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Poppea“ und „Marienleben

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Monteverdis „lncoronazione di Poppea“ in der musikalischen Neufassung Erich Kraacks, von Günther Bennert inszeniert und von Stefan Hlawa (Bühnenbild) und Erni Kniepert (Kostüme) ausgestattet, ist die Nobelaufführung der Wiener Staatsoper: ein großartiges. Wer k in'Vollkommen geglückter szenischer und musikalischer ^Realisierung, das z-u sehen man nicht versäumen sollte. Die Titelrolle spielt jetzt, nach Sena Jurinac, Irmgard Seefried. Sie singt die neue und schwierige Partie stellenweise (mit Recht) ein wenig vorsichtig, aber dafür immer vollkommen tonschön und rein. Manche ihrer Kostüme sind nicht so vorteilhaft wie ihre Haltung. Auch ist Frau Seefried ehereine lebenslustig-freundliche als eine dämonisch-böse Poppea. Das beeinträchtigt aber kaum den Gesamteindruck, zumal sie sich auf diese Weise gut von ihrer eher hoheitsvoll-passiven Gegenspielerin, der verlassenen Ottavia (Margarita Lilowa) unterscheidet. In Spiel und Kostümierung wirkt Gundula Janowitz als Drusilla ein wenig wie in diese tragische Aktion hereingeschneit. Die Leistungen der übrigen Hauptrollenträger haben wir anläßlich der Premiere bereits gewürdigt: den intensiv singenden und scharf charakterisierenden Gerard Stolze als Nerone, Otto Wiener als Ottone, Hilde Rössel-Majdan als Poppeas Dienerin und andere. Neu waren auch Walter Kreppel (Seneca) sowie die beiden Soldaten (Karl Friedrich und Karl Terkal). Die ganze Aufführung hat sich szenisch und darstellerisch gut gehalten und wird von Hans Swarowsky aufmerksam und mit Akuratesse musikalisch betreut. Vielleicht gibt man ihm eines Tages den Auftrag, eine deutsche Fassung herzustellen. Denn gerade bei so wenig bekannten Opern mit nicht ganz einfacher Handlung erweist sich die fremde Sprache als arges Handicap. Schon bei „Carmen“ oder „Faust“ (von Gounod), deren Libretto uns vertrauter ist, erscheint das Festhalten an der Originalsprache als arger Snobismus. Um wieviel mehr erst bei einem unbekannten oder wiederentdeckten Werk!

In memorim Paul Uindemhh saug Evelyn £e,-begleitet von Erik Werba,j den Zvkjus „Das Marienl.eben“.,tflreifach, ist die Problematik dieses Werkes. Zunächst sind die Texte von Rilke subtilstes Gedankengut, das spinnwebfein über den Versen liegt, die der Musik eher entgegenstehen als entgegenkommen. Sie haben ihre eigene Melodie, die halblaut gesprochen am deutlichsten erklingt. Die Gedichte sind von nachhaltigstem Eindruck; ein dazu gepaarter musikalischer Ausdruck ist daher nur als Kontrapunkt wirksam. Dann die Musik selbst: eine Komposition in zwei Fassungen, die 26 Jahre auseinanderliegen (und von denen wir der zweiten den unbedingten Vorzug geben). Wir hörten acht Gesänge in der früheren und sieben in der späteren Fassung, die klarer und ehrfürchtiger mit dem Stoff umgeht und sich stellenweise in der Tat der Rilkeschen Melodie nähert, während die erste ungestümer und unbekümmerter ist, und vor allem der geheimnisvollen Ruhe Rilkes entbehrt. Schließlich die Interpretation: hinter den formal strengen Versen steht wie der Goldgrund alter Bilder ein betendes Gemüt — was sich in der Musik wiederholt: sie darf also weder dramatisch noch allzu subjektiv gesungen und begleitet werden. Die Untertönung des Gemütes muß ohne Zeichen da sein. Dies ist den beiden Ausführenden im zweiten Teil wesentlich besser als im ersten gelungen, der wohl stimmlich und musikalisch auf der Höhe, der Komposition (und Dichtung) aber weniger adäquat gelang. Das dreifache Problem dieses Werkes wird vielleicht nie ganz zu lösen sein, doch kam hier die Interpretation dem Tdeal in erfreuliche Nähe.

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