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Randhemerkungen zur woche

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Die österreichische Geschäftswelt konnte mit dem diesjährigen W eihnachts-geschäft zufrieden sein — ihr Umsatz erreichte erstaunlich Höhen. Die Weihnachtsremunerationen und Vberbrückungs-beihilfen sind sofort in die Wirtschaft eingestürzt. Seit vielen Jahren war ein derartiger Umsatz in allen Branchen, die etwas zu bieten hatten, nicht zu verzeichnen. Der in Mangeljahren angestaute Bedarf brach sich über alle Preisveränderungen hinweg Bahn. Es war ein Weihnachtsgeschäft der Einkaufsfreude und des Optimismus, der allen Miesmachereien der kommunistischen Propaganda widersprach. Eine Erscheinung war besonders erfreulich: Die starke Nachfrage nach dem guten Buch. Die Buchhändler brauchten sich diesmal nicht über mangelndes Interesse und die übermächtige Konkurrenz der Delikatessen- und Modewarenhändler zu beklagen. Der Erfolg wird auch das österreichische Verlagswesen nach einer längeren Flaute neu beleben.

Die Cebietskrankenkasse hat in Ihrem Voranschlag für das Jahr 1950 einige bedeutende Leistungsei n-schränkungen vorgesehen; so werden In Zukunft die Spitalskosten zu einem Zehntel dem Versicherten aufgelastet sein, Stillprämien werden nicht bis zu 26, sondern nur bis zu 12 Wochen bezahlt, Sterbegelder und anderes mehr empfindlich gekürzt werden. Die Krankenkassen gehen somit auf dem Weg weiter, den sie seit längerer Zeit eingeschlagen haben — man erinnere sich an die kürzlich erfolgte Neuregelung der Medikamentenabgabe. Es ist also kaum anzunehmen, daß die Unpopülarität des derzeitigen Versicherungssystems in absehbarer Zeit gemindert wird. Nichts natürlich gegen Sozialversicherung! Aber hat man sich eigentlich schon Gedanken darüber gemacht, daß die Krankenkassen in der Bevölkerung so sehr unbeliebt sind? Und warum? Sie haben sich zu Riesenapparaten entwickelt, die viel Geld kosten und die Neigung zu Machtanhäufung und Diktatur haben. Sie alle arbeiten mit Defizit; das Defizit von nicht weniger als 23 Millionen Schilling, das die Wiener Gebietskrankenkasse im Jahre 1948 aufzuweisen hatte, ist keine Einzelerscheinung. Nun suchen sie sich auf Kosten des Heilbedürftigen zu sanieren. Mit ihren Leistungsverminde-rungs-Ukasen eine fiskalische Macht, die kein Rechnungshof kontrolliert. Ein ungesunder Zustand.

Die in Salzburg erscheinende Tageszeitung des „Verbandes der Unabhängigen“ will über eine bevorstehende Parteineugründung informiert sein. ..Nach Vorbild Ostdeutschlands“ soll demnächst ein „Nationaldemokratische Partei“ in den östlichen Bundesländern ihre Arbeit aufnehmen. Sollte sich diese Nachricht bewahrheiten, so wird die neue politische Gruppe dennoch kein großes Rätselraten über ihren Ursprung, ihren Weg und ihr Ziel notwendig machen. Die Vermutung liegt nahe — und die Quelle der Information bestärkt sie —, daß jene neue Partei gar nicht so neu und unbekannt sein wird. Es dürfte sich bei ihren Proponenten vielmehr um jene Elemente handeln, die, gruppiert um die Person des früheren Landesleiters des Wiener VdU, ein politisches Spiel treiben, das in den im August dieses Jahres veröffentlichten Briefen, aus denen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen ungewöhnlicher Art gegenüber einer ausländischen Macht ersichtlich waren, zum Vorschein kam.

Die Durchführung der Zweisprachigkeit bei den Behörden S üdtif ols ist nach guten Ansätzen ins Stocken gekommen und weist sogar zum Teil wieder eine rückläufige Tendenz auf. Eine Interpellation im Bozener Regionalrat stellte fest, daß in der Arbeitsabteilung der italienischen Staatsbahnen von 500 Beschäftigten nur 33 zweisprachig“ sind. Bei den Elektrizitätswerken sind es von 300 nur 25, im PoStwesen bei 1500 sogar nur 30. Aber auch diese Beamten, die beide Sprachen, italienisch und deutsch sprechen, sind fast ausschließlich Italiener. Nur ein Prozent der bei den staatlichen Amtern und Anstalten der Provinz Bozen Tätigen entsprechen der gesetzlichen Anforderung der Zweisprachigkeit. Im Registeramt Bri-xen gibt es sechs Italiener (hievon keiner zweisprachig) und keinen Südtiroler, bei den Steuerämtern vier Italiener (hievon einer zweisprachig) und keinen Südtiroler, bei der Post 26 Italiener, von denen zwei zweisprachig sind, und einen Südtiroler. In Bruneck liegen die Verhältnisse ganz ähnlich. Auf den Kilometersteinen wurde die italienische Inschrift in so großen Schriftzeichen angebracht, daß für die deutschsprachigen kein Platz blieb. Bereits angebrachte deutschsprachige Inschriften bei Gerichts- und Postbehörden wurden in den letzten Monaten wieder entfernt. Ein italienischer Gegenredner machte demgegenüber geltend, daß viele in der Interpellation nichtgenannte Ämter nur Süd' tiroler Personal angestellt haben und wies besonders auf die Zweisprachigkeit im Schulwesen hin. Dennoch ist es deutlich, daß auf diesem Gebiet nach eier Jahren noch manche und einschneidende Maßnahmen nötig sind, um den gesetzlich festgelegten Zustand zu erreichen,

Das unerwartet harte Urteil über Feldmarschall von Manstein, das bei dem hohen Alter des Verurteilten einer lebenslänglichen Kerkerstrafe gleichkommt, hat in den um eine wahre Verständigung bemühten Kreisen eine Bestürzung hervorgerufen, die auch dadurch nicht gemildert erscheint, daß mit diesem Prozeß die lange Serie der „Kriegsverbrecherprozesse“ nun endgültig abgeschlossen sein soll. Die ritterliche Haltung maßgeblicher konservativer Kreise in England, voran Winston Churchills selbst, die auf ihre Kosten dem angeklagten Feldmarschall einen Verteidiger beistellten, und die Tatsache, daß dieser Prozeß erst mehr als vier Jahre nach Kriegsende, also in einer veränderten geistigen Atmosphäre durchgeführt wurde, hätten ein milderes Urteil als Schlußpunkt in der Reihe dieser Prozesse erhoffen lassen. Die moralische und rechtliche Problematik des Versuches, nach diesem Krieg einer übernationalen Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen, ist bei aller Anerkennung der guten Absicht am Schlüsse dieser Prozeßreihe erst recht wieder deutlich geworden. Denn es war bis zum Schluß offensichtlich nicht möglich, das Element der Rache und der Vergeltung auszuschalten, das eben überall dort wirksam wird, wo Richter und Ankläger praktisch eine Person sind.

Vorgestern waren sie noch in der alten Monarchie unsere Staatsgenossen, die u n-garischen Schwaben, heute schicken sie uns aus Buenos Aires, Avenue Santa Fe“ 137, eine nette Zeitschrift, „Neue Heimat — Patria Nueva“, mit dem Untertitel „Illustrierte Zeitschrift für Donauschwaben und Heimatvertriebene“. In dem Programmaufsatz des wohlausgestatteten Blattes heißt es:

„Die Bande, die wir unter den Landsleuten knüpfen wollen und unter allen Menschen, ,die eines guten Willens sind' und den Heimatvertriebenen, sollen im Dienste der aus christlicher Liebe diktierten moralischen Hilfe stehen, wegbereitend, sammelnd und loyal aufbauend. Uns, die wir hier in Argentinien neue und endgültige Heimat gefunden haben, verpflichtet die gastliche Aufnahme dieses christlichen und fortschrittlichen Landes. Darum soll von vornherein jeder Verdacht eines Partikularismus, Separatismus, undankbare oder unloyale Haltung oder Tendenz sowie des Politisierens überhaupt, abgelehnt werden.“

Alte Weisheit, geübt durch Jahrhunderte auf ungarischem Boden! So haben es die Schwaben der Bacska, dieses fleißige, zähe und hochbegabte Bauernvolk immer gehalten, als sie aus der Steppe des ungarischen Tieflands eine Kornkammer Mitteleuropas schaffen halfen, loyale Bürger zwischen Magyaren, Rumänen und Serben. Mehr als 30.000 haben sie jetzt in Argentinien eine neue Heimat gefunden. Unsäglich bitter die Erlebnisse dieser Menschen, die aus altem Erbe als Bettler vertrieben wurden. Aber schon fassen sie wieder als echte Pioniere auf Neuland Fuß, schaffen sich In einer Monatsschrift einen geistigen Sammelplatz. Die Argentinier werden es nicht bereuen müssen, diesen tüchtigen Menschen Aufnahme gewährt zu haben. Ihr Einwanderungskommissär der Regierung Peron, Oberst Gonzalez, will das Gleichgewicht zwischen Stadt und Land mit Hilfe der Einwanderung wieder herstellen, denn die städtischen Zentren des Landes, Buenos Aires, Rosario und Bachia Bianca, sind übervölkert, die Hauptstadt allein beherbergt fast ein Drittel der Bevölkerung des landreichen Gesamtstaates, 4,700.000, von einer Gesamtbevölkerung von V Millionen. So werden 80 Prozent der Schwaben im Landesinnern bäuerlich angesiedelt, bessere Pioniere konnte Argentinien nicht erhalten. Es ist etwas Wunderbares um die Vitalität dieses donauländi-schen deutschen Bauerntums, das in seiner bäuerlichen Schlichtheit eine Kostbarkelt war, die habsburgische Herrscher ihrem Reiche einfügten.

Ein Orkan ist über Europa dahingezogen. Ein Reis von diesem schwäbischen Volkstum trug der Sturm über den Ozean. Schon schlägt es Wurzeln, schon grünt es.

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