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Randbemerkungen zur woche

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IN WAHRHAFT KLASSISCHER FORM hat in seiner Neujahrsansprache, einem ergreifenden geschichtlichen Dokument, der Papst auch dem internationalen Kommunismus begegnet, der, selbst der Kriegstreiberei schuldig, das Oberhaupt der Itatholischen Christen anzugreifen und ihm eine feindselige Einstellung gegenüber dem Völkerfrieden zu unterschieben wagt.

„Von wohlbekannter Seite werden Wir bezichtigt, den Krieg zu wollen und zu dem Zweck mit .imperialistischen' Mächten zusammenzuarbeiten, die — so wird behauptet — mehr hoffen von der Gewalt mörderischer Kriegswaffen als von der Anwendung des Rechts. — Was anderes können Wir antworten auf eine so bittere Kränkung als dieses: Durchforscht die stürmischen zwölf Jahre Unseres P ontifik at s, prüft jedes über Unsere Lippen gekommene Wort, jeden von Unserer Feder geschriebenen Satz: ihr werdet dort nichts finden als Ansporn und Anregungen zum Frieden. Erinnert euch im besonderen des unheilvollen August 1939, als die Angst vor einem blutigen Weltkonflikt immer mehr die Gemüter schreckte, wie Wir da von den Ufern des Albanersees Unsere Stimme erhoben und im Namen Gottes Regierende und Völker beschworen, ihre Zwittigkeiten in gemeinsamer und ehrlicher Verständigung beizulegen. .Nichts ist verloren mit dem Frieden' — riefen Wir aus —, .alles kann mit dem Krieg verloren sein.' Versucht das alles unbefangen und geraden Sinnes zu erwägen, und ihr werdet anerkennen müssen: Wenn es in dieser von sich widerstreitenden Interessen zerrissenen Welt noch einen sicheren Hafen gibt, wo die Friedenstaube ruhig ihren Fuß aufsetzen kann, so ist es hier, auf diesem vom Blut des Apostels und der Märtyrer geweihten Boden, wo der Statthalter Christi keine heiligere und willkommenere Sendung kennt, als unermüdlich Vorkämpfer für den Frieden zu sein. So haben Wir in der Vergangenheit getan. So werden Wir es in Zukunft tun...“

Diese Worte sind ein Gericht.

ZUM ZEICHEN DER TRAUER um Dr. Renner hatten die Staats- und städtischen Gebäude Wiens schwarz geflaggt; von vielen Privathäusern wehten die rot-weißroten Fahnen unter einem schwarzen Trauerflor. Die überlangen Reihen der Wiener aber, die sich rings um das Rathaus aufgestellt hatten, um dem toten Bundespräsidenten noch eine letzte Reverenz zu erweisen, bemerkten, daß auf dem Justizpalast auch der Union-Jack des derzeitigen amerikanischen Stadtkommandanten auf Halbmast stand — und siehe da, in engster Nachbarschaft war auch die Sowjetfahne auf der russischen Kommandantur gesenkt worden. Das entsprach in erfreulicher Weise den Regeln, in denen Völker miteinander bis jetzt zu verkehren pflegten. Merkwürdig, zu einer solchen Bekundung muß ein Bundespräsident sterben.

IN DEN FINANZÄMTERN STEHEN LANGE SCHLANGEN angestellt: Tausende von Lohnsteuerzahlern müssen die ihnen zugeschickten neuen Steuerkarten auf den Stand der alten umschreiben lasten. Sie müssen, wenn sie beispielsweise Familienväter sind, auch im unverschuldeten Streitfall beweisen, daß sie es wirklich sind. Sie müssen ferner ihre ihnen seit Jahren zugebilligten steuerfreien Werbe-und andere Freibeträge in einem weiteren Gang auf das Finanzamt neuerlich beanspruchen — wiewohl auch die hohe Behörde weiter nicht bezweifelt, daß sie ihnen von Rechts wegen zustehen. Tausende also stehen stundenlang, um mit begreiflicherweise verärgerten Referenten eine nur vorgeschriebene sinnlose Formalität abzuhandeln; die Finanzämter sind überlastet, den Buchhaltern in den Betrieben, welche die berichtigten Lohnsteuerkarten mit monatelanger Verspätung in die Hand bekommen, erwächst zusätzliche Arbeit. Und dabei könnte alles . besser, schneller und vernünftiger geregelt werden. Die Steuervorschriften bieten den Finanzbehö'rden genug Handhaben, um die Steuerzahler zur pünktlichen Meldung von Veränderungen ihres Standes und Berufes zu veranlassen. Vermutlich ist es ein astronomisches Rätsel, warum den Steuerträgern und den fiskalischen Organen eine zusätzliche Steuer an Zeit und Arger aufgeladen wird. . *

VOM ARBEITERSCHICKSAL IN DER OSTZONE DEUTSCHLANDS spricht recht deutlich ein Kontrollzettel, der dort in den Betrieben verwendet wird. Er trägt die Bezeichnung „Verlustzeitbogen“ und dient dazu, die Arbeitsleistung jedes ein-

zelnen Arbeiters vom Anfang bis zum End seiner Schicht zu überwaenen. Am Kopf des Bogens stehen nicht nur der Name des Arbeiters, seine Abteilung und sein Meister, sondern auch schon sein „Leistungsgrad“, offenbar damit man sogleich wisse, ob man es mit einem großen oder kleinen Hennecke oder aber mit einem Anwärter auf den Titel „Saboteur“ zu tun habe. Auf dem Hauptteil des Kontrollzettels sind dann in nicht weniger als 33 Punkten alle möglichen Arten von Verlustzeiten aufgeführt, und in den Spalten daneben ist Raum für den Vermerk, ob diese Zeit als notwendig anerkannt, also bezahlt wird oder nicht. Es soll zum Beispiel eingetragen werden, wieviel Zeit einer braucht, um auf Arbeitsaufträge und Werkzeuge zu warten, um seinen Lohn zu empfangen, um sich Speisen oder Getränke zu beschaffen, oder auch wie lange die „gegenseitige Verständigung beim Schichtwechsel“ gedauert hat. Am Ende wird dann alles zusammengerechnet und festgestellt, wie hoch die Verlustzeit war und wieviel „reine Arbeitszeit“ geleistet wurde. Und wenn der Maschinist X sein Soll nicht erreichte, weil vielleicht seine „persönlichen Bedürfnisse“ die Norm überschritten, muß er damit rechnen, daß einige O-Mark in seiner Lohntüte fehlen. Es war bekannt, daß diese Methode der Leistungssteigerung bis zum Äußersten in aller Form in den Kommformländern praktiziert wird. Aber wann hätte sich der deutsche Arbeiter träumen lassen, daß auch er in solche Knechtschaft stürzen könnte! Ergriffen lasen wir als Kinder in „Onkel Toms Hütte1' von dem Schicksal der armen, gequälten Negersklaven, und am Anfang der neunziger Jahre richtete Gerhart Hauptmann in seinen „Webern“ einen flammenden Protest gegen die Antreibermethoden des Unternehmers Dreißiger und seiner Helfer, einen Protest, .der in den Reihen der Sozialisten lauten Widerhall auslöste. Heute sind, der Perfektion der Technik entsprechend, die Methoden feiner geworden. Ob sie menschlicher sind, ist eine andere Frage.

DIE KONFERENZ DES BRITISCHEN COMMONWEALTH hatte sich noch selten mit einer so langen Reihe dringlicher und schwerwiegender Probleme zu befassen, wie es bei ihrer diesmaligen Tagung der Fall Ut. Der blutige Konflikt in Korea und die Gefahr seiner Ausbreitung über den weiten asiatischen Raum, die dem China Mao Tse-tungs gegenüber zu verfolgende Politik, die Vorbereitung und die Bedingungen eines Friedensvertrags mit Japan, die anglo-ägyptische Spannung und die daraus erwachsende Gefährdung lebenswichtiger Interessen des Commonwealth, die allgemeine Verknappung vieler Rohstoffe und die zweckmäßigste Verteilung der verfügbaren Bestände — dies sind nur einige der weitreichenden Fragen, die alle Mitglieder des britischen Staatenverbandes unmittelbar berühren und zu deren Beratung die jetzt in London versammelten Minister berufen sind. Trotzdem, einer der geladenen Staatsvertreter, der Ministerpräsident Pakistans, lehnte seine Teilnahme zunächst überhaupt ab, und als er schließlich doch erschien, erhob er neuerdings lauten Protest, weil man seinem Begehren, auch die dornige Frage Kaschmir auf die Tagesordnung zu setzen, nicht Rechnung getragen hatte; hätte man es getan, dann wäre ja eine andere wichtige Persönlichkeit, der indische Premier, dem Konferenztisch ferngeblieben. Nun aber donnern die Kanonen nicht allein in Korea, sondern, seit geraumer Zeit schon, in bedrohlicher Nähe des indischen Subkontinents; immer dringlicher werden die Rufe Frankreichs nach verstärkter amerikanischer Hilfe, ohne“ die wenig Hoffnung bestehe, die Position in Vietnam zu halten; fast ebenso ungünstig erscheint die Lage in Malayen, wo ein erheblicher Teil der britischen Armee durch die Tätigkeit kommunistischer Freischärler gebunden bleibt; in den indischen Randgebieten, in Waziristan, in Nepal und Bhutan machen sich die Umtriebe kommunistischer Agenten zunehmend bemerkbar; Tibet ist zu einem chinesischen Glacis geworden; das Verhältnis nicht nur zwischen Indien und Pakistan, sondern auch zwischen letzterem und dem Staat der Afghanen gibt zu schweren Besorgnissen Anlaß; die führenden Staatsmänner in Karachi und in New Delhi hätten also wahrlich alle Ursache, die Einheit des Commonwealth, von der für ihre Völker so viel abhängt, nach Kräften zu fördern und zu stärken. Aber für Liaquat Ali Khan wie für Pandit Nehru und deren Ratgeber scheint nichts so wichtig zu sein wie die Fortsetzung ihres Lieblingsspieles, des Spieles um ihren alten Zankapfel Kaschmir. Diese Partie wollen sie zu Ende führen, ohne Rücksicht darauf, daß ihr Spieltisch ein Pulverfaß ist, mit einer Lunte

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