Prediger der fünf Ringe

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Salesianerpater Bernhard Maier, Sportseelsorger bei den Olympischen Spielen, hat mit der Furche über Helden, Glücksrituale und Niederlagen gesprochen.

Wenn zwischen 27. Juli und 12. August die Olympischen Spiele stattfinden, wird er zum 16. Mal daran teilnehmen. Salesianerpater Bernahrd Maier ist Sportseelsorger der österreichischen Olympioniken und wird sie heuer nach London begleiten. Seit fast 30 Jahren ist er bei den Spielen tätig und somit der am längsten diendende Olympiapfarrer der Welt.

Vor seiner Abreise nach London hat ihn die Furche zum Interview getroffen.

Die Furche: Wie wird man Sportseelsorger bei den Olympischen Spielen?

Bernhard Maier: Als mein Vorgänger, Kaplan Pechtl, plötzlich verstorben ist, hat man einen Nachfolger gesucht und da ist man durch Zufall auf mich gekommen. 1982 hat man mich beauftragt und 1984 war ich dann in Sarajevo zum ersten Mal mit dabei.

Die Furche: Welche Fähigkeiten muss ein Sportseelsorger mitbringen?

Maier: Ein Sportseelsorger muss Freude am Sport haben. Das ist eine optimale Möglichkeit, um mit den Sportlern in Kontakt zu treten. Wenn das für ihn eine Plage oder ein Opfer wäre, wäre das sinnlos. Mich hat nicht nur die Seelsorge interessiert, sondern Menschen, die in einer sportlichen Ausnahmesituation sind. Die sich oft jahrelang professionell auf einen Auftritt vorbereiten. Interesse an Leib und Seele in gleicher Weise.

Die Furche: Wie baut man am besten den Kontakt zu den Sportlern auf?

Maier: Die Athleten kennen mein sportliches Interesse und irgendwann kommen wir dann auch auf die menschlichen Dinge zu sprechen. Ich habe leicht Zugang zur Mannschaft, weil ich auch ein Mannschaftsmitglied bin. Und ich werde vom olympischen Komitee mit eingekleidet, so unterscheide mich da nicht von den Sportlern.

Die Furche: Wie halten es die anderen Religionen mit der Sportseelsorge?

Maier: Alle Religionen teilen sich im olympischen Dorf ein Seelsorgezentrum, das je nach Nation unterschiedlich eingerichtet ist. Manchmal wie Kirchen - ein anderes Mal sind nur ein Bürosessel und ein leerer Tisch vorhanden. In China, Korea und den USA habe ich gestaunt, wie wunderschön und großzügig die religiösen Räume ausgestaltet waren. In anderen Ländern waren die Seelsorgezentren oft eher enttäuschend.

Die Furche: Wie gehen Sie mit dem Druck um, der auf den Sportlern lastet?

Maier: Indem ich nicht auch noch Druck mache. Ich empfinde es schon als Druckmachen, wenn man nur prognostizieren soll, mit wie vielen Medaillen man rechnet. Jede Medaille, die wir gewinnen, ist super, aber ein sechster oder achter Platz ist genauso toll und eine Weltspitzenleistung.

Die Furche: Wie kann man einem Sportler nach einer Niederlage oder nach einer Verletzung am besten beistehen?

Maier: Manchmal redet man, manchmal redet man nicht, manchmal lässt man reden - das ist eine Gefühlssache. Oft hält man nur die Hand, oft versucht man aufzubauen.

Die Furche: Der Gründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, Pierre de Coubertin, hat die Worte "höher, schneller, weiter“ zur Devise der Spiele gemacht. Hat sich dieses Motto in den letzten Jahren in eine zu extreme Richtung entwickelt?

Maier: Man kann unterscheiden zwischen einem optimalen und einem maximalen Erfolg. Das Optimum ist das Beste, das jeder aus sich herausholen kann. Das Maximum geht schon darüber hinaus. Aber maximale Leistung geht oft auf Kosten der Gesundheit und zum Schaden der Fairness. Vor allem seit der Entwicklung des Spitzensports zählt der Sieg alleine nicht mehr, sondern die Frage, ob es nicht einen noch Schnelleren gibt. Und wenn Weltrekorde dann zusätzlich von Sponsoren belohnt werden, hat das etwas Problematisches an sich.

Die Furche: Wo ziehen Sie die Grenze zwischen gesundem und krankhaften Ehrgeiz ?

Maier: Dort wo der Mensch zum Mittel wird, um materielle oder finanzielle Vorteile zu gewinnen. Wo man sich selber instrumentalisiert und kaputt macht, durch Doping zum Beispiel, dort ist die Grenze überschritten. Wo diese Grenze für den Einzelnen liegt - das ist ganz schwer zu sagen.

Die Furche: Können auch Niederlagen oder Misserfolge ein Weg zum Glauben sein?

Maier: Manchmal kann eine Niederlage oder etwas Unangenehmes den Blick weiten. Gott kann auch auf krummen Zeilen gerade schreiben. Natürlich kann auch bei einem Unglück die Frage kommen: Warum ich? Warum kann das ein guter Gott zulassen? Aber es gibt nichts Negatives, wo nicht auch etwas Positives daraus wachsen kann.

Die Furche: Gehen gläubige Sportler mit Verletzungen und Niederlagen anders um?

Maier: Könnte durchaus sein. Es ist natürlich denkbar, dass ein gläubiger Sportler in etwas Negativem noch etwas Positives sieht. Aber wir haben da keinen alleinigen Vertretungsanspruch. Es kann genauso gut sein, dass ein nicht gläubiger Athlet gut mit einem Misserfolg umgehen kann.

Die Furche: Was halten Sie von Glücksritualen vor einem Wettbewerb?

Maier: Ich persönlich halte nichts davon. Wenn ich meine Rosenkränze verteile, dann sage ich immer dazu: Das ist kein Glücksbringer. Aber ich kann ihn um den Finger herum geben und beten - Das Gebet hilft immer, egal ob nach einem Sieg oder einer Niederlage. Aber der Glaube ist kein Cola-Automat, in den ich Geld hineinwerfe und dann kommt was raus: "Also lieber Gott, jetzt war ich eh bei der Messe - warum habe ich nicht gewonnen?“ Diese Art von Gottesverständnis versuche ich aus den Köpfen der Sportler zu bringen.

Die Furche: Was halten Sie dann davon, wenn Fußballtrainer die Dressen und Schuhe der Mannschaft segnen lassen?

Maier: Segnen kann man alles lassen. Aber wenn man denkt, dass das magisch ist, ist das sinnlos. Ich habe auch schon einige Stadien gesegnet. Aber man darf nicht damit rechnen, dass segnen gleich siegen bedeutet. Das Verständnis, dass muss jetzt etwas bringen, davon halte ich nichts. Es kommt immer auf die richtige Gesinnung an.

Die Furche: Wir Menschen neigen dazu, Helden zu verehren. Früher waren es Heilige, heute sind es oftmals Sportler oder Berühmtheiten. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Maier: Natürlich darf man Heldenverehrung pflegen, wenn man nicht übertreibt. Vor allem einen Sportler, der fair, ohne Betrug eine tolle Leistung erreicht, kann man schon ein bisschen verehren. Aber ein Heiliger, der selbstlos Nächstenliebe gibt - das ist viel dauerhafter, den vergisst man nicht. Bei den Spitzensportlern kann der Ruhm kommen und gehen. Wer vor 20 Jahren eine Goldmedaille gewonnen hat, ist heute teilweise schon wieder vergessen.

Die Furche: Die antiken Olympischen Spiele waren untrennbar mit religiöse Zeremonien verbunden. Aber was haben Sport und Religion heute noch gemeinsam?

Maier: Also ich würde heute so ganz nüchtern nicht viel Beziehung sehen. Pierre de Coubertin wollte auch eine Art zivile Religion erschaffen. Er wollte den Wettkampf erhöhen, durch Fahnen, durch einen Eid, durch einen Fackellauf quasi etwas Religiöses erschaffen, aber nicht im Sinne eines Gottesglauben, sondern in Bezug auf die sportliche Leistung des Menschen.

Die Furche: Sie sehen das anders.

Maier: Der heilige Paulus sagte: Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Der heilige Paulus war sicher ein guter Kenner der Olympischen Spiele und er hat das auf seinen Glauben und auf sein Leben bezogen. Das ganze Leben ist ein Wettkampf, wo wir nach einem Ziel streben. Es ist Aufgabe des Seelsorgers, dass er die vorläufigen Ziele im Sport und im Leben ein bisschen weitet auf weitere Ziele, die der Mensch hat. Lebensziele, endgültige Ziele. Ein Ziel für den gläubigen Sportler auch nach diesem Dasein.

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