienstvollen Neuauflage ihres Werkes im Folio Verlag. Die Bandbreite der abgedruckten Texte spiegelt den literarischen Kosmos Anita Pichlers wider, die Auswahl umfasst vor allem Prosa und Lyrik, wobei die Grenzen zwischen lyrischer Prosa und erzählendem Gedicht fließend sind.

In ihrem Essay "Schwere Schuhe, keine Namen", einer behutsamen Annäherung an Villgraten, in dem sie 1994 drei Wochen als "Dorfschreiberin" verbrachte, beschreibt sie ihren poetischen Standort: "Jedes Dorf ist ein spanisches Dorf, verbirgt hinter dem, was man von Dörfern weiß oder zu wissen glaubt, seine besonderen Gesetze, seine eigenen Geheimnisse."

Anita Pichler sucht in ihrem Schreiben die besonderen, die "heimlichen Gesetze" (so der Arbeitstitel für einen Erzählzyklus) zu ergründen, bleibt aber immer diskret ohne die Rätsel lösen und die dunkelsten Geheimnisse enthüllen zu wollen. Als wunderbare Übersetzerin weiß sie über die Probleme der Profession Bescheid. In einem kurzen Text erklärt eine Dolmetscherin ihr Geheimnis: "Ich zerlege jeden Satz in winzige Einheiten, übersetze und baue sie wieder zum Satz. Wie immer ich diesen Vorgang auch beschreibe, eines bleibt mir rätselhaft: je weniger ich vom Gesagten verstehe, desto besser wird meine Übersetzung."

Verborgene Struktur

Hubert Luger, der den Band herausgegeben und mit editorischen Anmerkungen versehen hat, charakterisiert in seinem Nachwort Anita Pichlers Schreiben sehr treffend als "poetischen Pointillismus", weil sie mit knappen Worten und kurzen Sätzen eine "verborgene Struktur, eine ungewöhnliche Konstellation" auf den Punkt bringt. Dafür gibt es in der vielfältigen Sammlung zahlreiche gelungene Beispiele. Man kann sich in die Welt der "Märchenerzählerin", die Geschichte einer alten Frau, die ihre Stimme verliert, entführen lassen oder über den Zaun die geheimnisvolle "Frau im Garten" beobachten. Gerne lässt man sich von den sinnlichen Texten Anita Pichlers verführen.

Zu meinen Lieblingsgeschichten zählen die hinreißenden Auftritte von "Blaubart" und "Olympia" und der Abschied von einem Lebensbegleiter unter dem Titel "Adieu Pierrot".

Flatterlicht

Verstreute und unveröffentlichte Texte von Anita Pichler. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Helmut Luger

Folio Verlag, Wien 2007

184 Seiten, geb., € 19,50

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