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Randhernerkungen zur woche

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„DIE KRAFT HAT NUR IM DIENSTE des Geistes Wert und Größe. So haben wir unsere bewaffnete Anwesenheit verstanden und verstehen sie auch heute noch.“ Der mit diesen Worten die Stellung seiner Besatzungsmacht in Österreich umschrieb und umschreiben durfte, war General Bethouard, der französische Hochkommissar, der in diesen Tagen Österreich verließ. Man kann sagen, dieser fremde General, der als Soldat auf sehr ruhmreiche Leistungen zurückblickt, war in Österreich ein Eroberer auf besondere Weise. Er vermochte es, das Herz des österreichischen Volkes zu gewinnen. Deshalb, weil er aus einem tiefen christlichen Empfinden das österreichische Volk verstand und sein großherziger Freund und Helfer wurde. Die Wiener Universität hat ihm ihr Ehrendoktorat verliehen. Daß dies einem Soldaten geschah, bezeichnet so recht, daß der Österreicher in diesem General den hochgesinnten Menschen, den Wissenden und liebevoll um die geistigen Güter der Menschheit Bekümmerten, viel mehr als den Soldaten sah. So sei denn aus dem Abschiedsgruß an Österreich der schöne Satz festgehalten, den er im Festsaale der Wiener Alma mater als ihr akademischer Ehrenbürger sprach: „Wir sind Mitglieder alter Nationen, die im Verlaufe einer stürmischen Vergangenheit die Sinnlosigkeit militärischer Eroberungen nd nationalistischer Leidenschaften unter persönlichen Opfern begriffen haben, aber auch den Preis der geistigen V/erte, imd die wissen, daß nur das göttliche Gebot der Brüderlichkeit und Einigkeit unter den Menschen guten Willens der Menschheit den ersehnten Frieden bringen kann.“ Mit einem vielsagenden Wort Bossuets, äußerst angebracht in unserer vom technischen Ungeist bedrohten Epoche, schloß der leider von uns Scheidende: „Wehe dem Wissen, das nicht in Liebe münde t.“

„WIR HABEN BLOSS ZWEI SÖHNE gehabt. Der ältere ist mit 28 Jahren gefallen, der jüngere ist mit 18 Jahren eingerückt, heute ist er 29 und seit fünfeinhalb Jahren in russischer Gefangenschaft. Seine ganze Jugend ist dahin. Seit 17 Monaten haben wir keine Nachricht mehr von ihm. Kann uns denn niemand helfen, unseren einzigen und letzten Sohn endlich heimzubekommen? Mein Mann ist seit Jahren leidend und ich nicht minder. So hilf Uns doch endlich, Generalissimus Stalin; zu einem Wiedersehen, zu einem Lebenszeichen, bevor er draußen und wir daheim zugrunde gehen!“ So sprach eine Mutter am vergangenen Freitag bei der Großkundgebung im Sofiensaal, zu der die Frauen und Mütter der noch immer nicht heimgekehrten Kriegsgefangenen aufgerufen hatten. Dann berichtete eine junge Frau, die nach der Hochzeit im Dezember 1941 „alle Urlaubs-tage zusammengerechnet 32 Tage“ mit ihrem Mann vereint gewesen war, von ihrem Leidensweg in den letzten Jahren, von den spärlichen und zum Schluß (tanz versiegenden Nachrichten, aus denen sie den fortschreitenden körperlichen Verfall des Gefangenen herauslesen mußte. Aus ganz Österreich waren die Angehörigen der Gefangenen zusammengekommen, um in einer gemeinsamen Resolution Regierung, Nationalrat und vor allem Generalissimus Stalin selbst zu bitten, doch endlich den Kindern ihre Väter, den Frauen ihre Männer und den Eltern ihre Kinder zurückzugeben. — Zu den erschreckendsten Symptomen unserer Zeit gehört die Verhärtung gegenüber Massenelend und Massenleid, ja auch gegenüber dem Leid der nächsten Mitmenschen; nicht aus Bösioillifj-keit, sondern aus Gewöhnung, Gedankenlosigkeit und Bequemlichkeit. Gerade deshalb aber hat die Publizistik aller Richtungen und Parteien die Ehrenpflicht, immer wieder laut ihre Stimme zu erheben und darauf zu dringen, daß Regierung und Parteien, die großen öffentlichen Körperschaften, die Bünde und Kammern und darüber hinaus das ganze Volk sich vereint in der Bitte und Forderung nach der Heimsendung auch der Letzten. Denn für uns alle, denen das furchtbare Schicksal und unermeßliche Leid erspart blieb, das unsere Mitmenschen in seiner vollen Schwere traf, für alle glücklich Heimgekehrten und ihre Angehörigen, gilt, was eine Mutter, deren Sohn heimgekehrt ist, in jener Versammlung sprach: „Solange es eine weinende Mutter gibt, solange werde ich mit ihr weinen und heute mit ihr bitten, so wie sie gestern mit mir gebeten hat.“ •

DIE TIROLER LANDESREGIERUNG hat, einer Anregung ihres Kunstbeirats folgend, dreißig Künstler nach Venedig geschickt; den Anlaß dazu bot die Kunstbiennale dieses Jahres, auf der zum ersten Male Tiroler Graphiker und Maler in größerer Anzahl vertreten, sind. Jenen dreißig Tiroler Künstlern sollte mit einem Venedigaufenthalt ein Überblick über die Lage der modernen Kunst und ein Vergleich zwischen dem eigenen Schaffen und dem der Künstler anderer Nationen ermöglicht werden. Das bedeutet in der Tat vernünftige und großzügige Kunstförderung; sie gibt sich nicht mit der Gewährung eines Almosens zufrieden, sondern zollt den unaufhörlichen Bemühungen der österreichischen Künstler, sich im internationalen Wettstreit ehrenvoll zu behaupten, die gebührende Anerkennung, eifert sie damit wohl auch zu vermehrten Leistungen an. Es wäre erfreulich, wollte das Beispiel der Tiroler Landesregierung Nachahmung finden. Denn es ist ja leider keineswegs so, daß man unsere bildenden Künstler in planmäßiger und wirklich durchdachter Weise in ihren Anstrengungen um internationale Anerkennung unterstützte; ein kleiner, aber charakteristischer Vorfall sei dafür als Beispiel angeführt: Besucher des österreichischen Pavillons auf der Biennale zeigten Neigung, die eine oder andere der ausgestellten Arbeiten nach Schluß der Exposition käuflich zu erwerben. Infolge irgendeines Versehens hatte man die Preise dieser Arbeilen aber in Venedig nicht zur Notiz gegeben. Die Venezianer fragten also bei den in Betracht kommenden Wiener Stellen an — aber in Wien kümmerte sich niemand um diese Anfrage, deren schnelle Beantwortung möglicherweise für einige unserer Künstler Monate finanziell gesicherter Arbeit bedeutet hätte. Die mehrfache Wiederholung der Anfrage blieb gleichfalls ohne Echo. Schließlich wandle sieh die Biennaleleitung an einen der österreichischen Aussteller, dessen Anschrift sie — zufällig — wußte. Und dieser übernahm es dann, seinen Kollegen zu schreiben und deren Preislisten nach Venedig zu schicken. Man wunderte sich in Venedig mit Recht über diesen Vorfall...

DIE RÜCKEROBERUNG VON SEOUL und die Zangenbewegung der Truppen der Vereinten Nationen, die einen Teil des nordkoreanischen Invasionsheeres im Südosten des Landes absclmitt, hat die Lage auf dem koreanischen Kriegsschauplatz mit unvorhergesehener Schnelligkeit verwandelt. Es wäre zu wünschen, daß diese unglückliche, rein mechanische Grenze des 3 8. Breite grades auch gegen den Willen der Südkpreaner militärisch respektiert Wird und in der Nähe dieser unsichtbaren Schranke ein wirklicher Friedensschluß erreicht wird. In dieser Situation sollen die Staatsmann er reden Und nicht die Soldaten. Es käme zustatten, daß sich auch die düsteren Wolken über Formosa zu verziehen beginnen. Die Erklärung, in der Präsident Truman die Neutralisierung der Insel ausdrücklich im doppelten Sinne sowohl'als Ziel wie als Basis eines möglichen Angriffs festlegte, sowie die Nominierung General Marshalls zum amerikanischen Verteidigungsminister bieten neuerlich eine Gewähr für eine realistische Politik Amerikas gegenüber China. ' Für Tschang-Kaischek bedeutet dies notwendig den Verzicht auf Abenteuer.

DIE VERLEIHUNG DES FRIEDENSnobelpreises an Dr. Ralph Bunche ist ein Akt der Anerkennung, der mehr als eine persönliche Ehrung des amerikanischen Staatswissenschaftlers und erfolgreichen Vermittlers im Palästinakonflikt zum Ausdruck bringt. Sie muß in einer Zeit, deren unglückseliges Symbol das Trennende zwischen den Menschen verschiedener Zunge, Klasse, Gesinnung und Hautfarbe ist, als eine wahrhafte Tat für den Frieden gewertet werden. Im „Neger“, der Dr. Bunche heute in den Augen zahlloser Weißer in allen Kontinenten sein mag, hat die Stockholmer Akademie zugleich mit dieser Ehrung eines im Dienste einer universalen Idee stehenden Menschen schwarzer Rasse zur Überwindung einer verhängnisvollen Kluft der Unmenschlichkeit beigetragen. Man wird den Sinn einer Ehrung, die zugleich Person und Symbol einschließt, gültiger kaxim erdenken können.

SOS ruft...

SOS-Bericht

SOS 13 „Flüchtlingsfamllle in himmelschreiender Notlage“: Wir haben bereits einen Geldbetrag geschickt, benötigen aber noch Bettwäsche und Schlafdecken, die wir mit einem größeren Lebensmittelpaket hinschicken wollen.

SOS 14 .Rollstuhl“: Leider konnte uns niemand einen Rollstuhl zur Verfügung stellen.

SOS 15 „3 Geschwister“: Wir danken für Lebensmittel, Traubenzucker, Malzextrakt, einen Anzug und Schuhe.

SOS-Rufe

SOS 19: Schuldlos total verarmte, tiefreligiöse Akademikerfamilie, Frau schwer leidend, zugleich durch Hunger bereits lebensgefährlich entkräftet, Gatte gesundheitlich kriegsgeschädigt (leidet an argen Folgen von Flecktyphus und Ruhr), seit längerem ohne festes Einkommen, leben mit S 200.— und weniger im Monat mit zwei Kindern (Bub zehn Jahre, Mädel sechs Jahre) als verschämte Arme in bitterster Not und tristen, teueren Untermietverhältnissen. Zum Aufbau einer kleinen Existenz wurden dringend S 1000.— benötigt. Wer kann helfen, eventuell fürs erste auch mit Kleidern, Lebensmitteln und Kräftigungsmitteln wie auch mit billigeren und besseren Mietverhältntssen?

SOS 20: 75jährige Flüchtlingsfrau (Alfösterreicherin) wohnt mit sechs anderen Flüchtlingen zusammen in einfenstrlgem Zimmer. Hat alles verloren. Verdient 80 bis 90 Schilling pro Monat (Bedienung). Sie könnte ein kleines Zimmer bekommen, doch fehlt es an Mitteln zur Beheizung. Wir benötigen für sie S 400.— für Brennmaterial, 5 m Barchent für ein warmes Kleid, warme Strumpfe, Schuhe und Hausschuhe (Nr. 40), ein warmes Wolltuch und Wäsche. Auch Bettwäsche wäre erwünscht.

SOS 21: Heimatvertriebene Familie mit acht Kindern, derzeit In einem Lager, haben für den Winter kefne Decken, kefn Bettzeug. Die Kinder laufen noch barfuß, weil sie keine Schuhe haben. Sie benötigen Lebensmittel und finanzielle Hilfe.

SOS 22: Schwer kriegsversehrter Akademiker, seit Jahren ohne richtiges Einkommen, Frau hat sich von ihm getrennt, er ist außerstande, für sein zweieinhalbjähriges Mäderl zu sorgen. Er hat etwa 700 Schilling Schulden. Gas seit Juli abgesperrt. Seine orthopädischen Schuhe hängen in Fetzen herunter. Wir bitten um finanzielle Hilfe und Lebensmittel.

SOS 23: 72jährige Gräfin, Ausländerin, infolge schwerer Krankheit seit zehn Jahren bettlägerig, ohne fürsorgerechtlichen Anspruch, wird von arbeitsloser Hausgehilfin erhalten, die mit ihr die Arbeitslosenunterstützung teilt und sie betreut. Wir bitten um Lebensmittel und finanzielle Hilfe.

Hilfe n I c h t an Redaktion „Die Furche“, sondern direkt an SOS-Gemeinschaft für Selbsthilfe, Wien I, Herrengasse 14, U 28 4 21, Postscheckkonto: Caritas der Erzdiözese Wien, SOS, 94.206.

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