6579600-1951_09_13.jpg
Digital In Arbeit

Randhemerkungen zur woche

Werbung
Werbung
Werbung

NACH VORSICHTIGEN SCHÄTZUNGEN betragen die Verluste der Zivilbevölkerung in Korea bereits mehr als eine Million Menschen. Die meisten Beobachter neigen aber dazu, einen Gesamtverlust von zwei Millionen anzunehmen. Sieben Monate eines totalen Vernichtungskrieges haben ausgereicht, dieses friedliche 18-Millionen-Volk um vielleicht ein Zehntel seiner fleißigen, intelligenten Menschen zu berauben. Zweimal, im Süden dreimal, im Raum von Seoul sogar viermal, sind in dieser kurzen Zeit die Fronten über das Land gezogen, alles vor sich niederwälzend, was an Leben und Kultur in immer kleineren Resten sein Dasein zu behaupten suchte. Hunger, Kälte, Massenliquidierungen und Erschöpfung haben das übrige getan. „Brennende Städte auf einem Hintergrund on gelbem Staub und festgefrorenem Schnee, das ist der erste Eindruck des Landes“, schreibt ein Berichterstatter. Mit unwahrscheinlicher Geduld haben diese Menschen versucht, ihr Los zu ertragen und die Macht der Zerstörung zu bannen. Sie sjichen die brennenden Stroh* dächer ihrer Hütten mitten im Kugelregen zu löschen. Sie eilen zur Wiederherstellung der kleinen Dämme ihrer Reisfelder herbei, kaum daß die feuernden Panzer über das Land hinwegdonnerten. Sie haben die Straßen ihrer eroberten, zerstörten, wiedereroberten und wieder zerstörten Städte in so kurzer Zeit gesäubert, wie es in Europa im Bombenkrieg kaum irgendwo der Fall war. Aber unter den Schrecken der zum technischen Höchstmaß gesteigerten Feuerwalzen, der auf den Rückzügen hinter-lassenen „verbrannten Erde“ und der Massensäuberungen unter den Überlebenden beginnt auch die asiatische Leidensfähigkeit dieses Volkes zu zerbröckeln. 4,3 5 7.0 0 0 Flüchtlinge sind heute allein im engen südkoreanischen Raum zusammengepfercht — getrieben nur noch von der Angst der Kreatur vor der Schlachtbank. Sie wissen, daß sie nichts mehr vorfinden, wenn der Krieg morgen zu Ende geht — keine Wohnhäuser, keine Fabriken, keine Werkzeuge und nicht einmal ihre Felder. Und dieses Schicksal droht die Menschen zu Flugsand der Politik zu zerreiben. Zahllos beginnen sich die Frauen, die bis vor sieben Monaten noch ganz un-emanzipierte Hüterinnen der Familie waren, zur gnadenlosen Bekämpfung der ebenso gnadenlosen Partisanen zu melden. — Vor uns liegt die Reproduktion einer Lichtbildaufnahme aus Korea. In- langer Reihe Ziegelsteinpostamente in kurzen Abständen und auf ihnen menschliche Köpfe von Männern und Frauen, auf der Straße ausgestellt zur Abschreckung von der Resistenz, derselben Haltung, die in europäischen Ländern als Heldentum, gefeiert wurde. Verschreckte einheimische Bevölkerung und einige Militärpolizisten in westlicher Uniform bilden die Staffage dieser grauenvollen Schau. — Bildpropaganda des Gegners? Ja, aber sie wäre nicht möglich ohne das schreckliche Geschehen. Der Vernichtungswahn greift in das Innerste. Die Staatsmänner sollten ihm Einhalt gebieten, ehe er wie eine unaufhaltsame Seuche sich über die ganze Menschheit ausbreitet.

EIN MOSKAUER VORSTOSS NACH DEM NAHEN ORIENT, gerichtet auf weitgesteckte große Ziele, ist in Vorbereitung begriffen. Erstrebt ist die Besitznahme des russischen Stadtviertels von Jerusalem für Moskau, jenes Gebietes der jetzigen Hauptstadt Israels, das vor fünfzig Jahren in Jerusalem, ausgestattet mit einer Kathedrale und umfangreichen Pilgerhospizen, von dem damaligen zaristischen Rußland geschaffen wurde. Die russische Paläsiina-kommission, die den ausgedehnten wertvollen Komplex verwaltete, wurde während des ersten Weltkrieges aufgelöst und das Eigentum von der britischen Mandatsverwaltung als Treuhänderin übernommen, die aus den Erträgen den in Palästina verbliebenen russischen Klerus unterstützte und die Überschüsse in Neubauten investierte. So wuchs die Bedeutung des russischen Viertels immer mehr an, das heute das Landgericht, das Polizeihauptquartier, das Regierungsspital und zahlreiche andere öffentliche Institutionen in sich etn-schließt. Sowjetrußland verbuchte schon frühzeitig über das russisch-orthodoxe Patriarchat von Moskau seine Rechte geltend zu machen und die Nachfolgerschaft der zaristischen Palästinakommission für sich zu beanspruchen. Nach dem zweiten Weltkrieg war der Patriarch persönlich in Jerusalem; er ließ eine SondermissiQßi der russischen Kirche zurück, der gestattet wurde, im russischen Viertel zu wohnen. Seither hat Moskau die Palästinakommission offiziell rekonstruiert und fordert nun die Übergabe sämtlicher Ländereien und Baulichkeiten. Dieser Anspruch wird von den noch lebenden Mitgliedern der ehemaligen zaristischen Palästinakommission, die sich in Pari ebenfalls wiederum konstituierte, bestritten. Die Kommission protestiert gegen eine Besitzesübergabe an Bevollmächtigte des derzeitigen Patriarchen von Moskau, der nur ein willfähriges Werkzeug in der Hand der Sowjetrepublik darstelle. Die Behörden Israels befinden sich bei diesem Streitfall vor einer schwierigen Situation. Einerseits erregt die Aussicht, daß die kommunistische Propaganda im Nahen Osten hinkünftig von einem exterritorialen Zentrum im Herzen der Heiligen Stadt aus operieren könnte, schwere Bedenken. Andererseits will das Außenministerium Israels nicht mit der Sowjetunion kollidieren, die ohnehin seit Monaten eine zunehmend judenfeindliche Einstellung an den Tag legt.

ALLE ZEHN JAHRE seit 1901 vollzieht England seine allgemeine Volkszählung, also heuer am zweiten Aprilsonntag die fünfzehnte in einer nur 1941 zur Zeit der deutschen Bombenangriffe unterbrochenen Folge. Eine neue Art der Verr anlagung erstrebt jetzt bevölkerungs- und sozialpolitisch wichtige Aufschlüsse, so zum Beispiel, wenn Fragen nach der Größe der Wohnung zu beantworten sind und ob für eigene Wasserleitung und Badegelegenheit vorgesorgt ist. Die zunehmende Zahl von Scheidungen, Ehezerstörungen und Wiederverheiratungen hat die Nachfrage nach der Zahl der Wiederverheiratungen, dem Zeitpunkt der ersten Eheschließung veranlaßt; weitere Erkundigungen beziehen sich auf das Alter, in dem der Befragte seine Vollausbildung als Arbeiter, Handwerker, Arzt usw. erreichte; diese Erhebung entspricht einer Erhebung des bevölkerungspolitischen Komitees der Vereinten Nationen, die auf einen internationalen Vergleich des Ausbildungsniveaus abzielt. Eine andere Frage sucht das Maß der unbezahlten Arbeit zu ermitteln. Die Kosten der Feststellung und Verarbeitung dieses umfangreichen Materials werden auf fünf Viertel Millionen Pfund berechnet, eine Summe, mit der sich der für die österreichische Volkszählung ergebende Aufwand leider nicht wird messen können.

EIN BEISPIEL MUTIGER SOZIALER INITIATIVE wird aus Zeitungsmeldungen bekannt. Vor drei Jahren beschloß der Besitzer eines Kärntner Mittelbetriebes, seine Arbeiter und Angestellten am Gewinn des Unternehmens , zu beteiligen. Die Arbeitnehmer wurden, den Arbeitsbedingungen des Werkes angemessen, in das dauernd beschäftigte Stammpersonal — für welches die Gewinnbeteiligung sechzig, ja sogar bis hundert Prozent erreichte — und in die Gruppe der Saisonarbeiter geteilt, der im allgemeinen fünfzehn Prozent zugestanden wurden. Die als Anteil ausgeschütteten Summen stiegen zwischen 194S und 1949 sprunghaft von vierzigtausend Schilling auf hundertdreizehntausend und vermehrten sich im letzten Jahr abermals auf hundert-vierundzwanzigtausend. Die guten Folgen biteben nicht aus: die Produktivität des Unternehmens stieg außerordentlich, ungestörter sozialer Friede zog in das Werk ein, das trotz mancher Anfeindungen dieser so glücklichen Initiative heute große Anziehungskraft auf die Arbeiterschaft der Umgebung ausübt. Es ist eben ein großer Trugschluß, die Lösung sozialer Fragen vom Staat, durch bürokratische Regelung „von oben“, zu erwarten. Das Beispiel des Kärntner Betriebes Johann Raunika.r zeigt einen anderen Weg. Wahrscheinlich auch den erfolgreicheren.

DIE „PREISE DER STADT WIEN“ für das Jahr ,1951 sollen in einigen Monaten an Gelehrte und Künstler verliehen werden; zum erstenmal sollen auch Publizisten für Verdienste, die sie sich um das Ansehen der Stadt Wien erworben haben, mit einem solchen Preis ausgezeichnet werden; leider scheint man aber auch diesmal wieder vergessen zu wollen, daß sich auch Theater und Film um Wien und seine Kultur verdient gemacht haben. Denn während die bildende Kunst in der Preisliste immerhin mit drei oder vier verschiedenen Sparten aufscheint, ist von der darstellenden Kunst überhaupt nicht die Rede. — Begrüßenswert sind die angeblichen Absichten der maßgebenden Stellen, neben die Würdigungspreise — die ja naturgemäß nur an schon Arrivierte fallen — zum erstenmal auch, dem Muster der Staats-,preise folgend, Förderungspreise treten zu lassen, mit denen jungen und aufstrebenden Kräften der Weg zur öffentlichen Anerkennung geöffnet wird. Das wäre eine schöne und dankenswerte Geste der öffentlichen Hand und geeignet, der Ehre, welche die Stadt Wien ihren besten Söhnen ange-deiheii lassen will, stärkere Resonanz und weitere Wirkung zu verleihen.

Österreicher für die Erschließung Tibets tätig

Im Jahre 1661 erreichten zwei Europäer als erste Lhassaj einer der beiden war der Jesuitenpater Johannes Grueber aus Linz, der gemeinsam mit seinem Begleiter, dem Belgier Albert Dorville, den Weg von Peking nachLhassazu Fuß zurücklegte. Leider sind nur wenige, aus der Hand P. Gruebers stammende Berichte über seine bemerkenswerte Reise erhalten geblieben. * -

* In ihrer Nummer vom 8. Dezember 1945 veröffentlichte die .Furche“ eine ausführliche Darstellung der Tibetreise des Johannes Grueber S. J.: .Ein Lihzer in Tibet.“ Die erste Erforschung des verschlossenen Landes. Von Dr. J. Renth au.

Den ersten Schritt zur wissenschaftlichen Erschließung der tibetanischen Kultur bildeten die Forschungen eines Altösterreichers, des aus Siebenbürgen stammenden CsomadeKörös. In der Hoffnung, die Urheimat der Magyaren zu entdecken, trat er zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Wanderschaft nach Zentralasien an. Sein Weg führte ihn nach Ladakh, der westlichen Randprovinz Tibets, wo er sich schließlich in einem lamaistisdien Kloster niederließ, um die Sprache und das Religionswesen der Tibeter zu studieren. Lange Jahre hindurch, nur von einer geringfügigen Subvention lebend, betrieb er hier seine Forschungen. Er starb im

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung