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Randhemerkungen zur woche

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ÖSTERREICHS NEUER AUSSENMINISTER findet bei seinem Amtsantritt eine verantwortungsvolle große Aufgabe vor. Die Horizonte der internationalen Politik scheint ein neues Licht zu erhellen, noch unbestimmt, eine Hoffnung und kein Versprechen, eine nach ihrer Tragweite erst zu ergründende Erscheinung. Die Moskauer Note vom 26. November, die nach langer Unterbrechung des persönlichen Kontakts bedingungslos die Bereitwilligkeil der Sowjetregierung bekundet, sich mit den Außenministern der Westmächte wieder an den Verhandlungstisch zu setzen, kann eine Wende bedeuten, an der weder ungeduldiger Optimismus, noch starre mißtrauische Verneinung den Anspruch hat, gute Politik zu sein. Ohne eine strikte programmatische Aufzählung der Beratungsgegenstände der Viermächtekonferenz spricht die Note von der Notwendigkeil ,,sowohl aie Verringerung der internationalen Spannungen in ihrer Gesamtheit zu prüfen, als auch die Sonderfrage der Sicherheit in Europa die Lösung der deutschen Probleme“. In diesem Umriß wird Oesterreich ausdrücklich nicjft genannt, aber es kann wohl kein Zweifel bestehen, daß das Thema Oesterreich geradezu den Test für den guten Willen darstellt, die internationalen Soannun-gen zu verringern. Die sowjetische Note betonte übrigens ausdrücklich, die Konferenz müsse die echte Möglichkeit haben, die drin-pendsten internationalen Probleme in den Verhandlungskreis einzuschalten. Das heiße Remühen der Führung der österreichischen Politik wird also in den kommenden Wochen darauf gerichtet sein, die Gebieter der Welt zu bewegen, die äußerste Dringlichkeit zu erkennen, daß sie an die endliche Erfüllung des Versprechens der Moskauer Konferenz gehen, die Wiederherstellung unserer Freiheit. Es sollte keine österreichische Parteipolitik geben, die, wie immer sie sich benenne, sich der Unterstntzuna dieses Bemühens um Freiheit und Recht Oesterreichs versage.

„DER EINE SASS, DER ANDERE STAND, der stimmte für, der wider: das war der Nationalverband, stimmt an das Lied der Lieder ...“ Jenes sarkastische und doch so zutrelfende Wort, das ein aufmerksamer Beobachter für die im „Nationalverband“ lose zusammengeschlossenen nationalliberalen, Abgeordneten des letzten kaiserlichen Reichsrates geprägt hat, scheint von zeitloser Gültigkeit für jene ,dritte Gruppe“ der österreichischen Innenpolitik. Denn, was gestern dem „Nationalverband“ gesungen, könnte in diesen Tagen wieder dem .Verband der Unabhängigen“ zugeeignet werden. Das nationalliberale Lager in Oesterreich ist sich eben über Jahrzehnte hinweg gleichgeblieben. Damals wie heute gibt es hier mehr .freiheitlich' Gesinnte und sogenannte „Nationalbetonte“, ein gewisser bürgerlicher alpenländischer Freisinn widerstreitet eiirigen Verfechtern der Parole „lieber rot als schwarz“. „Alte Marschierer“ kommen dazu ... Der Ausschluß Dr. S iüber s und seiner „Wiener Gruppe“ aus dem VdU, ihr Entschluß, eine eigene Partei zu gründen, scheint jedoch mehr zu sein als eines jener bekannten Zwschenspiel im „Streit der Wagen und Gesänge“. Die schon seit geraumer Zeit erwartete Teilung des nationalen Lagers in zwei Gruppen ist da. Die Frage allein ist offen, ob es dem Bundesvorstand des VdU, in dem es, wie niemals geleugnet, einige Persönlichkeiten mit ehrlichen Absichten und nüchternem politischem Sinn gibt, gelingen wird, die Trennungslinie gegenüber den radikalen, ohne Zweifel zu Dr. Stüber hinstrebenden Elementen zu ziehen, ohne weitere Teile der durch den Sog zu den Großparteien ohnehin schon dezimierten Gelolgschaft zu verloren. Zwei Möglichkeiten der Entwicklung zeichnen sich ab. Die eine: Politische Konsolidierung einer loyalen staatsbejahenden Gruppe unter dem bisherigen VdU-Bundesvor-stand, und eine radikale Stüber-Partei, die entweder überhaupt nicht ins Parlament kommt (die NSDAP hatte im österreichischen Nationalrat nie auch nur einen einzigen Abgeordneten) oder höchstens die Stärke der Kommunisten erreicht. Die Gefahr ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß im Wettstreit um die auf der „inneren Linie“ verharrenden Wähler beide Gruppen — die Anziehungskraft Stübers gerade auf jene „allzeit getreuen“ Wähler darf nämlich nicht unterschätzt werden — mit großem Lärm die „nationale“ Karte ausspielen. Somit wären wieder einmal die letzten Dinge ärger als die ersten...

LAUT GESETZ SIND ALLE ÖSTERREICHER, die eine Ehe eingehen wollen, verpflichtet, ihren Ehewillen vor dem Standesbeamten und zwei Zeugen zu erklären. Jede Ehe, die nicht auf diese Weise geschlossen wird, ist ungültig. Und zwar muß der Standesbeamte gemäß 18 des Ehegesetzes an die Verlobten einzeln und nacheinander die Frage richten, ob sie die Ehe miteinander eingehen wollen. Allein, es bleibt nicht bei diesen Fragen. Die Brautleute müssen, bevor sie ihren Ehewillen erklären, sich eine Rede des Standesbeamten anhören, nach der Erklärung ihres Ehewillens erfolgt ein Ringwechsel, meist unter Orgelbegleitung. Ansprache des Standesbeamten, Ringwechsel, musikalische Untermalung sind rechtlich gegenstandslos und durch das Gesetz in keiner Weise vorgeschrieben. Das Gesetz fordert nur, daß die „Eheschließung in einer der Bedeutung der Ehe entsprechenden würdigen und leierlichen Weise vorgenommen werden soll.“ Dieser Vorschrift ist aber 'bereits Genüge getan, wenn der Standesbeamte seinen Talar trägt und seine Fragen stellt. Alles andere ist entbehrlich. Die genannten Zeremonien mögen am Platze sein, wenn die Brautleute die Absicht haben, nur eine standesamtliche Ehe einzugehen. Sie sind aber fehl am Platz, wenn es sich um Brautleute handelt, die in der standesamtlichen Trauung nur einen Akt der Registrierung sehen, der gewisse rechtliche Folgen nach sich zieht. Solche Brautleute werden sich wahrscheinlich die Ringe sofort nach der standesamtlichen Trauung wieder von den Fingern ziehen. Keinem Oesterreicher kann es deshalb verwehrt werden, bei der Anmeldung zur standesamtlichen Trauung zu erklären, daß er diesen Akt nur in der vom Gesetz vergeschriebenen Form zu vollziehen wünscht. Seilte das Standesamt darauf beharren —■ und dies hat sich schon ereignet —, daß die Brautleute sich die Rede anhören und den Ringwechsel vornehmen müßten, dann können die Brautleute darauf hinweisen, daß sie den Rechtsweg beschreiten werden. Sie werden den Prozeß gewinnen, denn zu „Fleißanlgahen“ kann niemand verpflichtet werden, weder am Finanzamt, noch am Standesamt.

MOSKAUS NOTE AN DIE WESTMÄCHTE, die Zustimmung des Kremls zu einer Viererkonferenz der Außenminister, traf in Paris im kritischesten Moment der Regierung Laniei ein, in Washington auf einem Höhepunkt des innenpolitischen Kampfes (die White-Affäre), in London, während Churchill und Eden die letzten Vorbereitungen für die Bermuda-Kon' ferenz treffen. Der Zeitpunkt zur Zerspaltung des Westens hätte kaum günstiger gewählt werden können. Frankreich, drei Wochen vor der Präsidentenwahl, war knapp daran, seine Regierung zu verlieren, so daß die Bermuda-Konferenz abgesagt hätte werden müssen oder zu einer einseitigen Aussprache Eisenhower-Churchill herabgesunken wäre. Die Note des Kremls hat denn auch sofort für Laniei den Verlust nicht weniger Stimmen in der entscheidenden Sitzung der Nationalversammlung bedeutet. Frankreich ist weniger denn je bereit, für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft zu stimmen. In England stärkte sie sowohl den linken Flügel der Labour-Party um Bevan, wie die Bemühungen Churchills um eine eigenständige Außenpolitik. Das

„aaftfttt 6m Mtämtm“ ist offensichtlich: für Paris und London ist dieses Angebot Moskaus primär bestimmt — das Schweigen Eisenhowers und die gereizten Bemerkungen von John Foster Dulles verraten selbst dem politischen Kind, daß die Sackgasse der amerikanischen Außenpolitik (wenn von einer solchen überhaupt gesprochen werden kann — besonnene Schweizer Beobachter sprachen schon vor einiger Zeit von einem Ersatz der Außenpolitik durch ■ Propaganda einerseits, zweiseitige Stützpunkt-Verträge anderseits) offenkundig geworden ist. Kein Bewohner der freien Welt hat Anlaß, sich darüber zu freuen. Kein Grund zur Schadenfreude, denn auf der Stärke der USA ruhen alle anderen Gewichte des Westens. Auf der wahren Stärke der Vereinigten Staaten. Diese aber kommt gegenwärtig politisch, außenpolitisch, nur wenig zum Ausdruck. Es zeigt sich, daß in Amerika wie in anderen Staaten die Zeit der Improvisationen vorbei ist. Berlin, die Luftbrücke nach Berlin, und in gewissem Maße auch noch das Eingreifen in Korea waren solche geniale erfolgreiche Improvisationen. Die Pläne osteuropäischer Emigranten, die Reden einzelner republikanischer Senatoren und manchmal auch des Außenministers verraten, daß man immer noch mit Improvisationen liebäugelt, im übrigen aber In einem Leerraum verharrt. Das spüren London und Paris seit langem und streben deshalb zu Verhandlungen nach Moskau; diese sind nicht gegen Amerika gerichtet, wollen aber die europäischen Länder des Westens aus einer allzu einseitigen Bindung an einseitig amerikanische Konzepte lösen. Eine nicht ungefährliche Situation. Gehen Stalins Prophezeiungen über die kommende Spaltung des Westens in Erfüllung? Noch ist es zu früh, ein letztes Urteil zu fällen. Die Bermuda-Konferenz wird zeigen, inwieweit es den Politikern der USA gelingt, die Besorgnisse Englands und Frankreichs zu zerstreuen. Deutschland wird im Vordergrund der Beratungen stehen. Das weiß Moskau. Und hat deshalb als Treffpunkt einer Viererkonferenz Berlin vorgeschlagen.

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