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Randleemerkunqen ZUR WOCHE

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DER TRAGÖDIE FOLGT DAS SATYRSPIEL. So wollten es die alten Griechen, die wohl mit den Gesetzen des Lebens vertraut waren und die Regungen des Menschenherzens kannten. Dem bösen Spiel mit der Freiheitssehnsucht des österreichischen Volkes in Berlin folgte jene erregte „Fahnendebatte“ in der Wiener Landtagsstube, die einem Theatercoup nicht unähnlich war. Die Situation: die Minderheit hatte beschlossen, den Antrag zu stellen, nicht mehr am Belreiungstag zu tlaggen. Sie hatte diesen BeschluB — Hand au s Herz — sicher nicht ohne propagandistische Nebenabsichten schon Tage vor der Sitzung publiziert. Dies ließ die Mehrheit nicht ruhen. Der von ihr gestellte Chef der Landesregierung wollte — wiederum Hand auls Herz — „den anderen" diese Initiative nicht gönnen und verkündete kraft seines Amtes „Keine Beflaggung mehr am Befreiungstag“. Als dann der Landtag Zusammentritt, billigten seine Parteifreunde diesen Beschluß, die Partei „der anderen" aber versagte beleidigt ihre Zustimmung. Hatte man ihr doch einen dicken Happen weggeschnappt. Worauf sich wieder die Mehrheit revanchierte und gegen die Geschäftsordnung den Antrag der Minderheit als überholt durch den Präsidenten überhaupt nicht mehr zur Abstimmung brachte. Ergebnis (laut Tagespresse): „Sturmszenen im Wiener Landtag." Ich will, daß s'Fahnl nicht mehr ausgsteckt wird … nein, ich… Daß alles wäre sehr lustig, wenn es nicht sehr traurig wäre. Parteipolitik gegen Staatspolitik 2:0. Wenn schon vom Flaggen die Rede war. Bei solchen Kundgebungen der Verständnislosigkeit für die Erfordernisse der Stunde senken Sich die österreichischen Fahnen von selbst — auf Halbmast.

DIE BÄUERINNEN ÖSTERREICHS werden sich am 14. März zu einer Tagung in Wien zusammenfinden. Die Frage, ob die Landflucht mit Erfolg bekämpft werden kann, hängt wesentlich davon ab, ob es gelingen wird, der Frau au! dem Bauernhof ein Leben zu sichern, das in sozialer, gesundheitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht wenigstens einigermaßen dem ihrer Schwester in der Stadt gleicht. Durch— int Grunde genommen recht bescheidene — Hillen Verschiedener Art soll sie, nachdem šie nach dem Abgang der meisten Helferinnen gezwungen ist, oft Uebermensch- fiches zu leisten, wieder in die Lage versetzt werden, ein ruhigeres und leichteres Leben zu führen und eine frohe Kinderschar aufzuziehen, die ihr einst in ihrem Beruf gerne folgen und gerne wieder aut einem Hof frei find glücklich wirtschaften wird. Von diesem Ziel sind wir leider weit entfernt: In der Hälfte aller Landwirtschaftsbetriebe Oesterreichs, das sind 192.748, gibt es keine Kinder unter 14 Jahren, in rund 20 Prozent nur je ein Kind und bloß in 1613 tummeln sich mehr als 6! Und wie viele davon erhoffen sich das „Glück" in der Stadt zu finden, da ihnen das Vorbild der frühzeitig verbrauchten, übermüdeten und oft verbitterten Mutter nicht nach-, ahmenswert erscheint. Dem Mann stellt die Technik eine verwirrend große Zahl von Maschinen zur Verfügung, die ihm die meisten ganz harten Arbeiten abnehmen und es ihm daher möglich machen, den gesteigerten Anforderungen der Zeit auch mit wenigen Helfern einigermaßen gerecht zu weiden. Die Bäuerin entbehrt dieser Hilfen. In Deutschland schuf man nach dem Krieg in vielen Dörfern das sogenannte „Haus der Bäuerin". Ein gewisser Anfang in dieser Richtung wurde ja auch schon bei uns eingeleitet: In einer Reihe von Dörfern entstehen gemeinsame Kühlanlagen, die Schließfächer enthalten, die von den einzelnen Bäuerinnen zur fast beliebig langen Einlagerung von Frischfleisch und Gemüse benützt werden können. Der Wille zur gegenseitigen Hilfe in einer Zeit eines gemeinsamen, immer drückender werdenden Notstandes ist sichtbar! Auf der kommenden Tagung soll er gefestigt und verbreitet werden!

„AUF GRUND IHRER WIEDERHOLTEN GESPRÄCHE MIT UNS wissen Sie, daß wir immer Ihre bischöfliche Autorität anerkannt haben, daß wir niemals Christus oder Sein Evangelium der hierarchischen Kirche entgegengestellt, sondern stets die Integrität des Katholischen Glaubens bekannt und mit Gottes Hilfe darnach gehandelt haben"… „So wie der von seinen Freunden angeklagte Job, so kann auch uns nichts zum Schweigen bringen. Mehr als unsere Predigt hat unser Leben täglich Zeugnis von Christus und Seiner Kirche gegeben, und wenn man uns von außen her iür zu schweigsam gehalten hat, so haben unsere Kameraden uns gerade in dieser Beziehung nicht verachtet. In den letzten Jahren sprach man häufig von der .Naturalisierung', unserem Eintritt in eine kirchenfremde Welt. Wir haben deren Bedingungen, so wie sie uns jeden Tag mehr durch die Realität des Arbeiterlebens auferlegt wurden, nicht verschwiegen. Selbst in Rom, wo man dje Entwicklung sehr aufmerksam beobachtete, hat man diese Bedingungen nicht als unvereinbar mit unserem Priesterum oder mit dem Glauben der Kirche angesehen … Wir haben das Gefühl, zu einem guten Teil den unmenschlichen Forderungen eines Verteidigungsplanes geopfert worden zu sein, der die Kirche noch unbeweglicher macht, der sie aut sich selbst beschränkt und ihr eine Zukunft eröffnet, die sie gerade vermeiden möchte." So beginnt der Brief von 31 Ar- beiterpriestein der Mission de Paris an Kardinal Fel tin, mit dem sie ihren Gehorsam bekunden, den schmerzlichen Verzicht auf ihr Lebenswerk in der Arbeitermission. Dieser Brief, der durch die Presse aller freien Länder ging, Wird von der katholischen deutschen Zeitschrift „Michael" bezeichnet als „ein Zeichen des entsetzlichen Risses, der heute durch 'die Wirklichkeit geht und Kirche und Welt in einem Maße trennt, daß die großen gedanklichen Ordnungen des Mittelalters, die beide zu versöhnen suchten, farblos und unwirklich erscheinen". Die Arbeiterpriester der Mission de Paris, der Mission de France, dazu die Seminaristen von Limoges haben sich unterworfen — die wenigen, die öffentlich den Gehorsam verweigerten, bilden einen Fall für sich —, sie haben sich Unterworfen, nachdem sie selbst noch einmal deutlich vor aller Welt die große Fragwürdigkeit aufgezeigt haben, die darin bestehl, daß man aus einem großen, vielschichtigen Problem, das langer und geduldiger Aussprachen und Absprachen aller Beteiligter bedurft hätte, eine Frage des Gehorsams gemacht hat, und es abdrängt in die niedere Dimension der „Revolte", die, wie auch diese 31 letzten Mann nochmals bezeugen, nie beabsichtigt war. — Das also ist die Stunde des Triumphes der Rechts- und Linksradikalen in Frankreich und anderen Ortes: die Kommunisten triumphieren: „Haben wir es nicht immer schon gesagt, die Kirche wagt Sich an die Arbeiterschaft nicht wirklich heran, sie muß ihr verunglücktes Experiment abbrechen"; die Rechtsradikalen triumphieren: „Der Skandal ist zu Ende; nie wieder werden diese Priester unsere Fabriken betreten." Mitten zwischen ihnen treten, in dieser Passionszeit der Welt, die entlassenen Priester auf die Straße hinaus,- ihre Not ist dem Gebet der Christen anheimgegeben, ihr Anliegen bleibt bestehen, obwohl niemand heute sagen kann, Wer es aufnehmen wird in der Weltkirche, die in Asien, Afrika, Südamerika derselben Aufgabe gegenübersteht, von der die prHres- ouvtiets in Paris jetzt abbertifen wurden: die Betreuung der unbetreuten Volksmassen dieser Erde.

noch nicht festsieht, ob man dg nicht die Rechnung ohne den Wirt, also Großbritannien, macht, das in dem Felsen des Tarik ein Symbol seiner maritimen Suprematie erblickt. Der spanische Appetit ist ja gerade im Wachsen, und die Madrider Presse bringt die Forderung nach der Eingliederung von Tanger in das der Souveränität des jetzigen Scheinen entzogene Spanisch-Marokko,, Bis das alles reift, wird wohl noch'einiges Wasser den Ebro hinunter fließen, greifbar ist dagegen heute schon die strategische Einbeziehung und militärische Stärkung der größten mohammedanischen Macht: Pakistan. Sie beunruhigt auch bereits Indien, das darin einen einseitigen Kräftezuwachs seines Gegenspielers in Kaschmir sieht. Ein Ausgleich ließe sich dadurch finden, daß ja auch Indien einer entsprechenden militärischen Stützung teilhaftig werden könnte. Dies widerspricht aber Indiens Konzept der Neutralität, der „dritten Kraft“ im asiatischen West-Ost-Konllikt. Es ist verständlich, daß sich Indien aus dem „kalten“ und dem „heißen" Krieg heraushalten will, aber es wäre auch zu bedenken, ob und wie lange ein militärisch und psychologisch „ungerüstetes" Indien einer ernstlichen Bedrohung aus Tibet und einem Fortschritt der kommunistischen Innenpropaganda standzuhalten vermöchte. Ein eigenartiges Resultat hat die Verschärfung der Rivalität zwischen Delhi und Karachi bereits gehabt: Wenige Jahre nach Erlangung seiner Souveränität sucht Indien engere Anlehnung, Schutz und Rat bei Großbritannien. Was den Staatsmännern und Diplomaten an der Themse kein schlechtes Zeugnis ausstellt und Indien doch dem Westen nähert.

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