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Reise zur Mitte des Mannes
Womit sich Frauen schon lange auseinandersetzen, beschäftigt jetzt auch die Männer: die Frage nach der eigenen Identität.
Womit sich Frauen schon lange auseinandersetzen, beschäftigt jetzt auch die Männer: die Frage nach der eigenen Identität.
Wann ist ein Mann ein Mann?" - Diese Frage stellen sich immer mehr Männer. Unzufrieden und unsicher in ihren Rollen in Familie, Kirche und Gesellschaft sind sie auf der Suche nach einer neuen Identität. Die Krise der Leistungsgesellschaft, die Konfrontation mit dem Feminismus, Schwierigkeiten im Umgang mit der eigenen Sexualität und das Ausfallen der „Väter" (Vaterlose Gesellschaft, Alexander Mitscherlich), all das bringt Männer heute in Bewegung. Eine Suche hat angefangen, die Suche nach Orientierung und nach einem befreienden Selbstverständnis. Die Frage nach dem „Mann-Sein" ist der Gesellschaft heute neu aufgegeben: Adam, wo bist du?
„Adam, wo bist du?" - war der Titel der Männerwoche, die vor kurzem auf Schloß Tanzenberg in Kärnten stattgefunden hat. 210 (!) Männer waren angereist, um mit Bichard Bohr, dem amerikanischen Franziskaner, der in der Männerbewegung der USA eine gewichtige Bolle spielt, auf die Reise zur Mitte des Mannes zu gehen. Richard Rohr ist durch seine vielen Publikationen seit Jahren auch in Europa gut bekannt (Der wilde Mann, Masken des Maskulinen, Der nackte Gott, Das Enneagramm...). Doch mit einem so großen Andrang hatte niemand gerechnet. Die Vorbereitungen zu deisem Seminar dauerten daher über ein Jahr.
Während Frauen seit Jahrzehnten sich mit ihrer Rolle und mit ihrem Selbstverständnis auseinandersetzen, beginnt die Frage nach der eigenen Identität die Männer erst jetzt richtig zu berühren. Während in den USA Männerbewegungen große Fußball-Stadien füllen und Thema der Innenpolitik sind, haben ähnliche Fragen hierzulande noch keine große öffentliche Resonanz. Doch die Frage nach der Identität des Mannes stellt sich für viele immer eindringlicher.
Die Arbeitsweise auf dieser Woche war eine ganzheitliche. Ausgehend von einer christlichen Rasis wurden viele Elemente aus der Selbsterfahrung (eigene Verwundungen, Archetypen Krieger, Liebhaber, Magier und König...) und zentrale Inhalte aus dem Erfahrungsschatz anderer Religionen in den Prozeß eingebaut. Zentrales Anliegen von Richard Rohr ist das in unserer Zivilisation verdrängte Thema der Initiation des Mannes. Der Nicht-initiierte ist nach den Lehren aller alten Kulturen ein noch nicht vollständiger Mensch. Es fehlen ihm selbstrelativierende, aber
notwendige Lebensinhalte. Als Essenz seiner jahrelangen Erfahrungen brachte Rohr auf dieser Woche fünf wesentliche Botschaften an den Mann.
■ Das Leben ist schwer
Mach dir das frühzeitig bewußt und verschwende dein Leben nicht mit dem Versuch, _
es dir leicht zu machen, was alle nicht initiierten Männer versuchen werden. Wir müssen frühzeitig „mit dem Kreuz" gezeichnet werden. Sonst werden wir unser ganzes Laben damit verbingen, es zu vermeiden. „Der Stein, den die Bauleute verwerfen, ist in Wirklichkeit der Eckstein" (Psalm 118,22; Matthäus 21,42).
■ DU wirst sterben
Die Sterblichkeit des Lebens muß greifbar werden durch Prüfungen, Grenzerfahrungen, Verwundungen und die Konfrontation mit dem Tod und der Todesfurcht. Ohne eine echte Kosmologie sind wir unserer Pathologie ausgeliefert und der Frage, _ wer schuld ist.
Alle Wunden müssen zu „heiligen Wunden" werden, um uns auf das endgültige Loslassen vorzubereiten. ■ DU bist nicht so wichtig
Der Initiand muß den rechten Platz in der Welt angewiesen bekommen, der ihm Achtung abverlangt. Sonst wird er ein aufgeblähtes oder abwertendes Selbstbild haben, das andau-
ernde Bestätigung braucht (moderne Selbstwert-Bewegung). Demut ist von zentraler Bedeutung für wahrhaftes Menschsein und für menschliches Glück.
■ DU hast nicht die kontrolle Der Initiand muß an die Grenzen
der eigenen Kräfte und Möglichkeiten geführt werden, die Ergebnisse zu kontrollieren. So wird er lernen, auf einen anderen zu vertrauen. Wir leben nicht in einer Welt des unbegrenzten Fortschritts, sondern in einer tatsächlich begrenzten Welt. Die Realität und Gott haben die Kontrolle. Du mußt eingestehen, daß du letztlich machtlos bist.
■ Dein Leben dreht sich nicht
um dich
Das ist die alles bündelnde Erfahrung. Du bist Fragment von etwas und von Jemand, das beziehungsweise der viel größer ist als du. Deine Aufgabe besteht darin, zu lauschen, zu folgen und anzubeten - nicht darin, zu berechnen. Du bist Teil eines großen und heiligen Geheimnisses. Sonst wirst du davon ausgehen, daß du all die Muster selbst geschaffen hättest, und daß es deine Aufgabe sei, sie selbst zu enträtseln. Das ist „Glaube" im eigentlichen Sinne des Wortes!
Diese „fünf Botschaften", die, so Richard Rohr, nichts Neues in der Weltgeschichte sind, muß der moderne entwurzelte Mann bedenken. Dann könnte vieles, was unsere Gesellschaft krank und unsicher macht, wieder ins rechte Lot kommen.
Da der Wunsch einer Fortsetzung und Vertiefung von fast allen Männern gefordert wurde, ist für den September 1998 eine Folgetagung bereits geplant. Auskünfte darüber bekommt man(n) über das Bildungshaus St. Georgen am Längsee. Der Autor ist
Rektor des Bildungshauses StGeorgen.
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