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Randhemerkungen zur woche

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DIE HAUSHALTSRECHNUNG IST JETZT DAS GROSSE EXEMPEL für viele Österreicher. 1400 Schilling auf die Hand sind kein schlechter Monatslohn. Sie erlauben zwar einem alleinstehenden Menschen in einer angespannten Wirtschaftslage keinen übermäßigen Aufwand, aber doch noch ein menschenwürdiges Leben. Kritisch wird es, wenn dieser Lohnempfänger verheiratet ist. Die Schwierigkeiten wachsen mit jedem Kind. In welcher Zwangslage aber ein Familienvater heute steht, der dieses Einkommen bezieht und vier Kinder zu ernähren hat, wurde auf einer Versammlung des Familienwerkes der Katholischen Aktion in Wien, die vor dem Abschluß eines neuen Lohn - und Preisabkommens die Öffentlichkeit auf ihre Verpflichtung gegenüber der Familie aufmerksam machte, an einem einfachen Rechenexempel erschreckend deutlich. 1400 Schilling findet zum Beispiel ein langdienender Beamter in einer Sozialversicherung am Monatsletzten in seiner Lohntüte. 200 Schilling gehen davon — niedrig gerechnet — sofort für Wohnung, Licht, Gas und Beheizung weg. Bleiben 1200 Schilling für — es handelt sich um ein Ehepaar mit 4 Kindern — 6 Personen. 1200 : 6 =s für jede Person 200 Schilling. Gewiß braucht nicht jedes Kind genau so viel zum Leben wie ein Erwachsener, aber die notwendigen Neuanschaffungen für Kleidung, Wäsche und vor allem für Schuhe sind im Wachstum bekanntlich größer. Nicht zu sprechen von der Rücklage für Krankheiten! Wie schnell aber 200 Schilling zwischen den Händen . selbst der tüchtigsten und sparsamsten Hausfrau zerrinnen, sieht man daran, daß 36 Schilling sofort wieder abgezogen werden können, wenn sich die Eltern ujid Kinder pro Tag und Person ein halbes Kilogramm trockenes Brot „leisten“. Butter und Fletsch sind dann oft schon ein Problem, eine Tafel Schokolade oder etwas Obst ein seltener Luxus. Wie weit das Leben kinderreicher Familien aber heute abgesunken ist, zeigt ein Vergleich mit den Zahlen, die das Wirtschaftsstatistische Amt für das Existenzminimum ausgerechnet hat. Dieses beträgt für Erwachsene 440 Schilling, für Kinder zwischen 10 und 20 Jahren 350 Schilling, für Kinder zwischen 5 und 9 Jahren 270 Schilling. Für eine sechsköpfige Familie ergibt sich demnach als Existenzminimum eine Summe von 2120 Schilling. 2120 zu 1400! Daß dieser Unterschied von 700 Schilling durch die neue Lohn- und Preisbewegung nicht größer, sondern geringer werde, daran zu erinnern, sah sich mit Recht das Familienwerk der KA verpflichtet.

EINE SCHAREGEWÜRZTE DARSTELLUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN LAGE ÖSTERREICHS, die kürzlich der Wiener Korrespondent der „New York Times“ veröffentlichte, hat wegen ihres ungewohnten, unfreundlichen Tones in Österreich beträchtliches Aufsehen erregt und wurde sofort in der innerpolitischen Debatte tedenziös verwertet. In diesem Zusammenhang schreibt „Austria“, die in New York erscheinende deutschsprachige Zeitung der österreichischen Kolonie, über die Rolle des genannten New-Yorker Blattes im amerikanischen Zeitungswesen:

„Es ist den in Wien arbeitenden Zei-tungs/correspondenten leicht möglich, eine Panik in Österreich zu erzeugen. Die Ursache liegt darin, daß man sich in Wien oft nicht die richtige Vorstellung über das amerikanische Zeitungswesen macht. Man versteht nämlich in Wien unter der amerikanischen Presse schlechthin nur die ,New York Times'. Sie wurde zu einem falschen Begriff. Daß der Einfluß der rNew York Times' bestenfalls bis nach Trenton, New Jersey, eine Bahnstunde von New York entfernt, reicht und daß in Chikago und in den anderen Großstädten die ,New York Times' kaum mehr gelesen wird als die .Mistelbacher Nachrichten', weiß man wohl hier, aber nicht jenseits des Ozeans.“ Man braucht diese Einschätzung nicht wörtlich zu unterschreiben, aber richtig ist, daß Zeitungsartikel in den Vereinigten Staaten nicht jenes Gewicht haben, das in Europa der ersten Publizistik zugemessen wird. Mit einer einfachen Geste hat der berufene Beurteiler der Leistung Österreichs, der Hochkommissär Walter J. Don-nelly, in einer Washingtoner Rundfunkrede alles üble Gerede mit dem Satze abgetan: „Wir sind stolz auf Österreichs Freundschaft und Österreich ist stolz auf die unsere.“

EIN ALTES POLITISCHES LIED wird nicht schöner, wenn es immer wieder angestimmt wird, abermals ist es der CV, der — diesmal vom Grazer Blatt des extremen Flügels der „Unabhängigen“ — zu einer Art österreichischem Ku-Klux-Klan umgedeutet und in seiner ganzen „Gefähr-

lichkeit“ einer schaudernden Leserschar vorgeführt wird. Daneben steht die Entdeckung eines „Roten CV“ — des „Bundes sozialistischer Akademiker“. Soweit die Polemik. Der fatale Zufall wollte es, daß dasselbe Blatt in der gleichen Nummer, nur wenige Seiten später, einer neuen akademischen Vereinigung das Wort spricht. „Akademikerverband Österreichs“, nennt sie sich, ganz harmlos und nichtssagend, in Graz trat sie das erstemal an die Öffentlichkeit. Ihr toirfclicher Name: die deutsche Burschenschaft. Sie haben also auch schon ihre Visitenkarte abgegeben, die Kollegen von der nationalen Fakultät. Und an ihnen ist alles gut und richtig, was anderen studentischen Vereinigungen und Verbindungen nur wenige Seiten vorher stark angekreidet wurde. Mit Beifall begrüßt das Blatt den „idealen Kern des Verbindungswesens“, „das Bestreben, sich in kleinen Gemeinschaften zusammenzuschließen, um sich gegenseitig zu förder n“. Damit kein Zweifel besteht, daß der „Akademikerverband Österreichs“ wirklich der legitime Nachfolger der schwarzrot-goldenen Burschenschaft ist, folgt ein kleiner Exkurs über den großen Festkommers der Burschenschaft in Bingen am Rhein und eine neue Interpretation der alten Ideale „Freiheit, Ehre, Vaterland“. Und da staunt jeder, der die Vergangenheit noch nicht vergessen hat. Die im Akademikerverband Österreichs zusammengeschlossenen Burschenschaften erklären, „für ein freies, gleichberechtigtes und ungeteiltes österreichisches Vaterland in einem geeinten Europa zur Wahrung der abendländischen Kultur“ wirken zu wollen. Das ließe sich hören. Der erfreuliche Wandel wird, wie zu hoffen steht, auf seine Bestätigung nicht warten lassen.

ZU DEN WAFFENSTILLSTANDSVERHANDLUNGEN IN KOREA liegen der „Furche“ Informationen aus China vor, die einen Tatbestand betreffen, der etwa zwei Monate zurückliegt und schon damals die militärische Entwidmung beeinflußte. Nicht die Erschöpfung des militärischen Potentials und nicht die Größe der Blutopfer, welche die einjährige Kriegführung in Korea abforderte, bestimmten das Erlahmen der chinesischen Angriffsfront. Die Pekinger Regierung sieht sich vielmehr durch Erscheinungen im Innern Chinas bedrängt. Eine zunehmende Resistenz, das Anwachsen der Partisanenbewegung fällt zusammen mit dem Auftreten großer wohlbewaffneter Kader in Nordchina, sich Talliierender Kräfte aus den zersprengten Armeen Tschiangkaischeks, die in großen Gebieten mit solchem Erfolg sich behaupten, daß die Situation sich völlig vom Süden, dem bisher noch unbeschränkten Herrschaftsgebiet der kommunistischen Regierung, unterscheidet.

GLEICHGÜLTIG, OB IN EUROPA ODER IN ASIEN: Nicht ein örtlich bestimmtes Produkt, das seine Erscheinung nach verschiedenen äußeren Bedingungen wechselt, heißt sich „Volksdemokratie“, sondern ein monotones System, das mit maschinen-hafter Gleichförmigkeit abläuft, nur auf das eine Ziel abgestellt, die absolute Herrschaft der Gewalt zu erringen. Ob in Lettland, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien oder in Ostasien — überall dasselbe. In China ist dieselbe verleumderische Mache mit genau denselben Parolen wie in den europäischen Volksdemokratien im Gange; der päpstliche Nuntius Riberi wird als „Staatsfeind“ hingestellt; acht katholische Missionsbischöfe liegen bereits in den Kerkern; der greise Bischof Jean de Vienne von Tientsin, der fünfzig Jahre seines Lebens als Chinamissionär verbracht hat, erwiderte den Ausweisungsbefehl mit der Bitte, sein Leben in dem Lande, dem seit seiner Jugend seine ganze Liebe gehöre, beschließen zu dürfen, er sei zufrieden, wenn man ihm nur eine bescheidene Kammer als Wohnung lasse. Doch umsonst. Eine Polizeieskorte brachte ihn zum Schiff. Die letzten Verhafteten sind der Bischof von Wuchang, Mgr. Kowalski, und sein Generalvikar, P. Siegfried Schneider, beide unter der Anklage des „Kindermordes“ verhaftet, wegen angeblicher Mitschuld an dem Tod von Kindern, die in einem von Ordensschwestern geführten Spital gestorben waren, arme halbverhungerte Findelkinder und andere, die in hoffnungslosem Zustand als Kranke gebracht worden waren. In Wuchang wurden aus den Friedhöfen der katholischen Waisenhäuser Skelette von Kindern ausgegraben, und Schüler und Erwachsene mußten in einer Demonstration mit den Särgen an den Schwestern und am Bischof von Wuchang vorüberziehen.

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