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Polit-Frauen mit Ansprüchen

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In der österreichischen Innenpolitik wird neuerdings die Frau als eine Bevölkerungsgruppe, deren Interessen zu vertreten politische Vorteile verspricht, wiederentdeckt. Den beiden Großparteien nahestehende Frauenvertreterinnen gründeten kürzlich den überparteilichen „österreichischen Frauenring“. Nun machte sich auch die „Aktion 20“ zum Sprachrohr für sozialpolitische Forderungen der Frauen.

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In der österreichischen Innenpolitik wird neuerdings die Frau als eine Bevölkerungsgruppe, deren Interessen zu vertreten politische Vorteile verspricht, wiederentdeckt. Den beiden Großparteien nahestehende Frauenvertreterinnen gründeten kürzlich den überparteilichen „österreichischen Frauenring“. Nun machte sich auch die „Aktion 20“ zum Sprachrohr für sozialpolitische Forderungen der Frauen.

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In Österreich ist ein höherer Prozentsatz der Frauen berufstätig als sonst irgendwo in Europa. Auch unter den verheirateten Österreicherinnen und unter den österreichischen Müttern ist der Prozentsatz der Berufstätigen europäische Spitze. Trotzdem wurde in Österreich bis

der große Wandlungs- und Aufholprozeß eben erst eingesetzt, allerdings mit bemerkenswerter Vehemenz. Der Vorwurf des „Links-Überholens“ wird dabei gelassen zur Kenntnis genommen: als Bestätigung dafür, daß man sich auf dem richtigen, wenn auch nicht rechten

vor recht kurzer Zeit soweit es, die berufstätige Frau betraf, ein immer mehr überholtes Gesellschaftsbild vertreten. Das oft und oft propagandistisch mißbrauchte Schlagwort vom „Schlüsselkind“ wird heute nur noch selten verwendet, auch die muntere Aufforderung „Heim zum Herd!“ ertönt kaum noch. Der Wahlkampf des Jahres 1970 könnte dazu führen, daß das Heimchen am Herd auch in seinen modernen, oder modern verbrämten, Spielarten als Leit- und Vorbild für die Großstädterin von der Bildfläche verschwindet. Seine Beziehung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit ist in den letzten* Jahren ohnehin immer dünner geworden und mittlerweile in der Stadt völlig abgerissen. Denn einerseits kann und will die moderne Wirtschaft und Industrie auf die Frauen als Arbeitskräfte — und zwar in großer Zahl — nicht mehr verzichten. Dazu kommt, daß jede arbeitende, das heißt Lohn oder Gehalt beziehende Frau auch die Kaufkraft ihrer Familie und damit die Absatzchancen, der Wirtschaft erhöht. Frauenarbeit ist demnach ein konjunkturbelebendes Element. Für die Großstädterin Ist oft auch das Kind kein alleiniger Lebensinhalt mehr, bestenfalls Sinn und Inhalt einer auf wenige Jahrzehnte beschränkten Lebensperiode. Auch unter den jungen Müttern wird die Zahl jener immer größer, die das Gefühl haben, das Kind oder die Kinder allein „füllen mich nicht aus“. Wozu sich noch die Überlegung gesellt, daß man schließlich heutzutage noch lange nicht altes Eisen ist, wenn die Kinder auf eigenen Beinen zu stehen beginnen und daß der „Nur-Mutter“ dann Vereinsamung droht. Reintegration in das Arbeitsleben ist aber in diesem Alter nicht mehr leicht. Immer häufiger wird es darum vorgezogen, die berufliche Desintegration von vornherein zu vermeiden. Es braucht in der ÖVP niemandem gesagt zu werden, daß diese Hinwendung zu den Problemen der Großstadtfrau nicht zu einer Vernachlässigung der so ganz anders gelagerten Schwierigkeiten und Anliegen der Landfrau führen darf. In der ÖVP hat auf diesem Gebiet

Weg befindet. Die „Aktion 20“ erklärt dazu, daß die erste Emanzipation den Frauen auch in Österreich theoretisch Gleichberechtigung und Zugang zu allen Berufen sowie aktives und passives Wahlrecht gebracht habe, der Zweite Weltkrieg und die Wirtschaftsentwicklung der Nachkriegszeit aber den Arbeitseinsatz der Frauen im größten Stü erzwungen haben.

Sozialer Nachholbedarf

Die Folge waren Sozialprobleme, die nicht gelöst wurden, ja, deren Lösung bisher kaum in Angriff genommen wurde.

Unter diesem Blickwinkel können die Forderungen der Frauen im Wahlkampf 70 gar nicht hoch genug angesetzt werden. Die reale Unterdrückung der Frau in unserer Gesellschaft müßte überhaupt erst einmal in ihrem ganzen Umfang ins Auge gefaßt werden. Der sozialpolitische Nachholbedarf der Frau ist heute kaum geringer als vor der ersten Emanzipation. So mögen die eine Besserstellung der Frau in unserer Gesellschaft anstrebenden Forderungen der Frauen in der ,^ktion 20“ auf den ersten Blick kühn, manchem utopisch erscheinen — (wenn man die innerbündische ÖVP-Konstellation kennt). Gefordert wird eine gesetzliche Verpflichtung aller Betriebe und Ämter, ein Viertel ihrer Arbeitsplätze zur Teilzeitbeschäftigung der Frauen zur Verfügung zu stellen; vielleicht sollte man den Prozentsatz der Teilzeit-Arbeitsplätze nicht zur Zahl sämtlicher, sondern nur der weiblichen Arbeitnehmer in Beziehung setzen. Gefordert wird ferner Anstellung von Familienhelferinnen in allen Gemeinden, abgestimmt auf deren Größe, Verpflichtung aller Bauherren, öffentlich geförderte Wohnprojekte durch Kindergarten- und Tagesräume für Jugendliche zu ergänzen, Aufenthalts- und Leseräume an Schulen sowie der Übergang zur Tagesschule im kommenden Jahrzehnt. Die alte Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeitsleistung“ steht (noch) nicht auf der Forderungsliste. Sie würde wohl auch auf allzu erheblichen Widerstand in der innerparteilichen Männerwelt stoßen.

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