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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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KATHOLIKENTAG MIT ALTEN PAROLEN: so wußte es in seiner oreingenommenheit ein Wiener Mittagsblatt zu berichten; damals, als die orarbeiten für das große Ereignis im Herbst dieses Jahres kaum begonnen hatten. Das war sehr oreilig. Alle, die auch heute nicht die Fesseln alter orurteile abgelegt haben, die immer noch in den engen Gedankenbahnen ergangener Kulturkampfzeiten wandeln, tun gut daran, den soeben on der Pressestelle des Katholikentages herausgegebenen Bericht über das Ergebnis der Mariazeller Studientagung eingehend zu studieren. Absatz für Absatz, Zeile für Zeile. In unmiß erständlicher Offenheit und ielleicht noch nie so klar und präzise formuliejt ist hier der Standort des österreichischen Katholizismus im Jahre 1952 angegeben, sind Gedanken, Wünsche und Hoffnungen der Katholiken unserer Zeit ausgesprochen. „Eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft“ heißt das Ziel. „Eine freie Kirche: das heißt die Kirche ist auf sich selbst gestellt und nur auf sich selbst. Jede geschichtliche Epoche hat ihre eigenen Notwendigkeiten und ihre eigenen Möglichkeiten. Heute aber hat die Kirche keinen Kaiser und keine Regierung, keine Partei und keine Klasse, keine Kanonen, aber auch kein Kapital hinter sich. Die Zeit on 1938 bis 1945 bildet hier eine unüberschreitbare Zäsur; die Brücken in die ergangenheit sind abgebrochen, die Fundamente für die Brücke in die Zukunft werden heute gelegt. So geht die Kirche aus einem ersinkenden Zeitalter einer Epoche neuer sozialer Entwicklungen entgegen.“ Eine freie Kirche bedeutet daher: „Keine Rückkehr zum S t a at s- kir ch ent um ergangener Jahrhunderte, das die Religion zu einer Art ideologischen Überbaus der staatsbürgerlichen Gesinnung degradierte, das Generationen on Priestern zu inakti en Staatsbeamten erzog. Keine Rückkehr zu einem Bündnis on Thron und Altar, das das Gewissen der Gläubigen einschläferte und sie blind machte für die Gefahren der inneren Aushöhlung. Keine Rückkehr zum Protektorat einer Partei über die Kirche... K ein e R ück- k ehr zu jenen gewaltsamen ersuchen, auf rein organisatorischer und staatsrechtlicher Basis christliche Grundsätze erwirklichen zu wollen.“ Das ist das eine. „Eine freie Kirche aber kann nur leben, die Würde des Menschen ist nur gesichert in einer freien Gesellschaft.“ Die Herzanliegen des katholischen olkes an den Gesetzgeber in der Ehe- und Šchulfrage werden festgehalten. Der Ruf zur Wendung der Not der Familien, zur Heilung der ärgsten Wunde Österreichs, aber muß auch die Ohren ieler Abseits- stehender erreichen. Und als oraussetzung die Erinnerung an die „Pflicht der Gesellschaft, der freien Gesellschaft, allen ihren Mitgliedern neben dem Recht auf Arbeit auch das Recht auf eine menschenwürdige Wohnung zu sichern.“ Wirklich aufrüttelnde Worte sind dies. Sie werden fortgesetzt in Stellungnahmen zu anderen brennenden Fragen unserer Gesellschaft und unseres Staates. Alle hier aufzuzählen, ist unmöglich. Man muß sich schon die geringe Mühe des eigenen Studiums nehmen. Die Tore sind weit, sehr weit aufgetan. Man darf hoffen, daß die Nebel endlich fallen, daß der Ruf nach Zusammenarbeit wohl erstanden und auf genommen wird? „ Zusammenarbeit mit dem Staat in allen Fragen, die gemeinsame Interessen berühren, also in Ehe, Familie, Erziehung. Zusammenarbeit mit allen Ständen, Klassen und Richtungen zur Durchsetzung des gemeinsamen Wohls. Zu s a m- menarb eit mit allen Konfessionen, auf der Grundlage des gemeinsamen Glaubens an den lebendigen Gott, Zusammennarb eit auch mit allen geistigen Strömungen, mit allen Menschen, wer immer sie seien und wo immer sie stehen, die gewillt sind, mit der Kirche für den wahren Humanismus, für ,Freiheit und Würde des Menschen’, zu kämpfen.“

AN DER DREILÄNDERECKE, dort wo seit Jahren die rotweißroten Grenzpfähle neben rotweißgrünen und solchen, geschmückt mit dem tschechischen Dreifarb stehen, dort wo heute der Minenzaun beginnt, überwältigten den ehemaligen Diener eines großen Reiches und jetzigen ersten Bürger unserer Republik die Erinnerungen: „Jedesmal, wenn mich der Weg in die Dreiländerecke führt, on der aus der Blick die Landschaften dreier Staaten umfaßt, wenden sich meine Gedanken der ergangenheit zu. Mehr a#s tausend Jahre lang hat es in diesem geschichtlich bedeutsamen Raum blutige Auseinandersetzungen gegeben. ölker kamen und ölker gingen, oft flutete an diesen Abschnitt der Donau die Welle des Ostens heran, brach sich an zähem Widerstand und ebbte wieder zurück. Endlich war es dann so weit, daß auch hier die Nationen friedlich nebeneinander leben und mitein

ander arbeiten konnten, on keiner Grenze getrennt, durch eine gemeinsame Zi ilisation ereint. Es war die Zeit, in der man, wie zum Beispiel ich selbst, aus Böhmen stammen, in Ungarn geboren werden und dennoch ein Österreicher sein und bleiben konnte, Bürger eines Reiches, das ielen ölkern schützende Heimat war. Während unserer Lebenszeit ist es in der weiten Welt und so auch hier wiederum anders und nicht besser geworden.“

So sprach Bundespräsident Körner bei seinem Besuch in Hainburg. Erkenntnisse eines reifen Lebens brechen sich über manche in ergangenen Jahren geäußerte politische orurteile hinweg Bahn. Sie mögen stehen und dauern.

EINE SOZIALE TAT hat die Regierung Dr. Adenauer ohne Zweifel mit dem nach langen Monaten ernster Beratung erabschiedeten „Lastenausgleich“ gesetzt. Mit gutem Recht sprach daher der westdeutsche izekanzler on dem neuen Gesetz als einem ebenso großen Beitrag zum Frieden wie eine direkte militärische Beitragsleistung. Innerhalb on 30 Jahren soll den Besitzenden schrittweise ein Teil ihres ermögens entzogen und den Besitzlosen zugeführt werden, zu denen man in erster Linie die Ausgebombten, die Ostflüchtlinge und jene rechnet, die durch die Währungsreform ihr ganzes ermögen eingebüßt haben. Juristische Personen sind on dem Empfang on Entschädigungen ausgeschlossen. Aus den Erlösen sind unter anderem auch die Errichtung on Lehrlingsheimen und Ausbildungsstätten sowie Beihilfen zur weiteren Berufsausbildung mittel- loser Jugendlicher orgesehen. Das jährliche Gesamtaufkommen wird auf 2,2 bis 2,3 Milr Harden Goldmark eranschlagt. Im wesentlichen handelt es sich um eine in 30 Jahren tilgbare, erzinsliche Abgabe on 50 Prozent des abgabepflichtigen ermögens, die unter anderem durch eine Hypothekengewinnabgabe und Obligationengewinnabgabe ergänzt werden, worin der radikale Charakter der westdeutschen Währungsreform Berücksichtigung findet. Ein durchdachter Beitrag zu einem Spannungsausgleich innerhalb einer on Krieg und seinen Folgen schwer heimgesuchten Nation!

ALS FEIND Nr. 1 der Südafrikanischen. Union wurde auf einer Synode der „Dutch Reformed Church“, der kal inischen Kirche Südafrikas, der Katholizismus neben dem Kommunismus bezeichnet. Das bedeutet, daß der südafrikanische Premierminister, Dr. Da id Franęois Malan, entschlossen ist, den on ihm geführten Rassenkampf auf allen Ebenen auszutragen. Auf der rassischen selbst, on der er seinen Ausgang genommen hat und die den Kempunkt des Streites enthält, die lückenlose Trennung der 2% Millionen Weißen on den 8 Millionen Schwarzen und 300.000 Indern der Union. Auf der sprachlichen, indem Malan unter den Weißen wieder den mehr als eine Million Britenstämmlingen, die seiner Pqlitik der „Apartheid“ widerstreben, die Fehde ansagt und ihnen mit Entzug des Wahlrechtes droht. Auf der weltpolitischen: durch orbereitung des Austrittes der Union aus dem Commonwealth, das in der Behandlung der Farbigen eine konsequent e olutionäre Linie erfolgt. Durch das Streben nach Angliederung der britischen Protektorate Betschuanaland, Swaziland und Basutoland. Durch die Ablehnung der Beschlüsse der UNO. Und nun auch: Religionskrieg, Kampf gegen die katholische Kirche, die gerade in Südafrika unter den Farbigen eine orbildliche Z ilisationsarbeit geleistet hat, für die Marianhill das leuchtendste und allgemein anerkannte Beispiel ist. Kampf also auf allen Linien, um das Rad der Geschichte zurückzudrehen und eine Entwicklung, die Asien und Afrika unaufhaltbar überflutet, auf den Stand des Jahres 1800 zurückzu- schrauben. Malan hat kürzlich das Erkenntnis des Südafrikanischen Obersten Gerichtshofes erworfen, das seine Politik erurteilte. Er stützt dabei seine Politik auf eine ganz geringe Parlamentsmehrheit, die er den Stimmen der deutschen Siedler in Südwestafrika erdankt, eines Gebietes also, das rechtens noch gar nicht Bestandteil der Südafrikanischen Union ist. Werden die ielen Brände, die der Funke der „Apartheid“ entzündet, nicht eines Tages das Haus, das Malan bewahren toiTI, erzehren?

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