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ROM, INDER, SCHWARZE, KROATEN, SERBENIM, MUSIKLAND, OSTERREICH

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Die gehen in Wiens bosni-1 1 sehe Wirtshäuser, in die verborgenen Discos der Kroaten und Serben, in die Jugendklubs der l M Gastarbeiter, in die V f Flüchthngsunterkünfte im alten AKH in Wien und in die Tumsäle der Universität, zum Roma-Ball im bürgen-ländischen Oberwart, ins Inter-kulttheater. Sie notieren ihre Lieder, beschreiben ihre Instrumente, zeichnen die Tanzschritte auf, übersetzen einen Text, wie Man-sur Bildik ihn zur Saz, dem türkischen Zupfinstrument, singt:

Ach mein Herz was soll ich tun um deinetwillen^ Immer weine ich und nimmer kann ich lachen. Ach, die Rederei der Fremden könnt ich nicht mehr hören. Ich verließ die sehen wollte. Wer über die harmlose Instrumentenkunde hinausgehend arbeitet, eckt an.

Aber mit Kultur kaim man öffentliche Aufimerksamkeit gewinnen. Was nicht an die Öffentlichkeit dringt, stirbt aus. Nur was auf CDs, Videos, Kassetten erhälthch ist, wird angenommen. Der Tonträgermarkt ist längst zur wichtigsten Transferschiene von Mu-sikkultm geworden. Die Roma handeln mit Musik ihrer aller Herren Länder und verkaufen ihren Zuhörern das, von dem sie annehmen, es verkaufe sich am besten.

Dabei wartet die ÖffentHchkeit auf Argumente der Wissenschaft, um das Interesse für die Kultur der Minderheiten zu wecken. „Ich hätte endlich gern wissen-schafthche Unterlagen, um für die Sache zu sprechen", sagt Heltete für die Teilnehmer eines kürzhch abgehaltenen Symposions „Musik der Minderheiten" nicht viel, aber immerhin, Deutschland ist noch nicht so weit.

Schwer fällt es den lange-in der UnauffäUigkeit geübten Angehörigen von Minderheiten, auf eiiunal ihre Kultur nach außen zu tragen. „Für mich ist Zigexmerin kein Schimpfwort", sagt eine Sängerin. „Wir müssen das Wort mit neuen Inhalten füllen." War einst die Angleichung an die Mehrheit Chance für geduldetes Weiterleben, ist heute der Gang an die Öffentlichkeit Rettung vor dem kulturellen Aussterben. „Wer Wirkung erzielen wül, darf auf elegante Methoden nicht Rücksicht nehmen", bemerkt Andre Heller.

Wer das Publikum gewinnen will, muß die Infamie des Mark Für Heller, der sich seiner eigenen Magneten-Rolle bewußt ist, ist es ein Glück, eine Gnade, mit jeder seiner Shows eineinhalb MiUionen Tickets in Europa zu verkaufen. Es ist für ihn Aufgabe, Wissen einzubringen, das das Leben lebenswert macht.

Was bedeutet die Musik für die Minderheit? Folkloristische Farbe für die Kompositionen der Romantiker, wie bei Johaimes Brahms' ungarischen Tänzen und Zigeuner-Liedern?

Wohl auch Stärkxmg der Identität. Es muß aber nicht immer alte, imverfälschte Tradition sein. Junge Bosruer, Nigerianer und Türken identifizieren sich auch mit dem, was uns wie ein Schlager klingt.

Musikologen sind weit hinter ihreE'Zeit, weim sie traditionelle Musiken unverändert erhalten Heimat, nimmer kann ich helfen.

Während das Tonband läuft, hören sie, die Musikologen, weniger poetische Geschichten aus dem Leben dieser Musiker: vom bosnischen Kellner, der eher als Zauberer eine Arbeitsbewilhgung bekommen konnte, von indischen Freiheitskämpfern, die jetzt als Zeitungskolporteure arbeiten, von den schwarzen Studenten in Wien und ihrer Musik, von den senegalesischen Musikerfamilien Tarn Tam d'Afrique, die die HäK-te des Jahres in Wien leben.

Wenige sind es, die den Musiken der Wenigen zuhören, deim das Objekt der Forschung färbt auf den Forscher ab. „Beschäftigen Sie sich irüt etwas Anständigem", kursiert der Ausspruch eines Slawistik-Professors, dessen Student bei Gastarbeitern formut Kietzander von der ORF-Minderheiten-Redaktion. „Es gibt in Österreich keine Allianz der Vernünftigen. Wirklich Prominente - Peter Alexander - wollen sich in unserer Minderheiten-Sendung ,Heimat firemde Heimat' nicht exponieren." „Für die Umvvelt wirbt Madonna besser als ein Ökologe", sagt dazu Andrė Heller.

Die Minderheitemedaktion weigert sich, ihre Themen immer nur musikalisch zu illustrieren. Kultur kann kein Ersatz für Politik sein. „Weil Minderheiten keine politische Stimme haben, ist ihre kulturelle Stimme so bedeutend", meint der Redakteur der Eisenstädter kroatischen Zeitung, Peter Tyran. Die Anerkennung der Roma als Volksgruppe Österreichs im Dezember 1993 bedeutes studiert haben, dann sich eine Untergrenze stecken, die er mit seinem Gevnssen vereinen kann und die professionellsten Marketingmethoden einsetzen." Heller hat mit seiner Schau „Magneten" den Roma eine präsentable Stimme gegeben, schon früher den Schwarzen in seiner Show „Body and Soul" - der Thematisierung des Ausverkaufs der Schwarzen Kultur durch die Weißen.

Gerade Hellers „Magneten" zeigen aber auch, daß noch ein weiter Weg für die Österreicher zu gehen ist: sie sind Hellers im Vergleich weitaus erfolgloseste Show. Weder in einer deutschen Kleinstadt, noch in den kleineren Städten Österreichs" scheint es schick zu sein, abends eine Roma-Show zu besuchen, nein, es erweckt eher Aggressionen.

und vor dem Aussterben bewahren wollen.

Auch die in Österreich miteinander musizierenden Fremden kreieren neue Stile: die Wiener Tschuschenkapelle unter Obertschusch Slavko Ninic spielt auf traditionellen Instrumenten verschiedener Traditionen: Bouzouki, Balalaika und Mandoline, zusammen mit E-Baß und Percussion. Zu der Gitarre ihres Mannes singt die Romni Ruza Nikolic:

Hilf mir, Gott, laß mich nicht Untergehn, daß ich mir und den Roma Freude nwehen kann.

Es gilt nicht, die anderen zu retten, ihnen zu helfen oder das andere zu integrieren, einzugliedern: es gilt, uns - der Mehrheit -die Musik der Minderheiten zu erhalten. Denn Kulturverlust heißt Radikalisierung.

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