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Reisen in lebendige Vergangenheit

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Der Otto-Walter-Verlag in Ölten hatte bei der Planung und Herausgabe seiner Reihe „Kulturgeschichtliche Taschenbücher“ eine besonders glückliche Hand. Kulturgeschichtliche Werke haben — den Fall ausgenommen, daß sie sich ledig an Fachgelehrte wenden wollen — nur dann einen Sinn, wenn sie unsere Vergangenheit, die uns oft nicht mehr bewußten Grundlagen unserer Kultur und I unserer Thearjgen Lebeniwewei so lebendig darzubieten ' vermögen, wie diese tatsächlich sind. Und eben das ist dem Verlag mit seinen „Kulturgeschichtlichen Taschenbüchern“ ganz vorzüglich gelungen. Die Vergangenheit steht so nah und erlebbar vor uns, daß uns tausend Jahre wie ein Tag erscheinen ..

Das beginnt bei der Ausstattung. Es ist schon eine Freude, diese kleinen schwarzen Bände in .die Hand zu nehmen. Mit dem Namen „Taschenbüch“ verbindet sich uns heute der Gedanke an die glanzkaschierten Ausgaben von Fischer und Rowohlt. Hier wurde bewußt ein anderer Typ angestrebt. Nach bewährter alter Sitte sind die Bände dieser Reihe in solides Leinen gebunden. Und das ist gut so. Denn sie werden bestimmt in keinem Bücherkasten verstauben. Immer wieder wird man in ihnen schmökern, etwas nachschlagen oder sie Freunden zeigen. Daß sie dabei zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden, sei noch am Rande vermerkt.

Die Darstellung ist unprätentiös, aber nie oberflächlich, einfach, aber nie simpel. Sie legt auf Uebersichtlichkeit größten Wert. Sie wendet sich bewußt an ein weites Publikum, vermag dabei aber auch höchsten Ansprüchen zu genügen. Für den, der mehr wissen will, finden sich in allen Bänden diese sehr brauchbaren Literaturhinweise; es mag viele geben, die durch Appetitbissen Bildungshunger bekommen werden.

Götter und Helden der Griechen. Kleine Mythologie von Eckart Peterich. 156 Seiten mit 16 Abbildungen und zwei Karten. — Götter und Helden der Germanen. Kleine Mythologie von Eckart P e t e r i e h. 200 Seiten und 24 Tafeln auf Kunstdruckpapier.

Star der Reihe ist der vielseitige, heute in Paris lebende Schriftsteller Eckart Peterich, neben Erhart Kästner wohl der beste lebende Griechenlandkenner im deutschen Sprachraum. Er ist alleiniger oder Mitautor der meisten bisher erschienenen „Kulturgeschichtlichen Taschenbücher“. Sehr geschickt hat er in zwei Bändchen die Götter- und Heldensagen der Griechen und der Germanen zusammengestellt. Besonders bleibt zu loben, daß er dabei nie in eine altertümelnde Sprache verfällt, sondern so schreibt, wie wir heute sprechen.

In seiner Einleitung zu einem der Bände sagt Peterich: „Der Mythos lebte weiter... weil vieles, was die Menschen bewegt, gar nicht einfacher, klarer, schöner, großartiger und allgemeingültiger gesagt und gestaltet werden konnte als in der griechischen Sage. Denn sie umfaßt mit ihrem unerschöpflichen Reichtum die ganze Welt. . .“ Das ist es ja, was uns so zu den Mythen hinzieht: daß ihr Kern, das Urbildliche, Archetypische, der Grundstruktur und den Erlebnismöglichkeiten unserer Seele entspricht. (Wenn auch die Bilder der Mythen nur ein Teil der unserer Seele eingeborenen Bildwelt sind und ihren Widerpart in alt'.estamentarischen und christlichen Motiven haben.)

Griechenland. Ein kleiner Führer von Eckart Peterich und Josef Rast. 432 Seiten, davon 96 Bildseiten. Preis 15.80 sfr.

„Von Sparta gelangte Aemilius Paulus über Megalopolis nach Olympia“, schreibt Livius. „Dort erschien ihm manches der Betrachtung würdig. Als er aber vor dem Zeus stand, da kam es ihm vor, als sei der Gott gegenwärtig, und er ward in seinem Gemüt .sehr .ibewegt.lifSo, geht w3Mifnoehfhttiett allerorten in Griechenland; und', so' geht es uns wieder, wenn wir diesen kleinen, sehr persönlich geschriebenen Führer von Eckart Peterich lesen. „Lesen“ ist nicht ganz richtig gesagt; wir sollten eher „betrachten“ sagen. Wir lesen ein paar Seiten, schauen ein paar Bilder an — und finden uns plötzlich wieder, in tiefer Betrachtung versunken. Ich glaube, daß es so auch jemandem gehen wird, der noch nie in Griechenland war; mir jedenfalls tut es sehr leid, daß dieser kleine Führer im Frühjahr 1956, als ich die Argolis und Böotien durchwanderte, noch nicht erschienen war: das nächste Mal wird er bestimmt dabei sein. Das Schöne an dem Buch: daß es wie eine Erzählung geschrieben ist und nicht zuletzt durch die vielen Zitate früherer Griechenland-reisender einen weltweiten Horizont hat. Besonderes Lob verdient der Bilderteil, den Josef Rast betreute. Auch im kleinen Format haben die Photos ihre volle Schärfe behalten.

Der Glaube und die heiligen Schriften der Inder. Von Walther E i d 1 i t z. Alte indische Weisheit und Lehre. 308 Seiten. 24 Kunstdrucktafeln. Preis 16.20 sfr.

Wie die anderen Bände ist auch dieses ein Lese-und Nachschlagwerk in einem. Knapp und auschau-lich stellt Eidlitz die Lehre über den einen Gott in den vielfältigen Gestalten dar, die Heldengeschichten aus den alten Epen und die verschiedenen Heilswege, die der Hinduismus kennt. (Unter heiligen Schriften versteht er in diesem Zusammenhang die auf der vedischen Offenbarung fußenden Dokumente. Der Veda bedeutet das heilige Wissen, das am Anfang steht.) Besonders wertvoll wird das Buch durch die zahlreichen eingefügten Textproben, die zum Teil hier erstmalig übersetzt wurden.

Die „Kulturgeschichtlichen Taschenbücher“ des Otto-Walter-Verlages werden ergänzt durch eine zweite „Kleine Reihe“, die für den Liebhaber zeitgenössischer Literatur geschaffen wurde und zumeist Erzählungen bringt. In helles Leinen gebunden, wird auch diese Reihe in vornehmer Geschenkausstattung vorgelegt.

Esel, Weinkrug und Sandalen. Von Luigi S a n-t u c c i. Deutsch von Eckart P e t e r i c h. 124 Seiten. Preis 6.80 sfr. — Die Kelter der Freude. Von Luigi Santucci. Deutsch von Eckart P e t e r i c h. Mit einem Nachwort von Nazareno Fabbretti und fünf Holzschnitten von Georg Bernhard. 96 Seiten Preis 6.80 sfr.

Luigi Santucci. geboren 1918 in Mailand, wo er heute als Professor an der Universitä Cattolica wirkt, ist ein sympathischer Autor. Mit seinen kleinen Erzählungen will er mithelfen, das „Aergernis der Freude“ in die Welt zu bringen. Aergernis der Freude? Ja, muß denn nicht die Freude allen Satten, Gestrengen und Gerechten ein Aergernis sein, wenn ie sich plötzlich, unerwartet, unfaßbar und ganz und gar unverdient unsereinem schenkt, während die, die sich in ihren Soll-und-Haben-Büchern einen iel größeren Anspruch auf sie ausrechneten, leer ausgehen? Muß nicht allein, die in der Religion eine ftrenge, bittere Pflicht sehen, die man eben auf sich nehmen muß, um mit Müh und Not den Höllenqualen zu entgehen, die Einstellung von Menschen, die an der Religion Freude und durch sie Freude an der Welt empfinden, ärgerlich, ja verdächtig sein?

„Lassen Sie uns über diese schwerwiegenden Dinge ein paar leichte Worte tauschen“, sagt Luigi San-tucci am Beginn seines geistvollen Fast-Streit-Ge-spräehes im Bande „Die Kelter der Freude“: „Fpikur und alle heidnischen Qliickslehrer, die von vor zweitausend Jahren und die von heute, bemühen sich darum, die Freude aus den angenehmen Dingen herauszukchern, während Christus uns gelehrt hat, sie in allen Dingen zu finden, auch den unbequemsten und lästigsten.“ — „Es ist höchste Zeit, daß wir Satan das Vorrecht entreißen, das er sich angemaßt hat: der Erfinder und alleinige Verkäufer der Freude zu sein und uns nichts anderes gelassen zu haben als die tränenfeuchten und trüben Blicke des Verzichtens ...“ Das sind herzhafte Ansichten, die der Autor hier ausspricht. In einigen der Geschichten des Bandes „Esel, Weinkrug und Sandalen“ sind sie Gestalt geworden: vor allem- in der Legende vom Bruder Jasmin und dem Eselchen, vom Geruch der Heiligkeit und von der zunächst so traurig erscheinenden vom Onkel Hochwürden. Santuccis beste Arbeiten reihen sich ein in die lange Folge christlicher Legenden und Erzählungen, die vom heiligen Franz heraufführt zu Gilbert Keith Chesterton und Juan Ramon Jimenez.

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