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Digital In Arbeit

Rezept für Jen Umgang mit Autoren

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Setz deinen Autor in einen bequemen Sessel, der niedriger ist als dein Stuhl, dann wirst du am besten mit ihm verhandeln können.

Reiche ihm etwas zu raudiem hinunter.

Setz eine leichtgefärbte Brille auf, damit er das Spiel deiner Augen nicht beobachten kann. Setz dich selbst möglichst in den Schatten und ihn in möglichst helles Licht.

, überlaß den Autor ungehemmt seinem Redefluß, wenn er dir von seinem Manuskript oder von seinem geplanten Buch erzählt. Geht ihm der Atem aus, so fange schüchtern an zu sprechen. Frage ihn nicht nach Einzelheiten seines Manuskripts oder Plans. Sei von vornherein ebenso wie er selbst überzeugt von der Möglichkeit eines Erfolges seines Buches, denn du mußt dir sagen, daß du ihn von dem Mißerfolg, bevor er da ist, nicht Überzeugen kannst.

Selbst die längste Besprechung darf nicht länger als eine halbe Stunde dauern. Davon hast du nur fünf Minuten Redezeit, in der dreimal das Wort Wirtschaftskrise Vorkommen darf.

Der Autor, der dir am meisten mit seinen praktischen Kenntnissen vom Buchhandel imponieren will, versteht sicherlich gar nichts davon. Hüte dich aber vor denen, die behaupten, sie seien keine j Geschäftsleute und verstünden nicht das Geringste von derartigen Dingen: sie sind gefährlich.

Glaube einem Autor nicht, wenn er dir erzählt, sein ganzer Bekanntenkreis würde sein Buch kaufen. Da verschwinden nur die Freiexemplare; kein „Freund" oder .Bekannter“ kauft ein Buch.

Fasse keine Entschlüsse bei der ersten Unterhaltung, sondern denke über die Physiognomie des neuen Autors ein paar Tage nach. Sein Äußeres gibt dir mehr Einblick in das, was er kann, als das, was aus ihm als Redestrom herausbricht.

Bei der zweiten Besprechung ziehe deinen Lektor hinzu, der mit ihm freundlich plaudert und ihm mit seinen Kenntnissen imponiert. Laß durchblicken, daß du im Grunde ein Idealist bist, aber laß ihn nicht den Eindruck haben, daß du vom Kaufmännischen nichts verstehst. Kein Autor wird dich selbst im Wesen richtig erkennen. Entweder bist du für ihn ein pfiffiger Kaufmann oder ein freundlicher Mäzen: du bist aber keins von beiden. Du hast den blödesten Beruf der Welt ergriffen. Der Handel mit Häuten und Fellen ist eine klare Sache, der Handel mit Geistesprodukten wird immef ein Mittelding zwischen deinem persönlichen Geschmack und deiner Leidenschaft einerseits und deinem Gefühl für eine gute Konjunktur andererseits sein. Wenn du vierzig Jahre dies Geschäft, das kein Geschäft ist, betrieben hast, kannst du selbst nicht mehr unterscheiden, welcher Instinkt dich leitet, der künstlerische oder der geschäftliche; du bist ein Zwitter geworden.

Bemühe dich trotzdem, den Autor von deiner Seriosität zu überzeugen, obgleich du selbst fühlst, daß du eigentlich ein wilder Spekulant bist. Bedenke stets, ohne es zuzugeben, daß du mindestens so närrisch bist wie der Autor. Denn Bücher verlegen ist eine fast noch närrischere Betätigung als Bücher schreiben.

Es gibt Autoren, die sich nicht ohne ihre Gattin in deine Höhle wagen. Laß alle Register deiner Liebenswürdigkeit spielen, so wird sie vielleicht, wenn du Glück hast, sich seinen Flüchen über dich nicht anschließen und sie mildern. Führt Sie aber bei den Verhandlungen das Wort, so bist du so gut wie verloren. Jeder Versuch, sie für dich zu gewinnen, ist vergeblich. Kein Autor ist so habgierig wie seine Frau. Mag sie ihn für einen großen Schriftsteller oder für einen Trottel halten, auf jeden Fall wird sie versuchen, aus ihm herauszuschlagen, was nur geht, und du bist der Leidtragende.

Will dein neuer Autor „sein Buch erst schreiben oder vollenden, so zahle ihm nach Möglichkeit keinen Vorschuß, er hat dich an der Gurgel. Wenn du ihm deinen letzten Pfennig gegeben hast, wird er erklären, daß er mit dem Vorschuß nicht ausgekommen ist, er könne absolut nicht weiterschreiben, wenn er nicht sofort an die Riviera reisen könnte. Er brauche die Stimmung und die Atmosphäre der Riviera zur Vollendung seines Werkes, besonders wenn er einen proletarischen Roman schreibt.

Willst du den schon gezahlten Vorschuß nicht verlieren, mußt du weiter bluten. Es gibt keine Mittel, ihn zum Arbeiten zu zwingen. Wenn du etwa noch ein Anfänger bist und ihm mit einem Prozeß drohst, so fährt er mit dem nächsten FD- Zug in die Ferne, und wenn es ernst wird, findet das Auge des Gesetzes in seiner Wohnung höchstens ein Häufchen Pega- susmist; die Gerichtskosten aber bezahlst du.

Jeder Autor erklärt dir, daß sein Buch ganz billig auf den Markt gebracht werden muß; rechnest du ihm aber das dabei für ihn abfallende Honorar vor, so erhöht er die Preise.

Ist der Vertrag geschlossen, so schließe dich der Ansicht des Autors an, daß du ein Meisterwerk erworben hast. Laß dir von keinem anderen Autor weismachen, daß es dies nicht ist, sondern glaube an dies Buch selbst dann noch, wenn du e verramschen mußt.

Rechnest du mit dem Autor ab und der Absatz seines Buches hat nicht die Dimensionen angenommen, die er erwartete, so zucke mit keiner Wimper, wenn er anfängt, dir zu erzählen, wieviel Buchhändler ihm gesagt hätten, daß sie Hunderte von Exemplaren seines Buches täglich absetzten. Du mußt dir darüber klat sein, daß er stets glauben wird, du betrügst ihn mit den Absatzzahlen. Er hat ja von doppelter Buchführung und Lagerkonten keine Ahnung. Versuche auch nicht, ihm klarzumachen, daß es Schwindel ist, wenn jeder zweite Mensch, mit dem er über sein Buch spricht, behauptet, er habe es gekauft — er wird dir nicht glauben.

Wundere dich nicht, wenn sich dein Autor in den Tagen des Erscheinens seines Buches wie eine schwangere Frau benimmt und der Meinung ist, daß mit dem Stichtag des Erscheinens eine neue Zeitrechnung beginnt. Stärke ihn lieber in diesem Glauben und laß dich von seinem Fieber anstecken. Je mehr Leuten du erzählst, daß du das beste Buch des Jahres herausgebracht habest, desto besser wird das Buch gehen.

Bist du mit deinem Autor menschlich befreundet, so empfiehl ihn einem anderen Verleger, denn das sicherste Mittel, deinen Freund zu verlieren, ist, ihn zu verlegen. Du kannst mit ziemlicher Sicherheit damit rechnen, daß der Autor, mit dem du zuerst auf rein geschäftlicher Basis verkehrst, sehr schnell dein Freund wird.

Kneipen darfst du grundsätzlich mit einem Autor nur dann, wenn der Vertrag schon abgeschlossen ist. Kneipst du aber mit einem Autor, so vermeide jedes Gespräch über seine Bücher, sonst wird es ungemütlich. Merke dir, daß die besten Autoren die sind, die nicht von ihren Büchern sprechen.

Dein Meisterstück im Umgang mit Autoren legst du aber ab, wenn du ihnen beigebracht hast, daß dein Vorteil auch ihr Vorteil ist. Gewöhne dich daran, die Achseln zu zucken, wenn dir dein erfolgreicher Autor die Angebote deiner Konkurrenzverleger zeigt. Lächle, schweige und poche auf den Generalvertrag. Diese Umgangsregeln gelten im allgemeinen auch für Autorinnen. Es ist selbstverständlich, daß du dich nicht durch ihre äußeren Reize beeinflussen läßt.

Oberster Leitsatz: Laß dem Autor die Überzeugung, ’daß ihr beide Kulturfaktoren seid, aber sei dir selber darüber klar, daß auch der Lumpenhändler, den du ja in Form von Makulatur reich belieferst, die gleiche Daseinsberechtigung hat wie du und dein Autor.

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