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Rose Macaulay: Wenn Despoten vorgeben, die Welt zu retten

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Über das zu unrecht unbekannte Werk von Rose Macaulay.

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Über das zu unrecht unbekannte Werk von Rose Macaulay.

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Man darf davon ausgehen, dass bei uns Rose Macaulay (1881– 1958) zu den großen Unbekannten der englischen Literatur zählt. Das ist nicht nur deshalb seltsam, weil sie ein umfangreiches Werk von 23 Romanen und etlichen anderen Büchern hinterlassen hat, sondern weil in der Zwischenkriegszeit in Deutschland drei Dissertationen über sie und ihr Werk erschienen sind. Sie zählte einmal als einflussreiche Persönlichkeit, Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ soll unter dem Einfluss ihres Romans „Was nicht alles“ von 1919 entstanden sein.

Das leuchtet unmittelbar ein, denn Macaulay entwickelt darin eine Welt, in der der Staat über Menschen verfügt, sie zu Untertanen degradiert, und das alles zum vermeintlichen Wohl der Allgemeinheit tut. Diktaturen funktionieren nach diesem Prinzip, und wie durchdacht ein solches System ist, kommt in diesem Roman anschaulich heraus, was einerseits beklemmend wirkt, dann aber durch den Witz der Autorin wieder aufgehoben wird.

Der Roman – er ist jetzt zum ersten Mal auf Deutsch zu lesen – ist unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs entstanden. Das ist gut zu wissen, er ist aber nicht abhängig von den historischen Ereignissen. Wie viele Intellektuelle der Zeit verherrlichte Macaulay den Krieg vorschnell, um bald der Ernüchterung größeren Platz einzuräumen. Bereits 1916 veröffentlichte sie den Roman „Non-Combatants and Others“, womöglich der erste Antikriegs-Roman, der auf Erfahrungen im Großen Krieg basiert.

Das Besondere an „Was nicht alles“ besteht darin, dass der Roman das gängige Realismus-Konzept übersteigt und eine wüste Phantasie über die Torheit der Regierenden und Regierten entwickelt. Dass mit dem Ende des Krieges nichts vorbei ist, nur eine neue Form von Unfreiheit Einzug halten wird, führt Macaulay schlüssig vor Augen. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit und die Zensur werden verschärft, um den Plänen der Regierung zum Durchbruch zu verhelfen. Nachdem man zur Ansicht gelangt war, dass die Dummheit der Menschen für den katastrophalen Zustand der Welt verantwortlich ist, führt das Verstandsministerium eine Art Kastensystem ein, das die Bevölkerung in verschiedene Intelligenzstufen einteilt. Jeder bleibt in seinem System gefangen, Vermischung ist verboten.

Am Beispiel einer jungen Angestellten im Ministerium zeigt die Autorin, die überhaupt eine Schwäche für starke Frauenfiguren aufweist, dass dieses Gesellschaftskonzept nicht einfach hingenommen wird. Das macht den Roman so aktuell, da er die Frage stellt, wie viel sich Menschen von Regimen zumuten lassen, bevor die Wut überkocht. Wir haben gegenwärtig genug aktuelle Ereignisse, die Despoten wanken lassen. Rose Macaulay leistet eine erfrischende Analyse im Geist der Phantasie.

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