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Randhemerkungen zur woche

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DIE SCHULGEMEINDE DER WIENER BERUFSSCHULEN besitzt ein Ausspracheforum. Von Zeit zu Zeit treffen sich die Klassenvertreter von 35 Wiener Berufsschulen und zehn verwandten Lehranstalten mit interessierten Kameraden zu einem Abend freien, ernsthaften Meinungsaustausches. Ein Thema wird gewählt, der Stadtschulrat lädt Gäste als Referenten ein und ein junges Mitglied des Lehrkörpers sorgt für einen disziplinierten Ablauf von Rede und Gegenrede. Das Thema „Bursch und Mädel“ stand bereits auf der Tagesordnung, über die „Theaterkrise“ soll im Jänner diskutiert werden. Im Dezember aber wollten die Berufsschüler etwas anderes, sie schlugen vor, einmal das Thema „Religion“ zu wählen und über „ihr Für und Wider“ zu sprechen. So füllten sich abends am 14. Dezember die Bänke des Physiksaales der großen Schule in der Hütteldorfer Straße. Dicht gedrängt sitzen die jungen Besucher. Zwischen ihnen einige Lehrer, die sich über das bisher ungewohnte Interesse an dieser Veranstaltung wundern. Als die Bänke nicht mehr ausreichen, werden Sessel entlang den Wänden aufgestellt. Vorne am Podium haben die vom Stadtschulrat geladenen Personen, die der Aussprache Weg und Richtung weisen sollen, Platz genommen: ein Arbeiterpriester — es war P. Bredendick —, ein bekannter Freidenker, zwei junge Wissenschaftler. Schwierige, schwerwiegende Fragen, um welche die Menschen oft ein Leben lang ringen, sollen in Fünfminutenreferaten eine richtig formulierte Antwort erhalten: „Das Wesen der Religion. Gibt es Gott? Glaube und Wissenschaft.“ War es nicht vielleicht doch ein zu großes Wagnis, die ersten und letzten Menschenfragen so im Vorübergehen gleichsam anzustreifen? Mußte nicht deshalb der Erfolg von Anfang an in Frage gestellt sein? Wer mit solchen oder ähnlichen Bedenken kam, verlor sie, nachdem die ersten Schüler sich zu Wort gemeldet hatten. Junge Menschen, die vielfach überhaupt der Religion noch nie begegnet waren — ein Mädchen bekannte freimütig, es habe erst vor zwei Jahren überhaupt gehört, daß es so etwas wie Religion gäbe —, formulierten mühsam ihre Sätze. Hinter diesen aber spürte man die große Aufnahmsbereitschaft, das innere Drängen zu der großen Frage. Kein verständnisloses oder häßliches Wort wurde gehört. Dem Jungsozialisten, der etwas übereifrig die Lektionen politischer' Schulungsabende zum besten gab und vom ewigen Fortschritt der Wissenschaft wußte, entgegnete ernst ein Alterskamerad. Das Anliegen vieler dieser jungen Menschen verriet ein kleines Lehrmädchen, wenn es sagte: „Wir w ürden uns sehr interessieren für die Religion, aber es kommt auch darauf an, wie man sie uns verkünde t.“ — Das Ergebnis? Wer möchte es feststellen? Sicher war es für nicht wenige ein erstes wohltätiges Auflockern dürrer Erde, für manchen vielleicht mehr. Ein Abend im Dezember, ein Adventabend — auch ohne Kerzen und ohne Kranz.

ZU UNSERER RANDBEMERKUNG UBER DEN WIEDERAUFBAU DES BURGTHEATERS in Nr. SO der „Furche“ sagt der Präsident des Bundesdenkmalamtes, Dozent Dr. Otto D emus, in einer an uns gerichteten Zuschrift: „In dieser Randbemerkung ist davon die Rede, daß nach dem Beschluß eines ,internen technischen Komitees' die .Restaurierung' des Zuschauerraumes des Burgtheaters einer Erneuerung vorgezogen werden solle. Ich glaube, daß diese Bemerkung eine mißverständliche Anschauung hervorrufen oder unterstützen könnte. Es ist keineswegs eine Restaurierung' des Zuschauerraumes, die ja angesichts der weitgehenden Zerstörung nicht möglich ist, geplant, sondern eine N euschöpfung unter Benutzung vorhandener konstruktiver Elemente, deren Mitverwendung wesentliche Ersparungen gestattet. .Restauriert? werden lediglich die zu neun Zehntel erhaltenen Dekorationen der Stiegenhäuser, ähnlich, wie das in der Oper geschehen ist. Für diese Restaurierung sind im Burgtheater weniger als bei der Oper künstlerische und denkmal-pflegerische Erwägungen maßgebend als vielmehr ökonomische, da die Kosten der Restaurierung bedeutend geringer sind als die Kosten einer Neuschöpfung von ja zum großen Teil erhaltenen Dekorationen. In der Oper dagegen war die sorgfältige Restaurierung der zum Großteil erhaltenen Ausstattung des Stiegenhauses, des Foyers und der Loggia auch aus künstlerisch und denkmalpflegerischen Gründen geboten; zugleich war diese Restaurierung bei weitem billiger als eine grundsätzliche Erneuerung, die, wie gesagt, in diesen Räumen nicht zu verantworten gewesen wäre. Die Bemerkung des Aufsatzes, daß diese Restaurierung ,in keinem rechten Verhältnis zu der materiellen Situation des Landes' gestanden sei, beruht daher auf einem Irrtum Meines Wissens hat auch die Öffentlichkeit, die anläßlich der ßuchausstellung' Gelegenheit hatte, die restaurierten Festraume der Oper zu besichtigen, nicht den Eindruck empfangen, daß es sich hier um eine unberechtigte Ausgabe öffentlicher Gelder und um eine prinzipielle Fehlentscheidung gehandelt habe.“ .

IN POLITISCHEN DISKUSSIONEN soll man weder empfindlich sein, noch auch sich die Anerkennung der Meinung des anderen versagen. So haben wir — beispielsweise — sachlichen Ausführungen des. sozialistischen Zentralorgans jederzeit unsere Achtung gezollt, waren aber auch niemals gekränkt, wenn man dort anderer Meinung war als bei uns. Es scheint uns daher, offen gesagt, unnötig, der „Furche“ den Vorwurf zu machen, daß sie sich über die Freiheit der Presse selbständig geäußert und in der Frage der Atombombe den Standpunkt christlicher Menschlichkeit vertreten hat. Noch unnötiger ist es, an diese Kritik gleich den Verdacht vertraulicher Hinneigung zu einer Richtung zu knüpfen, von der uns wahrhaftig eine Welt trennt. Daß' dies dennoch geschah, vermerken wir mit Bedauern am Rande.

DER ÖSTERREICHISCHE SPORTTOTÖ hat offensichtlich den Höhepunkt seiner Entwicklung bereits überschritten; während im ersten Jahr seines Daseins wöchentlich oft bis zu vier Millionen ausgefüllter Tippkolonnen einliefen, sind es heute deren nur mehr zwei Millionen. Dementsprechend sind natürlich auch die wöchentlich zusammenströmenden Wettsummen um Millionen von Schillingen zurückgegangen Das Wettfieber, das im vergangenen Jahr fast wie eine wirkliche psychische Krankheit den Volkskörper geschüttelt hat, ist herabgesunken, seine Begleiterscheinungen — Wettschwindeleien und finanzielle Katastrophen gar nicht so weniger Haushalte — sind fast ganz verschwunden, hinweggeweht nicht zuletzt auch die bizarre Glücksspielindustrie, die mit Totowürfeln, Tototabellen und Totosystemen ihrerseits aus einer unerfreulichen Angelegenheit Kapital zu schlagen versuchte. Zurückgeblieben ist nur das leichte Fieber, oder besser, die erhöhte Temperatur, in der sich immer noch Tausende an den Wochenendabenden an den Berichten über die Spielergebnisse im Telephon und im Radio unterrichten lassen. Und nach der üblichen Enttäuschung ihrer Hoffnung auf die Spiele.der nächsten Woche setzen, bei denen es angeblich todsicher — oder nur totosicher? — klappen wird. Aber dennoch, es hat sich doch schon herumgesprochen, daß der Toto wahrhaftig nicht das Mittel ist, mit dem man mühelos und schnell zu Wohlhabenheit und zu Zufriedenheit kommt. Ohne vergessen zu wollen, daß auch jetzt noch Woche um Woche Millionen aus dem Volksvermögen ins Glückspiel abfließen: man freut sich doch, daß der Geist der Massen gesund genug ist, um einen plötzlichen hektischen Glücksspielrummel so schnell in die harmloseren Nebengassen des Kleinen Lottos abzudrängen. ,

DIE RASSENPOLITIK DER REGIERUNG MALAN IN SÜDAFRIKA, die auf eine allmähliche Entrechtung der farbigen Bevölkerung hinausführt, beschwört jetzt auch ernste kulturpolitische Schwer rigkeiten herauf. Ein maßgebendes Mitglied der Regierungspartei, Dr. J. B. de Klerk, bezeichnete kürzlich das Anwachsen der Katholiken in Südafrika als eine außerordentliche Gefahr. Den Ursprung dieser Gefahr sieht Dr. de Klerk in dem Anwachsen der katholischen Schulen unter den Eingeborenen der sehr intelligenten Neger stamme Südafrikas, die zu den besten Gliedern ihrer Rasse zählen. Dr. de Klerk führt nach der amtlichen Schulstatistik an, daß es 1920 in ganz Südafrika erst 474 katholische Schulen gab, während man 1948 bereits deren 1832 zählte, wobei allein von 1945 bis 1948 die Schülerzahl dieser Schulen von 184.107 auf 226.374 anstieg. Es handelt sich zum größten Teil um Kinder von Eingeborenen und Mischlingen. Der Hauptgrund für die Notwendigkeit einer Zurückdrängung des Katholizismus sieht Dr. de Klerk_ in der Tatsache, daß die katholische Kirche keine Rassentrennung zwischen Weißen, Mischling en und schwatzen Eingeborenen anerkennt. De Klerk begrüßte deshalb das Vorgehen der Regierung Malan gegen verschiedene katholische Geistliche, welche sich den neuen Rassegesetzen widersetzten. Die Schuld für die erfolgreiche Infiltration trage das Regime des verstorbenen Marschalls Smuts. — Die Kritik richtet sich gegen ein Kulturwerk, dessen zivilisatorische Erfolge fast ohnegleichen in den jetzigen Missionsgebieten sind. Voran steht die grandiose Leistung der Trap-pisten von Mariannhill. An ihr sind Deutsche und Österreicher hervorragend beteiligt.

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