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RICHARD M. NIXON / GUT GEMACHT, DICK!
War das ein Jubel in Warschau gewesen. Alles kam spontan, ganz ohne Regie, die im Osten so vorzüglich klappt, wenn es gilt, einmütige Raserei oder kochende Volksseele hervorzuzaubern. Nixon fühlte sich dabei in seinem Element, schüttelte Hände, umarmte Kinder, verteilte Füllhalter, beschwor Chopin und Kosciuszko und vergewisserte sich stets vorher, daß die Photographen zur Stelle waren, und rief sie, wenn nötig, mit lauter Stimme herbei. In der Warschauer Altstadt etwa bat er die jubelnde Menge, das Händeklatschen zu wiederholen, damit die Filmleute diese Szene aufnehmen konnten. Dieser Meister amerikanischer Publizitätstechnik zog alle Register, um seine Volkstümlichkeit zu dokumentieren. Seine Gattin half fleißig mit, wobei ihr das eingedrtllte Keep-smiling über Perioden der Ermattung hinweghalf. Auch in den improvisierten Reden war er bedacht, in der Heimat Effekte zu erzielen. Sie waren für die sieben Millionen Amerikapolen ebenso gedacht wie für das ganze polnische Volk. Die „Times” kommentierte den polnischen Werbefeldzug freilich trocken: „Für die jubelnden Warschauer Massen war Mister Nixon ein neues Symbol der Hoffnung, aber Hoffnung worauf?”
Der amerikanische Berufspolitiker und zielstrebige Präsidentschaftsanwärter Nixon, genannt „Dick”, denkt freilich an die nächsten Wahlen. Er stand dem Präsidenten Eisenhower seit Jahren als ein „treuer Achatis” zur Seite, immer bereit, laut Verfassung „im Falle des Todes, des Rücktritts. oder der Amtsunfähigkeit” an seine Stelle z’u rücken. Seine steile Karriere wurde, vorab von den mit traditionellem Linksdrall behafteten Intellektuellen, mit einer Mischung aus Bewunderung und Argwohn verfolgt. Die Quelle von Nixons Unpopularität lag aber in dem durchzuwatenden parteipolitischen Morast, der sich zäh um seine Schritte legte und den Weg nach oben hemmte.
1945 suchten kalifornische Industrielle per Zeitungsanzeige einen Mann, der bereit sei, für die konservative Sache einem linksliberalen Abgeordneten im Staatsparlament den Sitz streitig zu machen. Der heimgekehrte Krieger Richard M. Nixon (Jahrgang 1913) nutzte die Chance und gewann das Mandat. Von da an war er Sprecher des rechtsradikalen Flügels der Republikaner. Der ehemalige unbekannte Provinzanwalt ohne . Klienten schwamm nun auf der. Woge des Mac- Carthyismus nach oben. 1950 war er bereits Senator, trieb den Spion Alger Hiss, für dessen weiße .Weste selbst Oberstrichter Frankfurter und Dean Acheson die Hände ins Feuer zu legen bereit waren, in einem dramatischen Verhör in die Enge und erwies sich erstmals als ehrgeizig, vital und unbekümmert. Durch die Spektakelreden, mit denen er, auf Drängen seiner Freunde, als republikanischer Parteiführer auf die demokratische Opposition einschlug, lädierte er allerdings sein Renommee beträchtlich. Auch im westlichen Ausland wurden Stimmen laut, die Bedenken dagegen erhoben, daß ein so „unausgebäckener Politiker” an der Spitze Amerikas stehe.
Erst sein berühmter Spießrutenlauf durch Lateinamerika („Viel Steine gab’s und wenig Lob ) machte ihn über Nacht zum nationalen Märtyrer. Die Eier, die ihn trafen, trafen die Nation. Die Weltreisen, auf die ihn Eisenhower schickte, gaben ihm dann den letzten Schliff, so daß ein so zurückhaltender Kommentator wie Stewart Alsop notierte: „Die Konfrontation mit der schrecklichen Verantwortung des Weißen Hauses hat ihn gelehrt, daß Politik wesentlich mehr ist als nur ein Mittel, Karriere zu machen.” Er selbst bekannte: „Früher haben mir Krachs bei meinem Fortkommen geholfen, heute können sie mir nur schaden.” Der aktivste Vizepräsident der US-Geschichte baut fest darauf, daß der nächste gewählte Präsident Richard Milhous Nixon heißen wird.
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