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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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DAS ERGEBNIS DER KÄRNTNER GE- MEIN DE WAHLEN will wohl beachtet werden. . Hier ist zunächst die Tatsache zu vermerken, daß es der sozialistischen Partei gelungen ist, . sozusagen in einer Art von „Nachziehverfah- . rön" auch ih dėt Kömmunalpolitik im großen und ganzen die bei den Nätiühaltatswahleh i 1953 aiif ihre Liste abgegėbėtte Slirnhienamdhl zu erreichen, was unbestreitbar einen sicht- l baren Erfolg gegenüber den letzten Gemeinde- , wählen im Jahre 1950 darstellt. Wieso es der . soZidllstischen Partei iti der Zweiten Republik i gelungen ist, einen sehr festen und konstanten Wählerblock in dem durchaus noch starke agrarische Züge tragenden südlichen Bundesland OestetreiChs zu gewinnen, zu sichern und Sogar von Wahl Zu Wahl zu befestigen, das wütdS öihffiäl eitle besondere ÜHtefsüchühg löhtieri. Das Beachtenswerteste an den Wahlen In die Kärntner Gėmeihdestubėh vom letzten Sontitdg, ist eS aber, daß die von manchen Kreisen, wie eine Art politische WünderWälie begrüßten .„Heitnatlistėn", auf denen in vielen Orten Vertreter dbr Volkspartei mit solchen der, „Wählpärtei der Unabhängigen"gėiheinsam kähdidiert haben, nicht dėn erwarteten Erfolg ėinbrachten. Uns wundert dies keineswegs. Die Erinnerung trübt sich itn politischen Alltag. Sonst hätten die unguten ErlähtUhgeri, die schön ih der Aerd Seipel mit „Einheitslisten" gemacht Würden, vor sölcheh Experimenten warben müssen. Selbst Werin Mäh die Besonderheit des politischen Klimas Kärntehs berücksichtigt, kann man es sich leicht, vörstellen, welche freudlose Angelegenheit fes gerade für diė Kėfhschičht der Volks- pärtei wär, unter stark „nationalen" Vorzeichen in die Wähl Zu gelten. Leicht können so ėih- zclne Wähler oder ganze Wählefgrüppeh kopfscheu wetden. Gahz zu schweigen davon, daß die enge Tuchfühlung mit der RechtsöppositiOn und die Annäherung beider Standpunkte in der- So- heiklen Sprachenfrage die Volkspättei so manche Sympathien Unter der christlichen Landbevölkerung in deh „Windischeh" und slowenischen Gebieten, die einmal geschlossen hinter der Vorgängerin der Volkspattei standen, kosten mußte. Und tatsächlich konnte hier. die sPöe größere Fortschritte erzielen. Aber hoffentlich ist das Kärntnet Lehrgeld nicht umsonst aUSgepebett. Die Wählen vom letzten Sonntag müssen alle vielleicht da Uhd dort dhgėštėlltėh Ueher- leguhgen bei anderen Gemeinde- öder Lahd- tagSWdhlch, ės ähnlich zu versuchen, rechtzeitig in die richtige Bahn weisen. Pröbieteh- Wjį. ės ėihihal. aridėrš,.,Stati salzloser marxistischer Einheitslisten'', die nur Unruhe im eigenen Läger stiften ühd den gewünschten Erfolg hie habet!, jünge, Uhvėibtalichtė, gründ- šdlžtreUė Mahner an die Frönt! Dieser Versuch kann Sich löhnen.

DIE SCHILLERNDE HALBWAHRHEIT von den „Vieren im Jeep" hat die Welt ja nuh, dank Film und Kabarett, sich zu eigen gemacht, wenn von Wien die Rede ist. Sie kahn nun dazu noch zur Kenntnis nehmen, daß Wien auch die einzige Stadt zu sein scheint, an deren Vorstandstischen sich zwei diametral entgegengesetzte Theoreme über die ĖVG vertragen können. Herr NR Pittermanh Stimmte in Brüssel für die EVG, Herr Ollenhauer Stimmte dagegen. In den Sofiensälen zu Wien sah mäh sie beide dann nebeneinander. Ollerihatlėr blieb bei seinem Nein und Pitlermann war Gastgeber genug, keine Diskussion ahzüfdhgeh. Und das Publikum war höflich. Es klatschte Beifall zu Thesen und Auffassungen, die eigentlich eine fundierte Replik gegen manchen Leitartikel in der „Arbeiter-Zeitung" darstellten . .. Das wäre an sich nicht Unsere Sorge, zudem hat Ollenhauer mit durchaus einleuchtender Sicherheit, und taktvollerweise von jeder Analyse österreichischer Verhältnisse Abstand nehniend, auf die einmalige und ittelevänte Situation Deutschlands hlngewie- seri, die für seihe Partei das Gesetz des Handelns bestimmt, sind dies aber nun wirklich zwei völlig getrennte Probleme? Kann ein österreichischer Sozialist den Darlegungen ÖliehhäUrirs mit reih akademischem Interesse tauschen? Öder gibt es da doch vielleicht ein Drittes, Verbindendes? Herr Ollenhauer gab int letzten Teil seiner Rede die Antwort, von seinem Gegenstand vielleicht eiti wehip fortgerissen. Sie war deutlich, aber nicht eben erfreulich: Die Sozialisten werden so lange in Reserve zu Klein-Europa stehen, als nicht Ehglahd und Skandinavien diesem Verbarid anpehöreri fWds aber, Oliöhhaüers nicht unrichtiger Analyse der Cömmohwealihpölitik Züfölge, ih absehbarer Zeit nicht der Fall sein kühn). Das also verbleibende Europa der Montnn-Uniori abet sei eine hoch nicht dage- weserie „konservativ-klerikale Konzeh t r a t i 0 n". Es blieb dabei offen, Ob Herr ÖÜerihaUer unter den konservativ-klerikalen Kräften, die rUhd 40 PröZerit kommunistischer Wühler ih Italien oder die verschiedentlich, hiif dicht klerikal gefärbten EVG-Geprter in Frankreich verstanden hat. vor allem aber, ob ühter den fortschrittlichen Eideshelfern dės europäischen Sozialismus auch Ihrer britischen Majestät Kabinett Sir Winston Churchills aufscheint. Doch dies am Rande. Wir haben durchaus verstanden, was Herr Ollen- häuer meinte, uhd äüch wir Sind der Meinung,

daß der eine oder andere Nichtsozialist seine Besorgnis, einer gewissen Einseitigkeit des notkonstruierten Klein-Europas wegen, teilen kann. Aber wird dem dadurch abgeholfen, daß mit einer anachronistischen Eifersüchtelei das Wetterhäusel von zwei Europagesellschaften etrichtet, eine antikletikal-klassėnkdmpferlsche'hilt Britannien und Island als Schutzpatronen und eine, in der — sagen wir es Schonend — „die andern" allzu sehr unter sich Sind? Ein Spektakelstück aus der Schaubühne des vorigen Jahrhunderts, das durchaus interessierte, belustigte und beifallsfreudige Zuschauer auf den Sitzbänken des Kremls finden kann (und findet).

DIE ERNENNUNG DES ERSTEN DEUTSCHEN VACHKllIEGSBOTSCHAFTERS BEIM VATIKAN hat in Deutschland lebhafte Debatten und Kontroversen hėrvorgėruien, die ihre Ursache darin haben, daß Jaenicke Protestant ist, weite Kreise dei deutschen Katholiken aber, siheh Angehörigen ihrer Religiöh als Vertretet Deutschlands beim Heiligen Stuhl wünschten. So sehr begreiflich der Wunsch dieser deutschen Katholiken 1st, so sehr muß anderseits die Entscheidung des deutschen Bundeskanzlers Adenauer begreiflich erscheinen Ein Katholik als Botschafter beim Vatikan könnte nur zu leicht in den Ruf kommen, nicht Botschafter dės gesamten Deutschlands, sondern Botschafter eines Teiles der deutschen Bevölkerung, der Katholiken, zu sein. Dieser Gefahr wollte wahrscheinlich der Katholik Adenauer ausWeichen. Das Beispiel Hollands scheint ihm dabei recht zu geben. Das Königreich der Niederlande mit seiner starken katholischen. Minderheit hat bisher immer einen Protestanten zum Vertreter beim Vatikan ernannt Nicht zur Unzufriedenheit der holländischen Katholiken, denn es erwies sich, daß der protestantische Gesandte mehr Bewegungsfreiheit zugunsten der Katholiken hat, als ein katholischer haben würde, dem. von der Gegenseite nur zu leicht vörgeworfen werden könnte, Sonderbotschafter der Katholiken zu sein Es wird von dem Verhalten des neuen deutschen Botschafters beim Vatikan abhängen, ob auch im Falle Deutschland diese Beobachtung gemacht werden kann.

SEIT DEM „FALL PIGNONE" hat keine Affäre stärker die italienische Oeffentlichkeit erregt als der Montesi - Prozeß. Aeußer- iich besteht kein Zusammenhang zwischen diesen, beiden - 'ErefgniSSehN"fnnbHit:h’'fim io mehr: Sie beleuchten das Tiefbebeh, das durch Italien geht und das Lahd erschüttert in seinen gesellschaftlichen Ueberbauten wie im unbeliebten UhtėrgrUnd. Im Fall Pignohe im Vergangenen Spätherbst ging es um folgendes: Eide Fabrik sperrte über Nacht zu, entließ ihre 1700 Arbeiter und gab dadurch 7000 Personen unvermittelt dem Elend preis. Da intervenierte det Bürgermeister von Florenz, La Pira, das heißt, dieser Führet des linken Flügels der Defaöcfistiatu griff wie ein neuer Savonarola ein. Er ließ die Fabrik dutch die Arbeitet besetzen, zahlte ihnen Löhne aus städtischen Geldern und brachte die Arbeit wieder in Gang. La Pira entfesselte einen Proteststurm unter den Industriellen Italiens, erhielt dazu unter anderėm zustimmende Briefe von 230 italienischen Bischöfen (Italien hat ah 300 Bischöfe). Im Montesi-Ptözeß, gegenwärtig ih Rom, sitzt äußerlich ein junger Reddkteut, SHVanö Müto, auf der Anklagebank. Wegen Ehrenbeieldigung des Marchese Mohtagna, dann auch des Sohnes des Außenministers und eines Dutzends angesehener Mitglieder der vornehmen Gesellschaft Italiens. Muto behauptete bekanntlich, daß die schöne Vilma Montes: bei einer Rauschgiftorgie dieser Herren ihren Tod fand, während sie läut Polizei- befiehl bei einem Bad ums Leben kam. — Italiens Lihkskreise unternehmen alles, was in ihrer Macht steht, um aus diesem Prozeß gegen einen kleinen Journalisten einen Prozeß gegen die „beste Gesellschaft" und gegen die mit ihr versippten politischen Führer dei rechtsstehenden und konservativen Kreise Italiens zu Machen. Es ist zu früh, ėiri Urteil über diesen ProZeß abzügeben. Seine Schalten sihd abėr bereits deutlich Sichtbar: Krawalle in der Abgeordnetenkammer, die Suspendierung des Polizefchefs von Rom, eine Erklärung des Staatsanwaltes im Montesi-Prozeß Gial- lombardo beziehungsweise der Polizei übei das Vorleben des Marchese Montagna als Verräter, Rauschgifthändler, Gewalttäter usw. — Georgia La Pira, mit Dössetti und Fantam Führer des italienischen Sozialkatholizismus, hatte im Herbst im Pignone-Skandal erklärt: Wenn die Männer des Großkapitals und der Industrie nicht bereit sind, die Verantwortung für ihre Fabriken zu übernehmen, wenn sie leichtsinnig ih einem verschwenderischen Leben das Vermögen der Nation vergeuden, ddnh müsse das Volk zür Sėlbsthille grėifeh. Eine heikle Situation für das neue Kabinett Scelba, das zwischen Rechts Und Links, im Feuerschein dieser Skandalmdle, seinen Weg gehen muß — zur Konsolidierung in der Mitte,

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