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Reise in den Krieg

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Von Angkor fuhren wir zum Golf von Thailand, durch flaches Land, auf guten Straßen. Auf den überschwemmten Feldern pflanzten die Bauern mit ihren Familien die jungen Reispflanzen aus. Burschen ritten auf den dicken grauen Wasserbüffeln, die die primitiven Pflüge durch die Furchen zogen. Es ist ein guter Boden und das Land ist spärlich bevölkert. Jeder hat genug zu essen, man überarbeitet sich nicht, man lächelt manchmal, es geht alles ein bißchen langsam und schwerfällig. Aber es liegt eine friedliche Atmosphäre über dem Ganzen. Vor wenigen Wochen noch war es so.

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Von Angkor fuhren wir zum Golf von Thailand, durch flaches Land, auf guten Straßen. Auf den überschwemmten Feldern pflanzten die Bauern mit ihren Familien die jungen Reispflanzen aus. Burschen ritten auf den dicken grauen Wasserbüffeln, die die primitiven Pflüge durch die Furchen zogen. Es ist ein guter Boden und das Land ist spärlich bevölkert. Jeder hat genug zu essen, man überarbeitet sich nicht, man lächelt manchmal, es geht alles ein bißchen langsam und schwerfällig. Aber es liegt eine friedliche Atmosphäre über dem Ganzen. Vor wenigen Wochen noch war es so.

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Wir übernachteten in Kep, nicht weit von der südvietnamesischen Grenze, in einem hübschen kleinen Erholungsort am Ozean. Abends, beim kühlen Schluck auf der Terrasse, drang durch die Tropennacht ein dumpfer Ton, von nicht sehr weit: der Widerhall der Bombeneinschläge in Vietnam, wo der Krieg weiterging, Tag und Nacht. Aber es war anderer Leute Krieg. Wir waren in einem neutralen, friedlichen Land.

Näher war der Gedanke an Krieg, als wir am nächsten Tag in Siha-noukvüle ankamen. Sihanoukville ist ein mit französischer Hilfe (geldlicher und technischer) angelegter Hafen. Der Bau dieses Hafens war Sihanouks Idee, daher der Name. Geplant war er für 14 Schiffe — aber als wir da waren, war man erst soweit, daß er vier Schiffe abfertigen konnte. Jedoch war nur eines da, ein Frachter, in den eifrig Reis verladen wurde. Er kam aus China, aber unter polnischer Flagge. Was dieses Schiff wohl gebracht habe, fragte ich unseren kambodschanischen Begleiter. Er war ein sehr junger und ebenso höflicher Mann, der für dieses französischsprechende Land erstaunlich gut Englisch sprach. Er hatte einige Jahre Ausbüdung in einem englischen Hafen hinter sich, und war jetzt Hafenmeister von Sihanoukville. Er hatte bis dahin alle Fragen sehr gut verstanden und beantwortet, doch diese letzte wurde geflissentlich überhört. Als ich sie dann noch einmal vorbrachte, kam die Antwort: Was das Schiff gebracht habe, wisse er leider nicht. Aber wir konnten es uns denken. Wie nah war doch plötzlich der Krieg.

Wenige Tage vorher hatte Sihanouk, dieser kleine, untersetzte Mann mit der schrillen Stimme und dem großen schauspielerischen Talent, den amerikanischen Korrespondenten während einer Pressekonferenz erklärt, er habe nichts dagegen, wenn die Amerikaner in Asien blieben, solange sie nur Kambodscha in Frieden ließen. Aber alle Anwesenden wußten um die 600.000 Vietnamesen, die bereits seit langem als Minorität in seinem Lande lebten. Eine Minorität, die immerhin zehn Prozent der Bevölkerung darstellt. Die meisten lebten in den östlichen Provinzen, etwa 200.000 in der Hauptstadt Phnom Perm. Aber sie waren kein Problem. Sie lebten friedlich ihr eigenes Leben, dankbar, daß sie vor den Kriegswirren im eigenen Land Schutz gefunden hatten.

Wir hörten Warnungen, daß Kambodscha unter der Oberfläche kein Garten Eden mehr seL Daß es zu viele Bürokraten mit „klebrigen Fingern“ gäbe, daß Sihanouk seine Minister nicht mit genügend Respekt behandle. Und vor allem, daß er nicht wirklich neutral sei. Leute, die jetzt aus Phnom Penn zurückkommen, erzählen, daß die Atmosphäre voll von Haß sei, Haß gegen die Vietnamesen, aber auch gegen ihre Verbündeten, die Chinesen. Sie sind meist Ladenbesitzer. Jetzt sind ihre Läden geschlossen. Dadurch ist die Lebensmittelverteilung beeinträchtigt und die Preise steigen. Das Nachtleben von Phnom Penh ist zu einem abrupten Ende gekommen. Die Barmädchen waren meist Vietnamesinnen; sie unterliegen jetzt einem strikten Ausgeh verbot nach sechs Uhr abends. Wenn man tagsüber Vietnamesen sieht, eüen sie meist scheu und verängstigt durch die Straßen, ohne sich aufzuhalten. Die Wohlhabenderen streben der japanischen Botschaft zu, um ein Visum für Vietnam zu ergattern. Nur ein kleiner Teü der mehr als 600.000 in Kambodscha lebenden Vietnamesen sind Vietkongs. Aber wer kann überhaupt wissen, wer was ist? Nur, wenn sie nachts in die Dörfer kommen, um sich Reis zu ergattern, kann man wohl erraten, aus welchem Lager sie kommen. Und es ist diese Sorte von Vietnamesen, die jetzt den Zorn der Bevölkerung erregt, die in Scharmützeln mit ihnen gerät, und von denen etliche, mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen, im Mekong ihr Ende fanden. Wer weiß, wie viele Unschuldige unter ihnen waren? Wer hat sich vergewissert, daß die Leichen allesamt Vietnamesen waren? Einer unserer Hongkong-Magnaten wollte kürzlich zwei große Hotels in Angkor bauen. Nun macht er lieber aus dem einen Grundstück einen Golfplatz. Aber der Vietkong spielt nicht Golf.

Gans oben, links: Kampong Cham, angebliche Vietkongs, angebliche Demonstranten für Sihanouk: Wieviele von ihnen leben noch? Rechts: Kino In Pnom Penh: Die Träume der Asiaten... Links oben: Wo GIs Ho-Cbi-Mlnh finden, wohnen Vletkotags. Darunter: Die schönen, freundlichen Menschen von Kambodscha: hier noch Im Frieden. Rechts oben und darunter: Helmkehr aus Mekka in den Krieg: Die verachtet mohammedanische Minderheit. Gans unten, links: Ein typischer Markt Im Nordwesten des Landes: Auch hier steht der Krieg vor der Tür. Rechts: Die Gegenwart Vietnams. Kambodschas Zukunft... 1

Hellmut Butterweck (5). AP (2). DPI (1).

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